Spoiler
Hubert Wetzel aus Washington
Aktualisiert vor 36 Minuten
Joshua David Hawley ist schon recht weit gekommen in seinem Leben. Er hat einen Bachelor-Abschluss in Geschichte an der vornehmen Stanford University in Kalifornien gemacht, danach hat er an der noch viel vornehmeren Yale Law School Jura studiert. Er hat als Assistent für den Vorsitzenden Richter des amerikanischen Verfassungsgerichts, John Roberts, gearbeitet. 2016 ging er in die Politik und wurde Justizminister in seinem Heimatstaat Missouri. Zwei Jahre später kletterte er noch eine Karrierestufe höher: Er kandidierte in Missouri für die Republikaner für einen Sitz im Senat und gewann.
Man muss in diesem Zusammenhang vielleicht noch anfügen, dass Josh Hawley erst vor ein paar Tagen, am 31. Dezember, Geburtstag hatte. Er wurde 42 Jahre alt. In republikanischen Kreisen gilt der junge Herr Hawley bereits als aufgehender Stern, gar als möglicher Kandidat für die Präsidentschaft im Jahr 2024.
Lügen vom Wahlbetrug
Nun sollte man niemandem sein verhältnismässig jugendliches Alter oder seinen Ehrgeiz vorwerfen. Wenn der Drang, möglichst schnell möglichst hoch zu steigen, aber dazu führt, dass gewisse Abkürzungen genommen werden, kann es gefährlich werden. Und wenn sich das alles in den Höhen der Politik abspielt, dann bezahlt am Ende ein ganzes Land den Preis für die Ambitionen und die Rücksichtslosigkeit eines Einzelnen.
Wie das in der Praxis aussieht, wird man am Mittwoch erleben können. Dann werden im US-Kongress offiziell die Stimmen des Electoral College ausgezählt, die den Demokraten Joe Biden als Wahlsieger und 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten ausweisen werden, Donald Trump hingegen als Verlierer. Normalerweise ist diese Auszählung eine Formsache. In diesem Jahr aber werden mehr als 140 republikanische Angehörige des Abgeordnetenhauses, die Trumps Lügen vom Wahlbetrug glauben oder zumindest nachplappern, Einspruch gegen das Ergebnis einlegen. Das wird an Bidens Sieg nichts ändern, aber zu Debatten und Verzögerungen führen, zu politischem Spektakel mithin – ohne echte Substanz, aber beliebt bei der vom Wahlergebnis so bitter enttäuschten republikanischen Parteibasis.
Ein grosser Teil seiner Wähler glaube halt, dass bei der Wahl irgendwie betrogen worden sei, schrieb Hawley in einer Erklärung.
Die Abgeordneten können ihren Einspruch allerdings nur geltend machen, sofern auch ein Mitglied des altehrwürdigen US-Senats mitmacht. Und diesen einen republikanischen Senator zu finden, der tatsächlich bereit ist, vor den Augen der Nation das Ergebnis einer fairen, freien, rechtskonformen und gültigen Wahl anzufechten, war nicht ganz einfach.
Bis sich dann Josh Hawley meldete. Er kündigte am 30. Dezember als erster Senator überraschend an, dass er das Ergebnis ebenfalls anfechten werde. Als Begründung brachte er ein Argument vor, das für einen Juristen eher ungewöhnlich war, zumal für einen, der in Yale ausgebildet wurde und am Supreme Court gearbeitet hat: Ein grosser Teil seiner Wähler glaube halt, dass bei der Wahl irgendwie betrogen worden sei, schrieb Hawley in einer Erklärung. Dass seine Wähler das nur glauben, weil Donald Trump es ständig behauptet, dass es für Wahlbetrug keinerlei Belege gibt, dass, im Gegenteil, zig Gerichte entsprechende Klagen des Trump-Lagers abgewiesen haben, dass man in einer Demokratie das Ergebnis einer Wahl vielleicht nicht attackieren sollte, nur weil irgendjemand irgendwas glaubt – all das stört Hawley nicht.
Buhlen um Loyalität
Doch das ist auch nicht verwunderlich. Hawley geht es nicht um Demokratie oder Juristerei, sondern um Politik. Er weiss: 2024 wird wieder ein Präsident gewählt. Wenn dann Trump nicht selbst antritt, wird der harte Kern seiner Wähler nach einem neuen Kandidaten suchen. Wer diese Wähler erben will, sollte daher früh anfangen, um ihre Loyalität zu buhlen. Und was eignete sich dafür besser, als sich im Kongress zum standhaften Trump-Verteidiger aufzuschwingen? Der Noch-Präsident jedenfalls hat sich bei Hawley schon per Tweet bedankt – ein schönes Geburtstagsgeschenk.