Vielleicht hilft die MZ mit ihrem Artikel über den 3. Verhandlungstag über die Waffendiskussion hinweg. Obwohl, die reden auch schon über Torpedos...
Spoiler
Adrian Ursache So torpediert der Schönheitskönig den Prozess
Von Steffen Könau 13.10.17, 14:21 Uhr
Halle (Saale) -
Es wird sogar kurz gelacht an diesem dritten Tag des Prozesses wegen versuchten Mordes, dem sich der frühere Mister Germany und selbsternannte Staatsgründer Adrian Ursache seit Anfang der Woche vor dem Landgericht Halle stellen muss. Freundlich bescheinigt der Angeklagte dem anwesenden psychologischen Gutachter Bernd Langer in einer Verhandlungspause, dass er „ein kompetenter Mann“ sei.
Langer, der Ursaches Geisteszustand beurteilen soll und deshalb nicht nur dem gesamten Verfahren folgt, sondern auch Ursaches Einladung zu einem kurzen Gespräch nachkam, lächelt. Adrian Ursache hingegen lacht breit und schaut sich auf der Suche nach Mitlachern im Publikum um.
Das aber sieht den Ernst der Sache zu diesem fortgeschrittenen Zeitpunkt des Tages deutlicher als der Mann mit der Fußfessel, der es bis dahin geschafft hat, den geplanten Tagesablauf komplett zu torpedieren. Es ist schon Mittag, und noch ist kein einziger der drei geladenen Zeugen gehört worden, weil Ursache von Beginn an immer wieder neue Anträge zur Ablehnung des Gerichts gestellt hat. Dabei stört der 42-Jährige sich nicht daran, dass ein eben gestellter Antrag noch weder beraten noch abgelehnt ist.
Nach jeder Verhandlungspause holt er erneut aus, um dieselben vier Blätter mit handschriftlichen Ausführungen zu Verfassungs- und Völkerrecht vorzulesen. Er, Adrian Ursache, „1,87 Meter groß, braunes Haar, braune Augen“, heißt es da, werde um seine verfassungsmäßigen Rechte gebracht. Er sei „nicht Hänsel und Gretel“, das Gericht sei nicht zuständig für ihn und deshalb werde er „diesen Antrag bis heute Abend immer wieder stellen, bis ich keine Zunge mehr habe“, sagt er.
Der Vorsitzende Richter Jan Stengel, der heute eigentlich Zeugen zur Erhellung des Tatablaufs am 25. August vergangenen Jahres hatte hören wollen, lässt Ursache gewähren, um dessen Vorwurf zu entkräften, das Gericht erwecke den Anschein der Willkür und sei deshalb befangen. Mahnend weist er Ursache darauf hin, dass er mit seiner Prozessstrategie riskiere, verwarnt und im Notfall von der Verhandlung ausgeschlossen zu werden.
Den Mann aus Reuden in der Elsteraue aber bremst das nicht. „Wir wurden belogen und betrogen“, beharrt er mit Verweis auf die Vorgeschichte der Zwangsräumung, die im Sommer 2016 in einer Schießerei auf dem Grundstück seiner Familie eskalierte. „Ich habe ein anderes Interesse als Sie, ich will die Wahrheit.“
Vorsichtige Vorhalte seines Verteidigers Hartwig Meyer, wieder auf eine Tatsachenebene zurückzukehren, wischt Ursache beiseite. Der Anwalt solle doch dann lieber „den Hufeisenschmied vertreten“, zischt er. Ursache spielt damit auf einen offensichtlich falschen Verweis in den Prozessakten an, in dem ihm dieser Beruf und eine rumänische Staatsangehörigkeit bescheinigt wird.
Details, aus denen sich Adrian Ursache eine Opferrolle geschneidert hat. Obwohl seine Chancen auf eine erfolgreiche Verteidigung gegen den Vorwurf des versuchten Mordes nach der Vorführung von Polizeivideos am zweiten Verhandlungstag so schlecht nicht stehen, sucht er weiter die offene Konfrontation mit dem Rechtsstaat.
Die Aufnahmen der Bodycams von zwei SEK-Beamten hatten Vermutungen aufkommen lassen, dass Adrian Ursache beim Aufeinandertreffen mit der Polizei während der Zwangsräumung nicht wie in der Anklage beschrieben als erster geschossen haben könnte.
Er selbst hatte behauptet, zuerst niedergeschossen worden zu sein. Erst als er in den Arm getroffen jede Gewalt über seine Waffe verloren hatte, habe sich aus dieser ein Schuss gelöst. Schussgeräusche, die im Video zu hören sind, könnten diese These stützen.
Doch selbst als das Gericht einem Antrag von Ursaches Frau folgt, sie ihm als Prozessbeistand beizugeben, so dass sie Fragen stellen und – darauf spekulierte Verteidiger Meyer – mäßigend auf ihren Mann einzuwirken, schlägt Adrian Ursache das Angebot aus. Zwar nimmt Sandra Ursache hinter der Verteidigerbank Platz. Aber mit der Begründung, er sei erwachsen, könne selbst aufs Klo und wisse auch vor Gericht, was er tue, setzt der Angeklagte auch nach einer erneuten Unterbrechung seine Versuche fort, einen normalen Verfahrensablauf unmöglich zu machen.
Er zitiert nun aus der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, hangelt sich einmal quer durchs Grundgesetz, interpretiert dieses frei und behauptet schließlich, Sachsen-Anhalt liege nicht in Deutschland und die Strafprozessordnung verstoße gegen geltendes Recht.
Selbst die wenigen Unterstützer, die im Saal platzgenommen haben, verdrehen nur noch die Augen, als Ursache seinen eingangs vorgetragenen Befangenheitsantrag zum vierten Mal vorliest. Richter Jan Stengel versucht noch einmal zu deeskalieren und erläutert dem Mann im dunkelblauen Anzug, der die gesamte Verhandlung erneut stehend absolviert, wie sich die Zuständigkeit des halleschen Landgerichtes für seinen Fall aus geltenden Gesetzen ergibt. Adrian Ursache schüttelt den Kopf und liest seinen Ablehnungsantrag anschließend das fünfte Mal vor.
Daraufhin reagiert Stengel und lädt nach den ersten beiden Zeugen, die er aufgrund der Verzögerungen bereits am Vormittag nach Hause geschickt hatte, auch den noch wartenden Sachverständigen aus. An Bernd Langer, den forensischen Psychiater von der Uni Halle, ergeht die Bitte, bis zum nächsten Verhandlungstag in der kommenden Woche eine Einschätzung vorzulegen, ob Adrian Ursaches Geisteszustand womöglich seine Verhandlungsfähigkeit beeinträchtigt. (mz)