Mal was ganz anderes in der Welt (und vermutlich auch in vielen anderen Portalen)
https://www.welt.de/wissenschaft/article248942888/Pisa-Woran-der-Mathe-Unterricht-krankt.html
Der Artikel ist arg dünn und vor der Empfehlung von Youtube-Videos kann ich nur warnen. Videos sind hauptsächlich Unterhaltung und der dauerhaft verbleibende Wissensgehalt ist geringer als bei jedem anderen Medium. Das ist längst erwiesen und wird trotzdem beharrlich ignoriert oder geleugnet.
Wer wie ich in den letzten 40 Jahren gesehen und miterlebt hat wie der Mathematikunterricht an Gymnasien von einer relativ fundierten theoretischen Ausbildung zu einem völlig unverständlichen Mischmasch an praktischen Beispielen, praktischen Beispielen, praktischen Beispielen, Anwendungen, Anwendungen und ein klein wenig Theorie verkommen ist kann über solchen Unfug nur den Kopf schütteln. Wer die Theorie beherrscht kann auch ihre Anwendung auf praktische Beispiele verstehen. Wer nur die Beispiele kennt steht vor dem nächsten praktischen Problem völlig hilflos da. Ausbaden dürfen die Schülerinnen und Schüler das dann an der Hochschule, weil sie nie gelernt haben Mathematik zu "sprechen" und bei einfachen Abstrahierungen scheitern.
Und ja, die Forderung nach mehr Anwendungsbezug im Mathematikunterricht ist bereits mindestens 40 Jahre alt. Richtig wird es damit aber nicht.
Ja, nun - Jein! Die von Axiomen, Lemmata und ähnlichen Theorie-Unfug starrenden Klett-Mathebücher der 70er, in denen die Autoren bewiesen wie sie zu ihren mehrfachen Doktortiteln gekommen waren, möchte ich nie wieder sehen. Die haben mir zwar bei schlechten Lehrern mehrfach das Renommee eingebracht, der halben Klasse erklären zu dürfen, was die Apostel mit ihren wundersamen Worten sagen wollten. Aber Mathelehrbücher, die für Mathematiker geschrieben sind, braucht kein Kind.
Und dass die Deutschen dann zu den weitaus mehr praxis-bezogeneren Angelsachsen geschielt haben, kann ich durchaus verstehen. Denn ich hab selbst gern englische Mathebücher gelesen, weil sie viel anschaulicher und oft auch einheitlicher waren. Und da ich zugleich über Jahrzehnte vielen Kindern und Jugendlichen Nachhilfe gegeben hab, hab ich dort auch gemerkt, dass die Einprägung von Theorie über anschauliche Beispiele bei den meisten am einfachsten gelingt.
Dass dieser Grundansatz dann aber "typisch deutsch" so übertrieben wurde wie zuvor die Theorielastigkeit, ist leider ebenfalls richtig. Die Mathebücher meiner Kinder ähneln eher Yps-Heften und es war anfangs gar nicht leicht denen zu zeigen was für coole Sachen man mit einem Stift und einem öden Blatt Rechenpapier machen kann. Wie jetzt? Keine Zahlen-Türme? Keine Pyramiden? Keine Wolken zum Wegstreichen? Einfach nur so rechnen? Wozu das denn?