@Rechtsfinder In der Lehre dürfte das durchaus zu erörtern sein. Um Latein zu verwenden, ist fraglich, ob der Stifter des Kranzes sein "dominium" aufgegeben hat. Die Widmung des Kranzes war ja eben, an einer bestimmten Stelle zu hängen, dauerhaft. In einem viel beachteten Urteil hat das Schweizer Bundesgericht jemanden verurteilt, der sich aus zur Abholung bereit gestelltem Müll bedient hat. Bei sonst weitestgehend gleicher Rechtslage wie in Deutschland hat das "Müllsackurteil" (sic!) festgehalten, dass es eben die Ausübung der Sachherrschaft war, dass die zur Abholung bereit gestellten Sachen durch den Müllentsorger vernichtet werden sollten. Der Müll war also nicht herrenlos geworden, sondern befand sich weiterhin unter der Sachherrschaft des Eigentümers. Dessen Recht, über die weitere Verwendung der Sachen zu bestimmen, endete erst durch die bestimmungsgemäße Vernichtung durch den Müllentsorger.
An dieser Stelle der Rechtsvergleich weise ich allerdings darauf hin, dass jedenfalls hier im mittleren Westen Deutschlands es gängige Übung ist, noch brauchbare Gegenstände, die zur Abholung durch den Müllentsorger bereit gestellt wurden, mitzunehmen und sich anzueignen. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung jedenfalls in diesem Teil Deutschlands müssten solche Sachen also herrenlos geworden sein, was allerdings das Problem aufwirft, dass es zweifellos die Absicht derjenigen, die Gegenstände zur Abholung bereit gestellt haben, ist, diese sollten entsorgt bzw. vernichtet werden. Zumal wenn eine Voranmeldung etwa von Sperrmüll beim Entsorger vorgeschrieben ist, dürfte sich die rechtliche Frage dringend stellen, ob von einer tatsächlichen rechtlichen Herrenlosigkeit gesprochen werden kann.
Ich werde später darauf zurückkommen.
Zum Vergleich können wir nun die Blumen auf Opas Grab auf dem Friedhof heranziehen: Hier kämen beim "Umhängen" eines Kranzes ggf. noch andere Punkte in Betracht, etwa Störung der Totenruhe, Grabschändung u. dgl. Ein Friedhof ist meist auch nur bedingt öffentlich, oft ummauert oder eingezäunt, nachts abgeschlossen und insofern ein "befriedeter" Bereich. Zudem kann es auch eine Art "Hausordnung" geben, die für Übergriffe auf fremde Gräber noch andere Sanktionen vorsehen kann als das Strafrecht. Wer also Grabschmuck auf einem Friedhof anbringt, darf weit eher darauf vertrauen, dass dieser auch an Ort und Stelle bleibt, als wenn er dies auf einem öffentlichen Platz mitten in einer Stadt tut.
An diesem Punkt nun haut Dir ein "findiger" Staatsanwalt den "Lebenssachverhalt" um die Ohren etwa dergestalt, dass man eben bei einem Kranz auf einem Friedhof nicht damit rechnen müsse, dass dieser sogleich zweckentfremdet werde, aber auf einem öffentlichen Platz in Berlin schon. Der betreffende Kranz wäre also auf dem Friedhof nicht herrenlos, aber in Berlin gleichsam "faktisch" herrenlos, selbst wenn man den Besitz an ihm nicht willentlich aufgegeben habe, denn man habe mit der umgehenden Entwendung oder Zweckentfremdung rechnen müssen. Im Blick auf das erwähnte Vergleichsbeispiel des Schweizer Mülls kann der "findige" Staatsanwalt anführen, dass eben dort der "Lebenssachverhalt" ein anderer sei, denn Schweizer rechneten nicht damit, dass Opas alte Stühle von einem Sperrmüllsammler eingesammelt würden, sondern könnten darauf vertrauen, dass dies nur geschehe, wenn sie "gratis" oder "zum Mitnehmen" auf ein Schild schrieben, dass auch Schweizer Mülltonnen mit Schlössern gesichert seien und deutsche eben nicht usw.
Das mag in der Rechtslehre Quatsch sein, aber so ähnlich mag das ein Staatsanwalt durchaus ausführen, wenn er der Sache nicht weiter nachgeht. Das ist nach meinen Erfahrungen durchaus Praxis.
Man könnte alternativ nach anderen Straftatbeständen suchen, die erfüllt sein könnten. Läuft das Umhängen eines Kranzes von den "falschen" Toten zu den "richtigen" Toten vielleicht auf eine Verunglimpfung der einen Toten hinaus? Das ist ziemlich sicher das, was Nikolang
meint. Ich müsste aber nochmals ganz gründlich hinhören, ob er dies auch verwertbar
sagt.
Das Problem ist eben, dass eine strafrechtliche Verurteilung Beweise erfordert. Wenn wir die Formel übernehmen
Diebstahl = Wegnahme + Zueignungsabsicht
gehe ich gerne mit. Die Wegnahme beweist Nikolang durch sein Filmchen freundlicherweise selbst. Beweisen müssten wir aber die Zueignungsabsicht. Unmöglich ist dies nicht, dürfte aber in der Praxis schwierig werden.
Vor allem aber zweifle ich aus Erfahrung daran, dass die Staatsanwaltschaft da mitgehen wird.