Erfundene Straftatbestände
1. Allgemeines
Die Reichsbürger-Szene und verwandte Bewegungen beklagen immer wieder, dass Behörden, Gerichte und namentlich das Sonnenstaatland Straftaten gegen sie begehen würden. Zumindest einige Angehörige dieser Szenen reagieren mit Strafanzeigen auf diese angeblichen Straftaten. Der unerreichte Meister des ständigen Einreichens von Strafanzeigen ist dabei [Rüdiger Hofmann], der nahezu täglich Strafanzeigen einreicht - selbst bei unzuständigen Stellen.
Das Problem der meisten dieser Strafanzeigen ist, dass sie sich auf Straftatbestände beziehen, die es gar nicht gibt, sondern die frei erfunden sind. Daher werden diese Anzeigen von den Staatsanwaltschaften regelmäßig nicht an die Hand genommen, dennoch müssen sie aber Einstellungsverfügungen verfassen und den Urhebern der Anzeigen zustellen, was unnötig Kräfte bindet.
In Deutschland wie in den umliegenden Staaten gilt seit Jahrhunderten der Grundsatz schon des römischen Rechts: „Nullum crimen sine lege“ bzw. „nulla poena sine lege“: „kein Verbrechen ohne gesetzliche Grundlage“, „keine Strafe ohne gesetzliche Grundlage“. Die Strafbarkeit eines bestimmten Verhaltens muss durch allgemeines Gesetz vor Begehung der Tat bestimmt worden sein, sonst ist eine Bestrafung nicht zulässig. Dies ist unter anderem auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention, Artikel 7, und in Artikel 103, Absatz 2 des deutschen Grundgesetzes festgelegt. Dies bedeutet, dass es zu jeder Zeit einen abschließenden Katalog von Straftatbeständen gibt. Jedes Verhalten, das nicht unter einen dieser Tatbestände fällt, ist nicht strafbar.
Eine Ausweitung bestehender Straftatbestände ist ebenfalls nicht erlaubt, was als [Analogiverbot
https://de.wikipedia.org/wiki/Analogieverbot] bezeichnet wird.
2. Erfundene Straftatbestände im Überblick
Plünderung
Das Eintreiben von Bußen, Geldstrafen, Steuern und Abgaben sowie sonstiger Schulden aller Art durch Gerichtsvollzieher und andere einschlägige Behörden bezeichnen Reichsbürger gerne als „Plünderung“, die nach der Haager Landkriegsordnung verboten sei.
In der Tat verbietet die Haager Landkriegsordnung Plünderungen, aber da weder in Deutschland noch in den umliegenden Ländern Kriegszustand herrscht, kommen deren Bestimmungen nicht zur Anwendung. Das Eintreiben von berechtigten Forderungen auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg ist zudem keine Straftat.
Verletzung von Menschenrechten
Aufgabe des Gesetzgebers in jedem Staat ist es, Gesetze so zu erlassen, dass sie die Menschenrechte nicht verletzen, und gegen Verletzungen von Menschenrechten Strafbestimmungen aufzustellen. In den meisten Staaten gibt es zudem Verfassungsgerichte, die über die Einhaltung dieser Vorgaben durch den Gesetzgeber wachen.
Einen Straftatbestand „Verletzung der Menschenrechte“ gibt es aber nicht, da er sich nur schwer dazu eignet, tatsächliche Verletzungen von Menschenrechten zu verhindern.
Willensbruch
Zwar gibt es Straftatbestände wie Friedensbruch, Siegelbruch usw., aber einen Tatbestand „Willensbruch“ gibt es nicht. Die Freiheit des Willens eines Individuums ist durch die Rechtsordnung auch nicht absolut geschützt. Dies liefe etwa darauf hinaus, dass man sich an einen Vertrag nicht zu halten brauchte, da man nicht dazu gezwungen werden dürfte, ihn einzuhalten, wenn man dies nicht mehr will.
Täuschung im Rechtsverkehr
Entgegen wiederholter Behauptungen von Reichsbürgern gibt es keinen Straftatbestand „Täuschung im Rechtsverkehr“. Zwar gibt es einen Straftatbestand „Täuschung im Rechtsverkehr
bei Datenverarbeitung“ im deutschen Strafgesetzbuch (Paragraf 270), der aber nur eine Begriffsbestimmung und Gleichstellung von Täuschungen mittels Datenverarbeitung mit anderen Arten des Verkehrs enthält. Täuschung im Rechtsverkehr ist vielmehr ein Tatbestandsmerkmal verschiedener Betrugs- und Fälschungsdelikte des deutschen Strafgesetzbuches (Paragrafen 152a, 267, 268, 269, 271, 273, 276, 281).
Vergewaltigung
Unter Vergewaltigung (früher teilweise auch: Notzucht) wird das Erzwingen des Geschlechtsverkehrs mit einer anderen Person mittels Drohung oder Gewalt verstanden. Unter „Vergewaltigung“ verstehen aber manche Reichsbürger, Freemen und Selbstverwalter jegliches Verhalten, das auf ihre Willensfreiheit einwirkt, namentlich unmittelbaren Zwang durch Vollzugesbeamte, aber auch etwa gerichtliche Ladungen und dergleichen. Da es sich dabei um gesetzlich geregelte und jeweils durch Gerichte angeordnete Maßnahmen handelt, sind diese nicht rechtswidrig und nicht strafbar.
Der Ursprung dieses erfundenen Straftatbestandes dürfte wohl in einer falschen Übersetzung aus dem Englischen liegen, verliert sich aber im Dunkeln.
Entehrung
Auch hier scheint eine verunglückte Übersetzung aus dem Englischen vorzuliegen. Ehrenstrafen und die „bürgerliche Ehre“ sind in Deutschland übrigens schon vor Jahrzehnten abgeschafft worden. Ein entsprechender Straftatbestand erübrigt sich daher.