Neben Belltower und BNR berichtet jetzt auch die "Lügenpresse".
Spoiler
Amtsgericht Dachau:"Volkslehrer" wegen Volksverhetzung verurteilt
Der rechtsextreme Aktivist Nikolai Nerling und ein Unterstützer werden schuldig gesprochen, bei einem Besuch der KZ-Gedenkstätte im Februar den Holocaust geleugnet zu haben. Beide müssen eine Geldstrafe bezahlen.
Aus dem Gericht von Thomas Radlmaier
Als Nikolai Nerling an dem Tag im Februar das Tor zum ehemaligen Konzentrationslager mit der zynischen Aufschrift "Arbeit macht frei" zuschlägt und einer Gruppe von Schülern, die sich dahinter befinden und eigentlich eine Führung über das Gelände machen wollen, zuruft, dass sie jetzt eingesperrt seien, ist das für ihn nicht mehr als ein "pietätloser Scherz". So wird er es später vor Gericht nennen, einen "Scherz". Tatsächlich ist das vielleicht die Spitze einer Respektlosigkeit und Verhöhnung nicht nur der mehr als 41 500 Menschen, welche die Nazis im KZ umbrachten, sondern auch aller anderen Opfer des Nationalsozialismus. Anschließend geht Nerling an diesem Tag auf die Schüler zu und sagt ihnen, dass sie nicht alles glauben sollten, was man ihnen an der Gedenkstätte erzähle.
Mehr als zehn Monate nach seinem Besuch der KZ-Gedenkstätte sitzt Nikolai Nerling, der sich als "Volkslehrer" in der deutschen rechtsradikalen Szene einen Namen gemacht hat, im Amtsgericht Dachau auf der Anklagebank. Richter Lukas Neubeck spricht den 38-Jährigen an diesem Montag nach einer Marathonverhandlung über mehr als neun Stunden schuldig, weil Nerling bei seinem Besuch der Gedenkstätte den Holocaust geleugnet und sich zudem wegen Hausfriedensbruchs strafbar gemacht hat. Er muss 10 800 Euro an die Gedenkstätte zahlen. Der zweite Angeklagte, Nerlings Kameramann, wird wegen Beihilfe zur Volksverhetzung und ebenfalls Hausfriedensbruchs verurteilt und muss 3000 Euro bezahlen. Zwar habe Nerling das Wort "Holocaust" nicht erwähnt, "so schlau ist er", sagt Neubeck in der Urteilsbegründung. Gleichwohl würden die Aussagen, die Nerling gegenüber einer Gruppe von Schülern und einer Referentin getätigt habe, "in der Gesamtschau darauf abzielen, den Völkermord nicht nur zu verharmlosen, sondern auch zu leugnen".
Nerling gilt in der rechtsradikalen Szene als Stichwortgeber. Er dreht Videos von sich, mit denen er seine rechtsradikale Ideologie verbreitet. Im Februar hatte er in Begleitung eines Kameramanns das Gelände der Gedenkstätte betreten, um gegen den "Schuldkult" zu filmen. Dabei erkannte ihn eine Referentin der Gedenkstätte, die gerade eine Schulklasse über das Gelände führen wollte. Die Referentin untersagte ihm, auf dem Gelände zu drehen - laut Hausordnung der Gedenkstätte braucht man für Filmaufnahmen eine Genehmigung. Anschließend alarmierte sie die Verwaltung der Einrichtung. Später verwiesen Mitarbeiter Nerling und seinen Begleiter des Geländes, riefen die Polizei und zeigten ihn und seinen Begleiter wegen Hausfriedensbruchs an.
Während die Referentin die Verwaltung an diesem Tag informierte, musste sie die Klasse für ein paar Minuten verlassen. "Ich bin gerannt, damit ich schnell zurück bin", sagt sie vor Gericht. Schließlich wollte sie die Schüler nicht zu lange alleine lassen. Als die Referentin weg war, machte Nerling seinen "Scherz" mit dem Tor des ehemaligen Konzentrationslagers und ging anschließend auf die Schüler zu, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Vor Gericht belasten mehrere Schüler Nerling. Sie geben an, Nerling habe zu ihnen gesagt, sie sollten nicht alles glauben, was ihnen hier erzählt werde. Eine 15-Jährige erklärte, Nerling habe zur Schulgruppe gesagt: "Es war alles nicht so schlimm, wie es dargestellt wurde." Nerlings Begleiter soll eine Schülerin sexistisch beleidigt haben.
Als die Referentin nach eine paar Minuten wieder zur Gruppe zurückkam, geriet auch sie noch einmal mit Nerling aneinander. Er habe sie gefragt, ob sie eine Jüdin sei, sagt sie vor Gericht. Das habe sie verneint und ihm erzählt, dass ihr Großvater im KZ inhaftiert war, weil er Kommunist war. Er habe überlebt. Daraufhin habe Nerling gegrinst und gesagt: "War wohl nicht so schlimm gewesen." In der Verhandlung sagte die Referentin direkt zu Nerling: "Man kann das KZ überleben und trotzdem Opfer sein." Das sollte ihm als ehemaliger Lehrer eigentlich bewusst sein.
Nerling und sein Kameramann wollten sich zu den Vorwürfen in der Verhandlung nicht konkret äußern. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch, während die Staatsanwältin Freiheitsstrafen forderte. In seinem Plädoyer sagte Nerlings Anwalt, für ihn persönlich sei es moralisch nicht vertretbar, was sein Mandant gemacht habe. Doch er habe keine rechtlichen Grenzen durchbrochen. "Er hat weder den Völkermord noch die Ermordung von 41 500 Menschen in Abrede gestellt." Eine Leugnungshandlung sehe er nicht.
Richter Neubeck gleichwohl war anderer Auffassung und verurteilte den "Volkslehrer" wegen Volksverhetzung und seinen Kameramann wegen Beihilfe zur Volksverhetzung. "Natürlich wird das Wort Holocaust nicht erwähnt", sagte Neubeck in der Begründung. So schlau sei Nerling. Auch in seinen Videos, die er auf seine Homepage stelle, würde er alles umschreiben. Richter Lukas Neubeck: "Doch für Leute, die sein Gedankengut teilen, ist klar, worüber er redet."
Spoiler
Selbst ernannter „Volkslehrer“
Rechtsradikaler Ex-Lehrer dreht Video vor KZ Dachau - und leugnet vor Schülern den Holocaust
Stefanie ZipfervonStefanie Zipfer
„Volkslehrer“ Nikolai Nerling hat auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau ein Video „gegen den Schuld-Kult“ gedreht. Dann sprach er eine Schüler-Gruppe an.
Als selbst ernannter „Volkslehrer“ betreibt der Rechtsradikale Nikolai Nerling einen Youtube-Kanal.
Vor dem KZ Dachau leugnete er vor Schülern, die die Gedenkstätte besuchten, den Holocaust.
Nerling wurde deshalb wegen Volksverhetzung angeklagt.
Dachau – Als Grundschullehrer darf Nikolai Nerling nicht mehr arbeiten, wegen „Verächtlichmachung der Bundesrepublik“ hatte ihm das Land Berlin im Sommer 2018 gekündigt. Doch als selbst ernannter „Volkslehrer“ will der 39-jährige gebürtige Niedersachse weiterhin tätig sein. Vor allem über seinen gleichnamigen Youtube-Kanal, der zwischenzeitlich 60.000 Abonnenten hatte, teilt er der Welt weiterhin seine Sicht der Dinge mit.
Ex-Grundschullehrer dreht Video vor dem KZ Dachau - und leugnet vor Schülern den Holocaust
Einer dieser Lehr-Filme des „Volkslehrers“ entstand am 4. Februar dieses Jahres. Nerling war mit einem Kameramann nach Dachau gereist und postierte sich in der Nähe des Eingangs zur Gedenkstätte. Zeitgleich stand dort die Seminarleiterin Eva Gruberova, die an diesem Tag eine Gruppe von Kirchseeoner Neuntklässlern über das Gelände des früheren KZ führen sollte. Gruberova erkannte Nerling, der in der rechten Szene laut ihren Worten „sehr einflussreich ist und als Stichwortgeber“ bekannt ist. Es folgte ein Wortgefecht, die Dachauerin wollte Nerling und dessen Begleiter nicht auf das Gelände lassen. Um sich weitere Unterstützung ihrer Kollegen zu holen, lotste sie die Schüler auf das Areal der Gedenkstätte und lief in das Verwaltungsgebäude.
Die Abwesenheit nutzte Nerling, um den Kindern auf das Gelände der Gedenkstätte zu folgen und über das KZ zu sprechen, konkret: dass sie nicht glauben sollten, was ihnen dort gesagt würde. Für die Staatsanwaltschaft habe er dadurch „die Art und das Ausmaß der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bagatellisiert“, was als Volksverhetzung strafbar ist.
Selbst ernannter „Volkslehrer“ dreht Video vor KZ Dachau: Zu Vorwürfen schweigt er
Vor dem Dachauer Amtsgericht präsentierte Nerling sich am Montag (9.12.) rein optisch eher als braver Schwiegersohn denn als Krimineller. Weißes Hemd, hellblauer Pullover, gepflegte Lederschuhe – lediglich seine Kette mit Thors-Hammer-Anhänger ließ auf seine politische Gesinnung schließen. Zu den Vorwürfen äußern wollte sich der „Volkslehrer“ ebenso wenig wie der wegen Beihilfe zur Volksverhetzung angeklagte Kameramann.
Die beiden Verteidiger Andreas Wölfel und Martin Geisler redeten dafür umso mehr. Vor allem die wichtigste Zeugin der Anklage, die Seminarleiterin Eva Gruberova, musste sich viele Fragen gefallen lassen. Welche Rolle habe das KZ Dachau bei der Vernichtung der Juden ab 1941 gespielt? Gilt das KZ Dachau in der Forschung als Vernichtungslager? Könne man, Bezug nehmend auf das KZ Dachau, den Holocaust überhaupt verleugnen? Und: Ob sie den Angeklagten N. „verachtet“?
Ex-Grundschullehrer dreht Video vor dem KZ Dachau: Seine Definition von Rechtsradikalismus
Gruberova ließ sich nicht provozieren. „Nein“, betonte sie, „der Angeklagte als Person ist mir egal. Ich verachte nur seine Ideologie“. Und dass das KZ Dachau zwar nicht per definitionem als Vernichtungslager gilt, ändere nichts an der Tatsache, dass es als „Schule des Tötens“, als „Musterlager“ für die Vernichtungsmaschinerie steht. Immerhin: Diesmal, vor Gericht, hielt sich der „Volkslehrer“ Gruberova gegenüber verbal zurück. Im Februar, als die 51-Jährige erklärt hatte, dass ihr Großvater selbst in Dachau inhaftiert gewesen sei und nur mit knapper Not überlebt habe, hatte Nerling geantwortet: „Dann wird’s wohl nicht so schlimm gewesen sein.“
Am Montag vor Gericht erklärte er lediglich, dass er seinen Rechtsradikalismus so definiere, dass er „radikal für das Recht“ kämpfe. Richter Lukas Neubeck hatte eine andere Rechtsauffassung. Auch wenn Nerling das Wort „Holocaust“ vor den Jugendlichen nicht in den Mund genommen habe, so hätte er den Holocaust durch seine Aussagen doch mindestens verharmlost. Nerling wurde wegen Volksverhetzung und Hausfriedensbruchs zu einer Geldstrafe von 10 800 Euro verurteilt, sein Kameramann wegen der Beihilfe zur Volksverhetzung und ebenfalls Hausfriedensbruch zu einer Geldstrafe in Höhe von 3000 Euro.
Von Stefanie Zipfer
Kürzlich sorgte ein Trucker mit Nazi-Deko in seinem Fahrzeug für Entsetzen - sein Arbeitgeber kündigte nun ernste Konsequenzen an. Für Aufsehen sorgten auch Nazi-Symbole, die während einer Profi-Box-Übertragung im Ring zu sehen waren - der Boxkampf war live übertragen worden.
Vollkommen geschmacklos wurde vor einiger Zeit im Internet für Führungen durch die KZ-Gedenkstätte in Dachau geworben. Die Anbieter der Führungen reagierten prompt.
Wegen Nazi-Sprüchen in einem Klassenchat ermittelt die Polizei gegen bayerische Gymnasiasten wegen Volksverhetzung - die Schüler sind in der neunten Jahrgangsstufe, berichtet Merkur.de*
*Merkur.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks