- 800 Euro Strafe für „Krücke über den Wanst hauen“ (Muss man wissen: Schwiegervater war 40 Jahre Bergmann und weiß wie man Konflikte löst)
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Halle (Saale) -
Die Autotüren gingen auf und dann stürmen schwarze Gestalten auf sein Grundstück. „Wie die Gazellen sind die rausgesprungen“, schildert Detlef H., der Schwiegervater des wegen versuchten Mordes angeklagten Adrian Ursache, die Szenerie, als das Spezialeinsatzkommando (SEK) der Polizei bei Ursache anrückte.
Seit Anfang Oktober muss sich der frühere Mister Germany und spätere Gründer des Fantasiestaates Ur vor dem Landgericht Halle verantworten, weil er versucht haben soll, einen Beamten des SEK mit einem gezielten Schuss zu ermorden.
Seine Familie aber steht zu ihm, das machte der achte Verhandlungstag deutlich. Detlef H. ist empört, aber nicht über den Mann seiner Tochter. Sondern über die Einsatzkräfte, die am 25. August 2017 nicht nur das Grundstück der Familie Ursache in Reuden (Elsteraue), sondern auch das danebenliegende Haus stürmten, das ihm und seiner Frau gehört. „Einer stand mit einer MP direkt vor mir“, beschreibt der 72-Jährige, „es ist klar, die wollten Adrian ermorden.“
Ursache hört es zurückgelehnt auf einem Heizkörper, hin und wieder ein Schmunzeln im Gesicht. Etwa, als sein Schwiegervater klar macht, wie er früher mit Leuten umgesprungen wäre, die sein Haus überfallen. Detlef H. ist zuckerkrank, er läuft an einer Krücke. „Aber ich war 40 Jahre im Bergbau“, sagt er, „früher hätte ich die Fäuste genommen.“
800 Euro Strafe für „Krücke über den Wanst hauen“
800 Euro Strafe musste er dafür zahlen, dass er einem SEK-Beamten damals im August bedeutet hatte, er würde ihm die „Krücke über den Wanst hauen“, wenn er sein Grundstück nicht sofort verlasse. Tat er nicht. Detlef H. und seine Frau Heidi, die im Zeugenstand bekennt, dass sie damals „fünf gleichklingende Schüsse“ gehört habe und heute noch nachts wachwerde, weil sie „uns das seelisch angetan haben“, wurden gefesselt und für acht Stunden in ein Polizeiauto gesperrt.
Adrian Ursache hat seine Prozessstrategie geändert. Versuchte der 43-Jährige bisher, das Verfahren mit Befangenheitsanträgen zu torpedieren, überlässt er die Prozessführung jetzt seinen Verteidigern. Zwar verzichtet er auch diesmal nicht auf einen langen Vortrag zu Prozessbeginn.
Adrian Ursache: „Ich brauche von Ihnen keinen Freispruch.“
Doch nachdem er überraschend erklärt hat, die Staatsanwaltschaft habe ihm einen Deal vorgeschlagen, bei dem der Vorwurf des versuchten Totschlages wegfallen würde, hockt er auf seiner Heizung und liest in einer Bibel. Das Angebot habe er abgelehnt, hatte er vorher gesagt und sich auf sein grundgesetzlich garantiertes Widerstandsrecht und die Hitler-Gegner von der Weißen Rose berufen. „Ich brauche von Ihnen keinen Freispruch.“
Sachfragen können die vier Anwälte neben ihm besser, das erfährt der Polizeibeamte Heiko M. als erster Zeuge. M., eigentlich Chef der Soko Peißnitz in Halle, die einen rechtsextremen Messerstecher gejagt hatte, war als Sachbearbeiter mit der Koordination des Ermittlungsverfahrens rund um die Schüsse von Reuden befasst.
Helm rettete dem SEK-Mann laut Anklage womöglich das Leben
Er verwahrte den Helm, der dem SEK-Mann laut Anklage womöglich das Leben rettete. Und er sicherte fünf Smartphones, aus denen Bilder und Videos ausgelesen wurden, die er dann allerdings als nicht beweisrelevant einstufte. Wo die Originale seien, will Verteidiger Manuel Lüdke wissen. Gelöscht, sagt M., es gebe jedoch noch Kopien auf dem Server der Polizei.
Die Smartphones hingegen, deren Besitzer die Rücknahme verweigert hätten, habe er „löschen lassen und ins Fundbüro gegeben“. Verteidiger Martin Kohlmann will wissen, ob es einen Durchsuchungsbeschluss für das Haus der Familie H. gegeben habe. Nein, gibt M. zu. „Dann haben Sie das also quasi geklaut“, spitzt der Anwalt zu, der in Sachsen als ehemaliger Landesvorsitzender der Republikaner bekannt ist.
„Staat Plan“ und „Reich Ur“ sicherten sich „militärischen Beistand“ zu
Wie nebenbei erzählt der Kriminalist dann von einem Besuch, den er während der Ermittlungen aus Bayern hatte. Kollegen, die dort gegen den inzwischen verurteilten Polizistenmörder Wolfgang Plan ermittelten, hätten ihm ein Papier gezeigt, in dem Plans „Staat Plan“ und Ursaches „Reich Ur“ sich „militärischen Beistand“ zusicherten.
Plan, der im Oktober 2016 bei einem Polizeieinsatz, bei dem seine Waffen beschlagnahmt werden sollte, drei Beamte verletzt und einen getötet hatte, war im August 2016 auch in Reuden gewesen, um Ursache bei der Abwehr der Zwangsräumung seines Hauses beizustehen. Der Prozess wird fortgesetzt. (mz)