Mein Vorschlag für ein Antwortschreiben der Stadt Stuttgart:
Euer Hoheiten,
mit Bestürzung und Entsetzen haben wir von Ihro furchtbaren Lebensumständen erfahren und versichern Euch aus ganzem Herzen wie tiefempfunden wir mit Ihro leiden und um Euer barmen. Wer vermag die Scham und Pein zu ermessen, die es bedeuten muss als höchst anerkanntes Oberhaupt, als Souverän, als Imperator, als Vorbild für all die Untertanen und Würmelinge unter Ihro strengen aber gerechten Regime nicht in der Lage zu sein, ein Trinkgeld von nur 97,50 entrichten zu können. Von einem grausameren Schicksal wüssten wir nicht zu berichten und wir entschuldigen uns in aller Form Ihro in solch unbillige Misslichkeiten gestürzt zu haben.
Dies um so mehr, als uns bewusst ist, dass eine Person in Ihro Stellung als Edelmann selbstredend keinesfalls den Hauch eines Schattens der Unwürde auf Werk oder Leben fallen lassen darf. Ihro Gnaden seien daher versichert, dass wir im Bemühen um Ihro Seelenheil zu jeglichen Mitteln greifen werden, um die Bitternis der Pflichten des Adels zu mildern. Wir bieten Euer Exzellenz daher aus Respekt vor Gott und den ewigen Schöpfungsgesetzen folgenden Ausweg aus dieser hochnotpeinlichen Situation:
1. Die öffentliche Bedürfnisanstalt des im Umbau begriffenen Bahnhofs der Stadt Stuttgart befindet sich in einem beklagenswerten Zustand. Wir offerieren Ihro Hoheiten daher den ausstehenden Betrag an zwei Tagen durch hoheitliche Säuberung der vorgenannten Örtlichkeit in Gänze abzuarbeiten.
2. Für die standesgemäße Unterbringung von unverschuldet verarmten Adel stellen wir ein Feldbett in der nahegelegenen Bahnhofsmission, das nach Befindlichkeit mit den Insignien seiner Majestät geschmückt werden kann.
3. Für das leibliche Wohl empfehlen wir Ihro Hoheit den Besuch der Tafel, die schon vom Namen her einen gewissen Bezug zu den Euch vertrauten hochherrschaftlichen Gepflogenheiten nahelegt.
4. Um jegliche Missverständnisse auszuschließen, würden wir diesen Kompromiss mit flankierender Berichterstattung an Wochen- und Tageszeitschriften lancieren. Artikel wie "Königlich sauber - die Stuttgarter Bahnhofstoiletten" oder "Adel verpflichtet - der Imperator greift ins Klo" sollten Ihro Magnifizenz vor jeglichem Unglimpf bewahren.
5. Auch eine etwaige Plakatkampagne unter geschickter Nutzung des gebührenden Plural Majestates ist angedacht. Unter dem edlen Antlitz von Ihro Hoheiten im Hermelin mit Schrubber würde sich der Satz "Wir sind arm - aber ehrlich" vorzüglich machen. Selbiges würde gesondert vergütet wobei wir uns bei unseren begrenzten Mitteln sehr über die geringen Entgelte freuen für die Ihro Hoheiten nach eigener Auskunft tätig seien.
Auch das uns nach Gerüchten bekannte Wappen Ihro Majestät (zwei gekreuzte Klobürsten vor einem Stück Kernseife) wäre eine zutiefst sinntragende Ergänzung des Plakats.
Es erfüllt uns mit inniger Befriedigung Ihro Hoheiten und Person einen solchen Ihro Würde angemessenen und abgewogenen Vorschlag unterbreiten zu dürfen. In aller Hochachtung verbleiben wir ob Ihro gnädiglichem Entschluss.
Andernfalls würden wir uns leider gezwungen sehen auf ganz unstandesgemässen Handlungen wie der Betreibung durch Erzwingungshaft zu bestehen.
Wenn Ihro Gnaden wie von Euer selbst bekundet erfolgreich die gültige Rechtsordnung bestreitet, behalten wir uns vor auf altes Stuttgarter Stadtrecht zurück zu greifen und die dort festgesetzten Pönale zu verhängen (Kerker, Zuchthaus und/oder Pranger).
Wir sind uns aber gewiss, dass Ihro Hoheiten sich Ihrer Vorbildfunktion bewusst erweisen und umgehend dem wohlabgewogenen Kompromiss beipflichten.
In allervorzüglichster Hochachtung
Marion Schmidt
Tarifabgestellte