Spoiler
Gemeinsam mit ihrem Mann Joachim hat sie den AfD-Kreisverband aufgebaut, hat sich mit "viel Idealismus" für die Partei eingesetzt. Seit gut einem Jahr sitzt sie als Abgeordnete in Stuttgart, hat für ihre Aufnahme in die Fraktion kämpfen müssen, und gerne wäre sie bei der Landtagswahl im kommenden Jahr noch einmal für ihre Partei angetreten. Es ist ausgerechnet Emil Sänze, Sprecher des Kreisverbands Rottweil-Tuttlingen, der zu vorgerückter Stunde im "Sternen" in Kirchen-Hausen verkündet, dass die Partei sie soeben abserviert hat. Die Mehrheit setzt für die Landtagswahl 2021 auf einen Kandidaten, der erst vor gut einem halben Jahr in den Wahlkreis gezogen ist.
Nur 13 Stimmen erzielt
Während die Donaueschingerin Senger in der Stichwahl nur 13 Stimmen erzielen konnte, sprachen sich 20 AfD-Mitglieder für Rüdiger Klos aus. Zwar ist er ein Wahlkreis-Neuling und ist mit seiner Familie nach eigenen Angaben nach Tuttlingen gezogen, aber auf dem politischen Parkett ist er kein Unbekannter. Der 50-Jährige ist Gründungsmitglied der AfD Baden-Württemberg und sitzt bereits im Landtag, er holte 2016 im Mannheimer Norden, dem Wahlkreis mit der niedrigsten Wahlbeteiligung in ganz Baden-Württemberg, das Direktmandat. Doch zwischen Klose und dem Kreisverband hatte es seit Längerem scheinbar erhebliche Differenzen gegeben.
"Wir hätten Herrn Klos auch auf keinen Fall noch einmal nominiert", sagt Robert Schmidt, einer der beiden Sprecher des Kreisverbands Mannheim. Klos sei mittlerweile auch kein Mitglied mehr im Mannheimer Kreisverband. Auf ihrer Internetseite distanziert sich die Mannheimer AfD auch deutlich von Klos und "seinem Freund Wolfgang Gedeon". Als der Singener Abgeordnete 2016 mit seinen umstrittenen Äußerungen dafür sorgte, dass Jörg Meuthen und weitere zwölf Abgeordnete aus der Fraktion austreten, war Klos in der alten Fraktion geblieben.
Auf der Suche nach einem neuen politischen Wahlkreis schien Tuttlingen-Donaueschingen perfekt, denn neben dem Wahlkreisgewinner gilt ein zweiter Abgeordneter im Wahlkreis 55 als sicher. Und für Emil Sänze kam ein Gegenspieler zu Doris Senger gerade recht. Sänze ist nicht nur Sprecher für den Kreisverband Rottweil-Tuttlingen, sondern sitzt auch für den Wahlkreis Rottweil im Landtag. Und er macht keinen Hehl draus, dass er sich im Wahlkreis 55 eine Stärkung seines Bereichs, Tuttlingen, wünscht. Schon im Vorfeld hatte Sänze kundgetan, dass er sich für eine "werthaltige" Vertretung des Tuttlinger Teiles ausspreche und Donaueschingen als einen "Appendix" bezeichnet. Da passt eine Abgeordnete, die im Donaueschinger Ortsteil Grüningen wohnt, wohl nicht ins Bild.
Klos will Wahlkampf offensiv führen
Für Sänze geht es auch darum, wer gegen den CDU-Kandidaten Guido Wolf antreten wird. Nicht auf die FDP oder die SPD will er den Fokus richten, sondern auf die CDU. "Wolf ist ein harter Gegner, der mit allen Wassern gewaschen ist", sagt Sänze. Und mit Klos hat er einen Kandidaten gefunden, der das ganz genau so sieht. "Wir haben einen besonderen Gegner. Das ist kein Hinterbänkler", erklärt Klos. In Stuttgart sind beide schon oft aufeinandergetroffen: Der eine ist Justizminister, der andere rechtspolitischer Fraktionssprecher. "So lange der politische Gegner mich hasst und fürchtet, so lange weiß ich, dass ich alles richtig mache", sagt Klos.
Klos gibt das Motto für seinen Wahlkampf heraus: "Ich werde den Wahlkampf offensiv führen: Ich greife den Wolf an und ziehe ihm das Fell über die Ohren." Und sollte er gewählt werden, will er sich erkenntlich zeigen: "Werde ich alles tun, dass Emil Sänze Fraktionsvorsitzender wird." Tuttlingen und Rottweil müssten nach vorne gebracht werden, Donaueschingen spielt in Klos’ Bewerbungsrede keine Rolle. Auf Nachfrage erklärt er nach seiner Nominierung: Seine Rede habe den Mitgliedern des Kreisverbands Rottweil-Tuttlingen gegolten. Im Wahlkampf selbst sei Donaueschingen dann so wichtig wie jede andere Stadt.
Mehr Gäste als Stimmberechtigte
Die Vorgänge rund um den Wahlkreis 55 sind im restlichen Land nicht unbemerkt geblieben. So waren deutlich mehr Gäste als Stimmberechtigte da: "Wettbewerb ist immer gut und belebt den gesamten Bewerbungsprozess", sagt der Europaabgeordnete und Senger-Vorgänger im Landtag, Lars Patrick Berg, und fügt hinzu: "Wenn allerdings eine gestandene Abgeordnete mit solchen Methoden abgestraft wird, lässt das tief blicken. Die Art und Weise, wie hier mit einer aktiven Abgeordneten umgegangen worden ist, ist unwürdig für eine Partei."
Und wie geht es nun weiter? Die amtierende Abgeordnete Doris Senger war am Tag nach der Nominierungsversammlung schon wieder in Stuttgart anzutreffen. "Ich werde mein Landtagsmandat bis zum Ende ausfüllen", sagt sie. Die Enttäuschung ist allerdings groß: "Wir haben mit viel Idealismus den Wahlkreis aufgebaut. Aber die Mitglieder haben entschieden, und nun müssen sie damit leben." Die AfD bleibe ihre "politische Hoffnung", aber: "Ich werde mich nicht auf eine Stufe mit diesen Personen stellen."
Sengers Mann Joachim hatte allerdings schon während der Sitzung Vorwürfe erhoben: Klos habe nur einen Scheinwohnsitz in Tuttlingen und habe mit seiner Familie gar nicht abstimmen dürfen. Klos selbst jedoch führt an, dass er bereits seit Längerem in Tuttlingen wohne. Doch das ist nicht alles: Joachim Senger formuliert auch den Vorwurf, dass bei der Wahl auch nicht-stimmberechtigte Mitglieder abgestimmt hätten. Der denkwürdige Abend von Kirchen-Hausen könnte also durchaus noch nicht das Ende der Nominierungsgeschichte sein.
Im ersten Wahlgang erzielte Doris Senger zehn Stimmen, Adrian Strauss neun und Rüdiger Klos 14 Stimmen. In der Stichwahl stimmten dann 20 der AfD-Mitglieder für Klos und 13 für Senger. Damit wird die AfD bei der Landtagswahl im Wahlkreis Tuttlingen-Donaueschingen mit Rüdiger Klos als Erstkandidaten antreten. Als Zweitkandidat stellten sich Strauss und Senger zur Verfügung. Strauss erhielt 21 Stimmen und Senger zwölf. Aus dem Donaueschinger Bereich des Wahlkreises waren zehn und aus dem Tuttlinger 21 stimmberechtigte Mitglieder anwesend.
Der Flügel wird immer stärker.