Eigentlich dachte ich, diese Masken sind doof.
Aber wenn man jetzt die Honks schon von weitem erkennt, ist das auch nicht schlecht!
Spoiler
Am Anfang der Corona-Krise schien es, als sei die AfD verstummt. Große Teile der Bevölkerung, auch der AfD-Anhänger, unterstützten die weitreichenden Maßnahmen, mit denen die Ausbreitung des Corona-Virus eingedämmt werden sollte. In der Politik gab es kaum Diskussionen darüber. Die AfD tat sich währenddessen schwer zu einer gemeinsamen Linie zu finden. Die Umfragewerte sanken.
Doch mit zunehmender Debatte über die Einschränkungen veränderte die AfD ihren Kurs – und versucht nun, ihre Strategie aus Flüchtlingskrise und Klimadebatte auch auf die Corona-Krise zu übertragen. Das heißt unter anderem: Der Regierung diktatorisches Handeln zu unterstellen und sich selbst als die einzig wahre Opposition zu präsentieren.
Anfangs warnte Fraktionschefin Weidel vor dem Virus
Wie sehr sich die Rechten anfangs schwer taten mit der Pandemie ließ sich gut im Bundestag beobachten. Zunächst verzichtete die AfD – anders als üblich – auf eine radikale Anti-Position. Fraktionschefin Alice Weidel hatte Anfang März vor den großen Gefahren durch das Coronavirus gewarnt. Damals verlangte sie schnelle Maßnahmen wie die Ausweitung der Behandlungskapazitäten in Krankenhäusern und das Schließen der Grenzen.
Ihre Kritik bezog sich vor allem darauf, dass die Regierung nicht entschlossen genug handele. Anfang April stimmte die AfD für mehrere Maßnahmen der Bundesregierung, die die ökonomischen Folgen der Corona-Krise abmildern sollten. „Zusammenstehen ist jetzt erste Bürgerpflicht“, sagte sogar Fraktionschef Alexander Gauland.
In den sozialen Netzwerken – dem wichtigsten Kommunikationsmedium der AfD – liefen die Beiträge der AfD zu Corona unterdessen schlecht. Hier punkteten die Rechten normalerweise mit Krawall. Den konnten sie in der Corona-Krise nicht liefern. Schließlich erzwang ein Teil der AfD-Fraktion eine Präsenzsitzung im Bundestag.
Unter den Abgeordneten hatte sich Unmut geregt über die mangelnde Präsenz der AfD in der Corona-Krise. Weidel war in der Sitzung nur per Telefon zugeschaltet – und hatte deshalb kein Stimmrecht. Anwesend waren dagegen diejenigen, die fanden, die Furcht vor dem Virus sei übertrieben. Sie waren schon während der Plenarsitzungen durch demonstratives Nichteinhalten der Abstandsregeln aufgefallen.
Nach langer Diskussion beschloss die Fraktion schließlich ein Positionspapier, in dem verlangt wurde, die wirtschaftlichen Restriktionen und Grundrechtseingriffe zu lockern und wenn möglich ganz aufzuheben. „Der Beschluss wäre anders ausgefallen, wenn Frau Weidel und der Rest der Hysteriefraktion anwesend gewesen wäre“, stichelt ein AfD-Abgeordneter.
Der Vorwurf: Erst Unfähigkeit, dann Panikmache
Mit zunehmenden Debatten über eine schnelle Lockerung der Maßnahmen forderte nun auch die AfD immer lauter deren Aufhebung. Weidel, Gauland und die Parteichefs Jörg Meuthen und Tino Chrupalla verkündeten Ende April die Forderung: „Sofortige Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Lebens!“
Die AfD sei zur „Anti-Shutdown-Partei“ geworden, titelte dann kürzlich die „Welt“ - und einige bei den Rechten heften sich das Label gerne an. „Die Maßnahmen werden millionenfache Armut erzeugen. Das ist jetzt der entscheidende Faktor“, meint AfD-Vizechefin Beatrix von Storch.
Fragt man Fraktionschefin Weidel, wie die neue Haltung zu ihrer frühen Warnung vor dem Virus passt, sagt sie, sie sehe da keinen Widerspruch. Die Forderungen der AfD seien verbunden mit der Beachtung der bekannten Hygienemaßnahmen.
„Wir sind davon überzeugt, dass wenn Abstandsregeln und Maskengebote beachtet werden, unsere Wirtschaft wieder hochgefahren werden sollte“, sagte sie vergangene Woche dem Tagesspiegel. Mit den diese Woche beschlossenen Lockerungen haben sich die Forderungen der AfD nun zum Teil überholt.
Weidels Fraktionskollege Brandner geht aber noch einen Schritt weiter: Er behauptet, der Lockdown sei völlig überflüssig gewesen. Die Regierung habe anfangs verschlafen, rechtzeitig zu reagieren. „Und jetzt wird hektisch versucht, mit völlig übertriebenen Maßnahmen gegenzusteuern, Stärke zu demonstrieren und so das eigene Versagen zu vertuschen.“ Der Regierung erst Untätigkeit und dann Panikmache vorzuwerfen – für viele AfD-Abgeordnete ist das kein Problem.
Und auch wenn die AfD mit ihrem fortwährenden Drängen nach einer Aufhebung der Einschränkungen bei Weitem nicht alleine dasteht, tut sie das doch in einer anderen Tonlage als andere Parteien. Sie versucht das Ganze mit ihren üblichen Narrativen an ihre Anhängerschaft anzupassen.
AfD griff Vorlage von FDP-Chef Lindner auf
Schon in der Flüchtlingskrise bezeichnete die AfD Kanzlerin Angela Merkel als „Kanzlerdiktatorin“, die das „Volk völlig umkrempelt“. Auch in der Corona-Krise unterstellt die AfD der Regierung autoritäres Handeln gegen die Interessen der Bevölkerung. Als Beleg wird herangezogen, dass Kanzlerin Merkel im April vor „Öffnungsdiskussionsorgien“ warnte. Das sei „dieselbe demokratieverachtende Haltung, die wir von ihr aus der Euro- und Flüchtlingskrise bereits kennen“, wetterte AfD-Vizechefin von Storch damals. Davon, dass die AfD anfangs selbst vielen der Regierungsmaßnahmen im Bundestag zugestimmt hat, ist keine Rede mehr.
Wie in der Klima-Debatte pickt sich die AfD auch in der Corona-Krise vor allem die Wissenschaftler und Studien heraus, die zu ihren Forderungen passen. In einem Video nennt die bayerische Landesvorsitzende Corinna Miazga etwa den Stanford-Professor John Ioannidis, der mit einer methodisch umstrittenen Studie belegen wollte, dass die Sterblichkeit bei Corona nicht höher sei als bei Influenza. Oder den emeritierten Mikrobiologen Sucharit Bhakdi, der auf Youtube die Politik der Bundesregierung als Panikmache verurteilte.