Prozess wird unendliche Geschichte Verfahren gegen Ursache geht erneut in Verlängerung – Quelle:
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Halle (Saale) -
Eigentlich sollte das Urteil im Verfahren um einen mutmaßlichen Schuss auf einen Polizisten, wegen dem der selbsternannte Staatsgründer und frühere „Mister Germany“ Adrian Ursache seit Oktober 2017 vor dem Landgericht Halle steht, schon längst beendet sein.
Doch statt nach sechs Monaten wie geplant mit den Plädoyers in die Zielgerade einzubiegen, ging der Prozess gegen den 43-Jährigen aus Reuden in der Elsteraue in die Verlängerung. Und auch die wird nun nicht ausreichen.
Am 24. Verhandlungstag vor dem Landgericht Halle verkündete der Vorsitzende Richter Jan Stengel neue Termine: An acht weiteren Verhandlungstagen wird nun bis Ende Juni weiterverhandelt.
Streitpunkt zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht ist derzeit die ausstehende Anhörung des gerichtspsychiatrischen Gutachters. Bernd Langer vom Institut für Rechtspsychologie und Forensische Psychiatrie Halle war vom Gericht beauftragt worden, die Schuldfähigkeit des Angeklagten zu beurteilen.
Nachdem Ursache einer Mitwirkung an der Erstellung eines Gutachtens widersprochen hatte, beobachtete Langer den von den Behörden zu den „Reichsbürgern“ gerechneten früheren Telefonverkäufer und Solarunternehmer während des gesamten Prozessverlaufes.
Das von ihm vorgelegte vorläufige Gutachten, das ursprünglich bereits im April hatte verlesen werden sollen, genüge jedoch nicht wissenschaftlichen Standards, hatte Verteidiger Dirk Magerl am vergangenen Verhandlungstag gerügt. In einem Antrag hatte die Verteidigung deshalb verlangt, Langer zu entpflichten.
Prozess gegen Adrian Ursache: Genügt das Gutachten den Anforderungen?
Die Staatsanwaltschaft sieht dafür keinen Grund. Die Verteidiger hätten ihren Vorwurf, Langer habe Standesregeln missachtet und damit die Besorgnis der Befangenheit erregt, nicht glaubhaft machen können, so der Anklagevertreter. Ziel des Antrages sei es ausschließlich, den anerkannten Fachmann Langer schlecht zu machen, um ihn „herauskegeln“ zu können.
Auch Langer selbst widersprach dem Verdacht, sein Gutachten weise methodische Mängel auf – so fehlt nach Ansicht von Magerl etwa die Belehrung des Angeklagten darüber, dass er als gerichtlich bestellter Sachverständiger keiner Schweigepflicht unterliege.
„Die Rolle des Sachverständigen war klar und unmissverständlich“, erklärte der Experte, der auch im Gerichtsverfahren gegen den selbsternannten Wittenberger „König“ Peter Fitzek gehört worden war. Langer beschrieb die bizarre Szenerie seiner einzigen Begegnung mit Ursache: „Der Probant blieb stehen oder setzte sich auf ein flaches Schränkchen, er ließ die Möglichkeit einer Mitwirkung an der Gutachtenerstellung ausdrücklich offen.“
Adrian Ursache fühlt sich verleumdet und erstattet Anzeige gegen Gutachter
Weil eine Ablehnung einer Mitwirkung die Erstellung eines Gutachtens aber nicht torpedieren könne, sei auch eine Begutachtung ohne mitwirkenden Angeklagten möglich. Er habe im Prozessverlauf ausreichende Informationen gewonnen, um Adrian Ursache einschätzen zu können, so Langer.
Der Probant selbst, nach mehreren Auftritten in Räuberzivil aus Trainingsjacke, Jogginghose und Turnschuhen erstmals wieder im seriösen Anzug, sieht das anders. Langers Gutachten enthalte den Vorwurf, er habe den Holocaust relativiert, indem er sich mit den verfolgten Juden im Dritten Reich verglichen habe.
Dies sei nicht wahr. „Ich lehne die Nazi-Diktatur ab und ich leugne auch nicht den Holocaust, denn ich stehe auf dem Boden des Grundgesetzes in der Fassung von 1949“, sagte Ursache, der beim letzten Verhandlungstag noch Bezug auf die DDR-Verfassung genommen hatte, die seiner Ansicht nach bis heute weitergilt. Seine Religion sei Ur, sie gehe auf die biblische Figur des Abraham zurück, als dessen Nachfolger der Vater zweier Söhne sich sieht. Er fühle sich verleumdet und erstatte deshalb Strafanzeige gegen den Gutachter.
Nicht die einzige, die im Prozessumfeld akut ist. Wilfried Meißner, ein Psychiater aus Thüringen, der als sachkundiger Berater der Verteidigung am Prozess teilnimmt, hat nach MZ-Informationen nicht nur Langer angezeigt, sondern auch den Vorsitzenden Richter Jan Stengel.
Der Prozess wird am 8. Mai fortgesetzt. (mz)