Und wenn ich schon dabei bin und ein bisserl Zeit habe, schiebe ich noch etwas zum Thema Heulpraktiker/Unheilpraktiker nach.
Es fängt schon damit an, dass mit der staatlichen Anerkennung von Heilpraktikern als „Heilkunde” Ausübende und durch die gesetzlich fixierte Berufsbezeichnung „Heilpraktiker” (vgl. Heilpraktikergesetz §1) Patienten oder auch Opfern suggeriert wird, es handle sich um staatlich geprüfte Heiler, die im Grunde äquivalent zu Ärzten ausgebildet sind und deren Kenntnisse sich zudem, anders als die vieler Ärzte, nicht auf ein oder zwei Fachgebiete beschränkten
Dies ist jedoch in keinster Weise so.
Medizinstudenten durchlaufen ein Studium welches über 6 Jahre geht und dann 5 oder 6 Jahre FA, auf diesem Weg und am Ende stehen reichlich komplexe und umfangreiche staatliche Prüfungen.
Heilpraktiker haben demgegenüber nur eine einzige Prüfung zu bestehen, in der sie nachweisen müssen, dass sie sich bestimmter Grenzen ihres Kompetenzbereichs bewusst sind, etwa bei der Behandlung von Infektionskrankheiten.
Und die können sie beliebig oft wiederholen. Darüber hinaus gibt es keine staatlich regulierte Ausbildung. Da kann jedes Institut machen was es will.
Zur Ausübung genügen ein Hauptschulabschluss, Mindestalter 25 Jahre, ärztliches Attest, polizeiliches Führungszeugnis und ein Test beim Gesundheitsamt, mit dem überprüft werden soll, ob der angehende Heulpraktiker eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt.
Dazu muss der Prüfling in einem schriftlichen Multiple-Choice-Test (mit 60 Fragen, 45 richtig beantworten ) und einer mündlichen Prüfung zeigen, dass er in der Lage ist, allgemeingefährdende Infektionskrankheiten und akute Krankheitszustände zu erkennen, um entsprechende Patienten umgehend an ausgebildete Ärzte weiterzuleiten. Dazu werden Grundlagen der Hygiene und der Differentialdiagnose abgefragt.
Eine Prüfung, wie und nach welchem Konzept ein zukünftiger HP seine Kunden zu heilen plant, gibt es nicht.
In Deutschland fehlt eine gesetzliche Definition des Berufs Heilpraktiker. Es gibt dazu weder eine Rechtsverordnung noch ein Standesrecht.
Eine Berufsordnung existiert zwar, ist aber nicht rechtlich bindend. Auch eine Ausbildungsordnung fehlt.
Heilpraktiker-Anwärter müssen weder einen Eignungsnachweis erbringen, noch ein Praktikum im Gesundheitsbereich absolvieren.
Das bedeutet, dass Heilpraktiker vor dem Test beim Gesundheitsamts nie mit Patienten in Kontakt gekommen sein müssen.
Im Heilpraktikergesetz kommen aus der Zeit gefallene Termini wie „auf Antrag des Reichsministers des Innern“ u. ä. vor. Was die Berufsregulierung angeht, ist es schmal gefasst.
Natürlich kann man eine Satzung, die sich ein eingetragener Verein gibt, als „Berufsordnung“ bezeichnen, aber die Stringenz dieser Absichtserklärungen ist mit den Berufsordnungen freier Berufe nicht vergleichbar.
Es herrscht wohl Konsens, dass es unter Ärzten Scharlatane gibt. Aber wenn Ärzten berufliches Fehlverhalten nachgewiesen wird, dann hat das für sie Konsequenzen.
Ein Heilpraktiker kann nicht zu Schadensersatz wegen Verletzung der Aufklärungspflicht oder der Nichteinhaltung von Fachstandards verurteilt werden: er hat keine, und es gibt keine.
Das ist das Schöne an der Unverbindlichkeit einer sogenannten Berufsordnung, die eben keine ist und keine weitergehende juristischen oder standesrechtlichen Konsequenzen hat
Und dennoch fühlen sich jede Menge HP den Ärzten gleichwertig und versuchen auch regelhaft den Eindruck einer medizin-nahen Tätigkeit zu erwecken.
Ich habe reihenweise ehemalige Avon-Beraterinnen, Tupperware-Verkäufer, bankrotte Wirte, ausgebrannte Banker und Versicherungvertreter gesehen, die sich plötzlich zum Heiler berufen fühlen und sich dann mit Kittel und Stethoskop ablichten lassen.
Eine substanzielle Ausbildung zum Pfleger lehnen die meisten ab und die werden wahrhaftig benötigt. Hat nicht den sozialen Status und macht richtig eklige Arbeit.
Dieses bizarre Selbstbild und -Einschätzung, wie daraus folgende Anmaßung und Überschätzung ist die größte Gefahr.
Heilpraktiker und Homöopathen, die Patienten eben nicht zum Arzt schicken, wenn er tatsächlich klinisch relevant erkrankt ist, gibt es wie Sand am Meer.