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In einem Brief an AfD-Bundesfraktionschef Alexander Gauland weisen Richter des AfD-Bundesschiedsgerichts dessen Kritik an ihrem Urteil im Fall Andreas Kalbitz zurück. Die Richter hatten den Rauswurf des Rechtsextremen aus der Partei bestätigt. Gauland unterstellte ihnen daraufhin gegenüber WELT politische Interessen.
„Die Unterzeichner weisen Ihre haltlosen Unterstellungen, die eines Ehrenvorsitzenden der AfD unwürdig sind, aufs Schärfste zurück“, heißt es in dem Brief an Gauland. Das Schreiben liegt WELT vor. Alle neun Richter, die an dem Kalbitz-Verfahren beteiligt waren, haben ihn unterzeichnet. Mit seiner Reaktion auf das Urteil begebe sich der Fraktionschef „auf das peinliche Niveau vergleichbarer Äußerungen zum Beispiel der Herren Höcke, Kalbitz oder der JA (Junge Alternative, d. Red.) Brandenburg herab“, die über das Schiedsgericht öffentlich als „,Befehlsempfänger für einen Schauprozess‘ und von einem ,Willkür-Urteil‘ reden bzw. schreiben“. Alle diese Äußerungen seien in Unkenntnis der schriftlichen Urteilsgründe und auf der Grundlage von parteiinternen Gerüchten gefallen.
Gauland hatte die Richter in WELT scharf angegriffen: „Leider ist es um die Parteigerichtsbarkeit nicht gut bestellt, und daher werde ich mich in diesem Fall einzig und allein nach den Entscheidungen und Urteilen der ordentlichen Gerichtsbarkeit richten. Denn beim Bundesschiedsgericht geht es offensichtlich um bestimmte politische Interessen, die hier aber nichts zu suchen haben dürfen.“
Damit schlug Gauland ähnliche Töne an wie der Thüringer Landes- und Fraktionschef Björn Höcke, der das völkische Lager in der Partei anführt. Höcke hatte am Samstag direkt nach dem Kalbitz-Urteil von einer „Willkür des Bundesschiedsgerichts“ gesprochen und die Entscheidung als „politisches Urteil“ bezeichnet. Diese Abwertung der Parteirichter wurde dann am Sonntag von Parteichef Jörg Meuthen in WELT als „inakzeptabel“ zurückgewiesen. Dann wertete auch Gauland das Schiedsgericht ab und stellte sich damit klar gegen Meuthens Auffassung.
Mit seinem Verweis auf die ordentliche Gerichtsbarkeit signalisiert Gauland zudem seine Zustimmung zum weiteren Vorgehen von Kalbitz. Dieser, bisher Partei- und Fraktionschef der AfD in Brandenburg, kündigte am Montag an, per Eilantrag vor einem staatlichen Gericht gegen seinen Rauswurf vorzugehen.
Die Richter des Schiedsgerichts betonen derweil ihre Rolle innerhalb der AfD. „Die innerparteiliche Schiedsgerichtsbarkeit ist ein hohes Gut, welches im Parteienrecht verankert ist und zur Unabhängigkeit und Staatsferne der Partei beiträgt. Die ehrenamtlichen Schiedsrichter sind unmittelbar aus der Mitte der Partei gewählt und vor allem unabhängig in ihrer Entscheidung. Das Bundesschiedsgericht als das höchste gewählte Parteigremium ist einzig und allein den Gesetzen und den Parteistatuten verpflichtet“, schreiben sie. Und weisen den Vorwurf der Voreingenommenheit weit von sich. „Politische Erwägungen, wie etwa die Zugehörigkeit von Prozessparteien zu innerparteilichen Strömungen, dürfen keine und haben auch noch nie eine Rolle bei seinen Entscheidungen gespielt.“ Wer Gegenteiliges behaupte, schade „wissentlich und willentlich der Reputation des Bundesschiedsgerichts und damit der ganzen Partei“.
Wenn Gauland, der Ehrenvorsitzende der AfD, jenen Stimmen beispringe, die eine schiedsgerichtliche Entscheidung öffentlich verunglimpften, sei es „in der Tat um die rechtsstaatliche Verfasstheit der Partei schlecht bestellt“, so die Richter. „Wie wollen Sie eigentlich jemals wieder ernsthaft und glaubwürdig die Verstöße unserer politischen Gegner gegen die Rechtsstaatlichkeit in unserem Land anprangern, wenn Sie in Ihrer eigenen Partei die Rechtsstaatlichkeit mit Füßen treten?“ Sie betonen, dass als Kritik auch der öffentliche Hinweis genügt hätte, dass Kalbitz der Weg zu den ordentlichen Gerichten offenstehe.
Im Übrigen sei es mit der Parteischiedsgerichtsbarkeit „mancherorts in der Tat nicht gut bestellt“. Der Landesverband Brandenburg, den Kalbitz bis vor Kurzem geführt habe, habe es seit Jahren nicht geschafft, ein Landesschiedsgericht einzurichten. „Wir empfehlen, sich besser über diesen jahrelangen Verstoß gegen das Parteiengesetz und die Parteiordnung Gedanken zu machen als über die größtmögliche Beschädigung des Bundesschiedsgerichts.“