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Die Hoffnung, die viele Republikaner vergangene Woche noch vermittelt hatten, erwies sich mittlerweile als Schimäre. Donald Trump, so meinten sie damals, wolle die Sache mit dem angeblichen Wahlbetrug noch ein bisschen ausreizen, um seine Anhänger zufriedenzustellen. Dann aber werde er seine Niederlage gegen den Demokraten Joe Biden gewiss anerkennen. Wenige Tage später ist klar: Der Präsident denkt gar nicht daran, das Wahlergebnis zu akzeptieren. Noch immer verbreitet er auf Twitter Verschwörungstheorien über angeblich manipulierte Wahlmaschinen und gestohlene Stimmen. Und noch immer kann er keine Belege für die These vorlegen.
Mittlerweile haben er und sein juristisches Teams bei insgesamt 24 Klagen gegen das Wahlergebnis oder den Ablauf der Abstimmung 23-mal eine Niederlage einstecken müssen. Der eine Sieg hilft ihnen wenig: er betraf die Forderung, Absperrungen in einem Wahllokal in Philadelphia so zu verschieben, dass Wahlhelfer näher an die Auszählenden heranrücken konnten. Das passierte auch, am Wahlergebnis hat es freilich nichts geändert. Als Option bleiben dem Präsidenten damit fast nur noch Recounts, also Neuauszählungen der abgegebenen Stimmen.
Eine solche Unternehmung läuft bereits, im Bundesstaat Georgia hat sie der republikanische Wahlleiter Brad Raffensperger in Auftrag gegeben. Die am Wahltag maschinell ausgezählten Stimmen werden dort vollständig via Hand überprüft. Auf Fälschungen ist man dabei bisher nicht gestoßen, Raffensperger sagte am Montag in mehreren Interview, es sehe so aus, als würden sich die bisherigen Ergebnisse bestätigen. Allein ein Selbstfaller der Republikaner wurde bisher entdeckt. Im schwer konservativen Bezirk Floyd hatten Wahlhelfer vergessen, 2.600 Stimmen online in das Wahlregister einzutragen. Das wird nun nachgeholt, Bidens Vorsprung von 14.000 Stimmen dürfte um etwa tausend schmelzen.
Druck der Parteikollegen
Raffensperger, selbst Republikaner und nach eigener Auskunft Trump-Wähler, berichtet von massivem Druck, der seitens seiner Partei auf ihn ausgeübt werde. Senator Lindsey Graham, Chef des mächtigen Justizausschusses, habe ihn etwa gefragt, ob man nicht auch legale Briefwahlstimmen aus Wahlkreisen aberkennen könne, wenn es dort bei anderen Wählern viele Beanstandungen beim Abgleich von Unterschriften gebe. Das sei "sehr desillusionierend", so Raffensperger, der auch über Todesdrohungen gegen sich und seine Frau berichtet.
Graham sagte später, er habe sich mit Raffensperger lediglich über die Modalitäten beim Identitätsnachweis via Unterschrift ausgetauscht. Es sei seiner Ansicht nach "ein sehr gutes Gespräch" gewesen. Wenn sich Raffensperger dadurch bedroht fühle, "dann ist das sein Problem". Zudem warf er den Medien parteiische Berichterstattung vor. "Ihr seid hinter uns her, weil ihr wollt, dass der Typ [Trump, Anm.] verliert. ... Wenn es andersherum wäre, würdet ihr Geschichten über umfangreichen Betrug aufblasen."
Neu ausgezählt werden könnte auch in Wisconsin, wo Biden mit einem Abstand von rund 20.000 Stimmen gesiegt hat. Dafür würde der Staat der Trump-Kampagne aber rund acht Millionen Dollar in Rechnung stellen. Ob diese das zahlen will, ist offen. Neuauszählungen in den USA haben in der Geschichte bisher nie mehr als knapp über tausend Stimmen verschoben.
"Menschlicher Fehler" in Nevada
Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung wurden derweil in Nevada entdeckt. Dort gibt es im Wahlkreis Clark County, wo rund eine Million Stimmen abgegeben wurden, eine Differenz von rund 936 Stimmen zwischen den Aufzeichnungen für abgegebene und ausgezählte Stimmen – laut Experten kein seltener Wert bei US-Wahlen, der sich durch simple Fehler bei der Aufzeichnung erklären lässt.
Da Biden in dem Staat mit einem Abstand von mehr als 33.000 Stimmen führt, ist eine Änderung am Ergebnis durch die Diskrepanzen nicht möglich. Neu ausgetragen wird hingegen vermutlich eine Wahl zum Bezirksparlament, wo ein republikanischer Kandidat mit einem Abstand von nur zehn Stimmen verloren hat. Der bisher knapp Unterlegene, Trump-Anhänger Stavros Anthony, teilte mit, er glaube nicht an Betrug zu seinen Ungunsten. Es habe sich wohl um einen "menschlichen Fehler" gehandelt. (Manuel Escher, 17.11.2020)