Mir bereitet der Stil dieser Berichterstattung allerdings durchaus einige Mühe. Ich zitiere und kommentiere einmal einige Passagen, an denen dieser Stil besonders deutlich wird:
Nach der Weihnachtspause ist der inzwischen seit 47 Verhandlungstagen andauernde Prozess gegen den früheren Solarunternehmer und Schönheitskönig Adrian Ursache mit der erneuten Verlesung eines 116-seitigen Papiers des Mannes aus Reuden im Burgenlandkreis fortgesetzt worden.
Davon einmal abgesehen, dass die Behauptung, Ursache sei "Solarunternehmer", irreführend oder gar falsch ist, fragt sich, welchen Gewinn an Information man aus diesen "Beinamen" oder "stehenden Beiwörtern" (Homer lässt grüßen) ziehen kann oder soll. Möchte man angeben, wer Ursache als Person ist, schiene es mir sinnvoller, einen kurzen Abschnitt einzubauen, in dem er vorgestellt wird. Ganz einfach. Selbst wenn die Absicht hinter dieser Art "Beinamen" sein sollte, Ursache als Person zu beleuchten, ist es doch sehr mühsam, sich diese Informationen aus dem ganze Text zusammenklauben zu müssen. Sollte dies nicht beabsichtigt gewesen sein, schiene es besser, solche Charakterisierungen einfach wegzulassen.
Das sei notwendig, so der 43-Jährige, damit der Internationale Gerichtshof der UN vor einer Fortsetzung prüfe, „welches Völkerrechtssubjekt eigentlich zuständig ist“.
Hier folgt eine weitere Charakterisierung durch die Altersangabe. Welchen sachlichen Gewinn man in diesem Satz aus der Angabe seines Alters ziehen kann, bleibt mir allerdings rätselhaft. Im Übrigen siehe meine Bemerkungen zum vorigen Zitat!
Der Vater zweier Söhne nutzt die erstmalige Abwesenheit von Ehefrau Sandra, die normalerweise stets auf der Verteidigerbank Platz nimmt, um seine Drohungen gegen Behördenmitarbeiter, Gerichtspersonal und die Erwerber des ursprünglich seiner Familie gehörenden Hauses in Reuden zu verschärfen.
Auch hier wieder stellt sich dieselbe Frage: Welchen Gewinn an sachlicher Information kann ein Leser aus der Erwähnung von Ursaches Söhnen ziehen? Die Angabe, dass er aus Reuden (im Burgenlandkreis) stamme, war schon weiter oben in meinem ersten Zitat enthalten. Da man sich dann ohne weiteres denken kann, dass das fragliche Haus sich demnach auch in Reuden befinden müsse, ist die Ortsangabe hier eigentlich nur eine überflüssige Wiederholung. Sachlich treffender wäre allerdings wohl, die erste Erwähnung wegzulassen und an dieser Stelle anzugeben, wo das Haus liegt. Stilistisch ist diese Verdoppelung der Ortsangabe allerdings so oder so nicht besonders glücklich.
Den fett hervorgehobenen Ausschnitt muss ich nun aber inhaltlich kritisieren: Nach den öffentlich gewordenen Unterlagen gehörte das Haus Ursache und seiner Frau. Unter Familie versteht man allerdings in aller Regel, zumal wenn Kinder vorhanden sind (die ja weiter vorn im Text erwähnt wurden), mehr als nur ein Ehe- bzw. Elternpaar. Eigentümer des Hauses waren aber nur Ursache und seine Frau und eben nicht "seine Familie". Das ist sachlich falsch.
„Ich bin nicht gewalttätig, aber ich bin gewaltbereit“, sagt er und versichert dann seine Entschlossenheit, „mein Eigentum zurückzuholen, notfalls mit Gewalt“.
Aus dem Bericht wird nun keineswegs klar, dass es um eine Räumung ging, nachdem Ursache durch sein Finanzgebaren die Zwangsversteigerung und damit den Verlust des Eigentums am Haus herbei geführt hatte. Nun kann man gewiss argumentieren, dass interessierte Leser bereits wissen, was damals geschehen war, oder wenigstens die früheren Berichte aus der Feder desselben Autors gelesen haben. Das scheint mir aber die zweifellos wichtigere Information zum Verständnis des Verfahrens, dafür könnte man auf die "schmückenden Beiwörter" gut verzichten, die sachlich nichts beitragen. Der Hinweis auf die Zwangsverwertung würde auch Ursaches Behauptung, es handle sich (immer noch!) um sein Eigentum, richtig stellen.
Damit verlässt der von den Behörden als „Reichsbürger“ eingeordnete gebürtige Rumäne den zuletzt eingeschlagenen Kurs verlässt, sachliche Widersprüche in der Anklageschrift und bei der Sachaufklärung im Prozess anzugreifen.
Den verunglückten Satzbau kann jeder selbst korrigieren. Was die Bezeichnung "gebürtgier Rumäne" an dieser Stelle sachlich bringen soll, bleibt mir wiederum schleierhaft. Dass Ursache nicht geborener Deutscher ist, sondern eingebürgert wurde, steht wiederum etwas weiter unten in demselben Bericht. An der dortigen Stelle ist das sachlich auch begründet, da es um die angebliche Staatsangehörigkeit "deutsch" geht und Ursache auf seine Einbürgerungsurkunde verweist.
Ob es sich bei dem, was Ursache bisher "angriff", um tatsächliche "sachliche Widersprüche in der Anklageschrift und bei der Sachaufklärung" handelte, lasse ich mal offen. Darüber mag jeder, der das Verfahren verfolg hat, selbst urteilen.
Das sind aus meiner Sicht einige der heiklen Punkte eben nicht nur am Stil, sondern in der Sache. Die "schmückenden Beiwörter" tragen nicht nur nichts zur Sache bei, sondern tragen (neben klaren sachlichen Fehlern) auch eher zur Verdunkelung der Sachverhalte bei als zu deren Klärung. Klarheit sollte aber - und da habe ich jeden Stilratgeber auf meiner Seite - bei sachlich informierenden Texten neben der Richtigkeit ein Hauptkriterium sein.