Autor Thema: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle  (Gelesen 171847 mal)

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dtx

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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #210 am: 13. November 2016, 02:15:12 »
Sowohl ein tatbestandsausschließendes Einverständnis als auch eine rechtfertigende Einwilligung wird sicherlich für beide Tatbestandsalternativen verfolgt werden.

Ich halte nach der vorliegenden Geschichte ein Einverständnis in eine vermögensvernichtende Finanzierung von Fitzeks Lebensstil zum Zeitpunkt der Kapitalanlage für nahezu ausgeschlossen und kann mir vorstellen, daß das Gericht das ebenso sieht. Einige Anleger dürften erheblich sparsamer leben müssen, als Fitzek das an den Tag legte. Bei einer nachträglichen Genehmigung bin ich mir nicht so sicher, weil die Leute jetzt nichts davon haben, sich vor Gericht mit einer anderen Aussage zum Horst zu machen. Wäre ein beträchtlicher Teil der Kohle noch aufzufinden, sähe das sicherlich ganz anders aus.

Unabhängig von der tatbestandlichen Alternative müsste für eine Verurteilung ein Vermögensschaden festgestellt werden. Wie sich aus dem Beitrag von @dtx ergibt, müsste hier wohl differenziert werden zwischen dem Vermögen der Anleger und dem Vermögen eines Vereins. Fitzek kann verschiedene Vermögen geschädigt haben, je nachdem wie die rechtliche Konstruktion letztlich aussah. 

Der Verein war als Gedankenstütze gemeint, um auf das Geschwurbel von der gemeinwohlkonformen Verwendung einzugehen. Tatsächlich haben wir es hier sowohl mit Leuten zu tun, die über der Geschichte abwinken können und mit solchen, die ob ihrer finanziellen Hilfsbedürftigkeit nicht zu Lasten der Allgemeinheit auf Ansprüche verzichten dürfen. Zumindest nicht dann, wenn diese nach § 116 SGB X auf die Arbeitslosenverwaltung übergegangen sind.
Allerdings mangelt es erfahrungsgemäß bei den meisten Ämtern am Willen, diese Ansprüche durchzusetzen. Das sieht man schon daran, daß derart selten wegen Lohndumpings gegen Arbeitgeber vorgegangen wird, obwohl das dem Versicherungsbetrug als Volkssport längst den Rang abgelaufen hat.

Nach den bislang hier im Forum erschienen Informationen erscheint mir eine verlässliche Einschätzung des Prozessverlaufes kaum möglich. Gewichtiges Indiz ist m.E. allerdings, dass sich Fitze nach wie vor in U-Haft befindet  :dance:.

Sicher, das sehe ich auch so. Aber vielleicht hast Du (oder jemand anders in Deinem Umfeld) die juristische Expertise, um die Frage nach einem Ersatzanspruch der Arge aufklären zu können. Wenn der dem Gericht auf den Tisch flattert, können die übrigen Anleger erklären, was sie wollen. Dann hat Fitzek zwar "nur" ca. 35.000 Schaden an der Backe, aber aus dem Verfahren wegen der Krankenversicherung ist ja noch mal eine etwas größere Summe offen und dann kommen da noch die Ersatzansprüche der BaFin wegen der Abwicklungskosten dazu, so daß sich das äquivalent zu einer Gesamtstrafe auf einen Gesamtschaden von etwa 200.000 zubewegt. Daß Vater Staat im Gegensatz zu Uli darauf sitzen bleibt, dürfte sich auch irgendwie auf das Strafmaß auswirken, zumal bei Fitzek von Einsicht oder Reue derzeit wohl nichts zu sehen ist.
« Letzte Änderung: 13. November 2016, 02:21:01 von dtx »
 
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #211 am: 13. November 2016, 12:03:54 »
Einen Verein hat es m. W. nie gegeben: Wie so ziemlich alle "Einrichtungen", die Fatzke je "gegründet" hat, ist die Errichtung des Vereins nicht rechtsgültig zustande gekommen. Das hatten wir schon früher diskutiert. Gab es keinen Verein, so konnte auch kein Vereinsvermögen geschädigt werden.
Wie ja auch die Zeugen zugegeben haben, war Fatzke faktisch immer der einzige Verfügungsberechtigte. Bei einem Verein müsste sich bei einer solchen Anklage normalerweise der gesamte Vorstand oder doch der geschäftsführende Vorstand vor Gericht verantworten, was hier nicht der Fall ist.
Es geht im Prozess auch nicht um Bankgeschäfte, angeklagt sind nur die Fälle im Zusammenhang mit der "Kooperationskasse" und dem Verein "NeuDeutschland". Die "Reichsbank" wurde erst später eingerichtet.
Es bleibt also wohl letztlich das unmittelbare Verhältnis Anleger-Fatzke.
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #212 am: 13. November 2016, 12:29:13 »
Naja es gab ja schon den Verein "ganzheitliche Wege e.V.", wo erst Peter im Vorstand war und danach Martin.
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #213 am: 13. November 2016, 13:29:02 »
Die Möglichkeit, überhaupt Geld in die Kooperationskasse einzahlen zu können, war an eine (Förder-)Mitgliedschaft der Einzahler im Verein „NeuDeutschland“ und/oder im Verein „Ganzheitliche Wege“ geknüpft.
Im Impressum der Internetseite der Kooperationskasse stand der Verein „NeuDeutschland“.
Als Kontoverbindung der Kooperationskasse war das Konto des Vereins „Ganzheitliche Wege e.V.“ angegeben.
Von diesem Konto der Postbank hob Fitze das Geld ab.

Dem Verein "NeuDeutschland" tritt bis 2009 aufgrund der befristenden, vorläufig bestätigten, Gemeinnützigket als "e.V." im Impressum seiner Internetseite auf. Ab 2010, also den Zeitraum der fraglichen Abhebungen betreffend, ohne den Zusatz "e.V." aber weiterhin mit Fitze als Vorstand.
Zum "Ganzheitlichen Wege e.V." findet sich spontan nur eine Eintragung aus 2014:
"Vorsitzender: Benjamin Michaelis
Eingetragen im zentralen Register des Amtsgerichts Stendal unter der Nummer VR 30815."
https://web.archive.org/web/20140312072345/http://ganzheitlichewege.net/index.php/impressum.html


Dazu eine Frage @Juristen:
Habe ich es richtig in Erinnerung, dass ein n.e.V einem e.V., bis auf die Möglichkeit abzugsfähige Spendenquittungen auszustellen, nahezu gleichgestellt ist wenn er über eine Satzung und einen (gewählten) Vorstand etc. verfügt?

« Letzte Änderung: 13. November 2016, 13:32:51 von Autsch ! »
Die Mainstreampresse lügt immer. Das Königreich Deutschland und auch alles, was aus dem Königreich kommt und mit ihm zu tun hat, ist wahrhaftig. (KRD Website)
 
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #214 am: 13. November 2016, 14:10:22 »
Dazu eine Frage @Juristen:
Habe ich es richtig in Erinnerung, dass ein n.e.V einem e.V., bis auf die Möglichkeit abzugsfähige Spendenquittungen auszustellen, nahezu gleichgestellt ist wenn er über eine Satzung und einen (gewählten) Vorstand etc. verfügt?

Nichtjurist antwortet: ein n.e.V. ist keine Rechtsperson. Er ist als solcher nicht klagefähig und kann auch nicht verklagt werden. Träger aller Rechtsansprüche sind immer die Mitglieder als Gruppe, nie der Verein als solcher. Das ist der entscheidende Unterschied im Rechtsverhältnis nach außen: keine Rechtsfähigkeit. Auch die §§ 21-53 BGB gelten nur für den e.V.

Intern dagegen kann der n.e.V. durchaus genau so funktionieren wie der e.V. Er muss aber nicht.
 
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dtx

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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #215 am: 13. November 2016, 15:04:44 »
Wie ja auch die Zeugen zugegeben haben, war Fatzke faktisch immer der einzige Verfügungsberechtigte. ... Es bleibt also wohl letztlich das unmittelbare Verhältnis Anleger-Fatzke.

Das hat auch das Gericht (beim ersten Haftprüfungstermin?) ausgeführt, daß "die Kooperationskasse" nichts anderes als ein Synonym für Peter Fitzek war.

Die Möglichkeit, überhaupt Geld in die Kooperationskasse einzahlen zu können, war an eine (Förder-)Mitgliedschaft der Einzahler im Verein „NeuDeutschland“ und/oder im Verein „Ganzheitliche Wege“ geknüpft.
Im Impressum der Internetseite der Kooperationskasse stand der Verein „NeuDeutschland“.
Als Kontoverbindung der Kooperationskasse war das Konto des Vereins „Ganzheitliche Wege e.V.“ angegeben.
Von diesem Konto der Postbank hob Fitze das Geld ab.

Es darf aber bezweifelt werden, daß die Vereine tatsächlich nach den rechtlichen Vorgaben geführt wurden und den Mitgliedern satzungsgemäße Rechte, wie zum Beispiel die Wahl des Vorstandes bei einer Jahresversammlung, eingeräumt worden sind. Wenn Fitzek nicht im Vereinsvorstand war, stellt sich die Frage, wieso er per Barabhebungen Teiles des "Vereinsvermögens" an sich bringen konnte. Solche Kontovollmachten haben üblicherweise nur Vorstandsmitglieder, oft nur zu mehreren gemeinsam.

Man wird wohl zu dem Ergebnis kommen, daß diese Vereinskonstrukte entweder zur Verschleierung der tatsächlichen Verhältnisse eingerichtet oder später dann dazu mißbraucht wurden. Folglich sind die Vereine und ihr Vermögen auch von der BaFin in die zwangsweise Abwicklung mit einbezogen worden.

Dem Verein "NeuDeutschland" tritt bis 2009 aufgrund der befristenden, vorläufig bestätigten, Gemeinnützigket als "e.V." im Impressum seiner Internetseite auf.

Die Eintragung eines Vereines ins Vereinsregister ist unabhängig davon, ob das Finanzamt die Satzung, die Vereinsziele und im Nachgang auch die tatsächliche Durchführung als gemeinnützung erachtet und dem Verein erlaubt, für Einnahmen Spendenbescheinigungen auszustellen, die den Gebern steuerliche Erleichterungen verschaffen. Sind diese Bescheinigungen nach dem Ablauf der (immer befristet und vorläufig erteilten) Genehmigung oder nach ihrem Widerruf ausgestellt worden, haftet der Aussteller dem Fiskus für den dadurch entstandenen Schaden. Da werden pauschal 40% der bescheinigten Spendensumme fällig, ohne Rücksicht darauf, in welchem Umfang die Bescheinigungen tatsächlich zu Steuerminderungen geführt haben.

Ab 2010, also den Zeitraum der fraglichen Abhebungen betreffend, ohne den Zusatz "e.V." aber weiterhin mit Fitze als Vorstand.

Wenn das Finanzamt die vorläufig erteilte Genehmigung nicht bestätigte und für die Zukunft auch nicht weiter vorläufig genehmigte, dann wird sich darüber keiner wundern. Fitzek wird sich kaum in der Art in die Karten schauen und ins Handwerk pfuschen lassen haben, um diese Prozedur zu Ende zu bringen. Ich glaube auch nicht, daß er den Status der Gemeinnützigkeit tatsächlich zu etwas anderem als zur Werbung um Anlegergelder genutzt hat.
Falls er den Verein dann auch aus dem Register streichen ließ, ist das freilich seiner Bockigkeit und KIndsköpfigkeit geschuldet. Das macht man nicht, weil das Finanzamt noch Berichte fordert.

Habe ich es richtig in Erinnerung, dass ein n.e.V einem e.V., bis auf die Möglichkeit abzugsfähige Spendenquittungen auszustellen, nahezu gleichgestellt ist, wenn er über eine Satzung und einen (gewählten) Vorstand etc. verfügt?

Nichtjurist, aber im Steuerrecht ausgebildet. Die Möglichkeit, Spendenquittungen auszustellen, ist keine Folge der Registereintragung. Die Genehmigung wird vom Finanzamt erteilt, wenn die Vereinsziele förderungswürdig sind, die Satzung den Anforderungen entspricht und diese Vorgaben im Vereinsleben auch strikt beachtet werden. Nachlesen kannst Du das alles in den §§ 51 bis 68 und der Anlage 1 der AO (Abgabenordnung).
Bei der Satzung spielt meistens die in § 61 AO vorgeschriebene Vermögensbindung eine entscheidende Rolle, nach der bei der Auflösung des Vereines das Vereinsvermögen zwingend einem anderen als gemeinnützig anerkannten Verein zufließen muß. Das Risiko besteht dabei darin, einen Verein in die Satzung zu schreiben, der womöglich irgendwann nicht mehr existiert oder die Gemeinnützigkeit verloren hat. Dann würde die eigene Satzung den Vorgaben nicht mehr entsprechen. Um dieses Problem zu umgehen, behilft man sich meist mit der salomonischen Bestimmung, wonach das Finanzamt der letztendlichen Verwendung des Vereinsvermögens zustimmen muß.
 
Man kann mit einem Verein andere als die Zwecke verfolgen, die in den §§ 52 bis 54 AO aufgeführt sind, man kann die Satzung anders aufstellen als in der AO vorgesehen und man kann in der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Regeln verstoßen. Dann wird die Genehmigung gar nicht erst erteilt oder nicht bestätigt und auch nicht vorläufig verlängert. Den Verein gibt es dann aber trotzdem und er steht auch weiterhin im Register, er muß dann eben schauen, wie er zu Geld kommt. Streitigkeiten mit dem Finanzamt werden vor den Finanzgerichten ausgetragen. Davon gibt es in jedem Bundesland eines und dann noch den Bundesfinanzhof in München.
« Letzte Änderung: 13. November 2016, 15:23:19 von dtx »
 
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #216 am: 13. November 2016, 16:23:04 »
Man darf bei all dem nicht außer Acht lassen, dass es sich hier um ein Strafverfahren handelt.

Allzu umfangreiche zivilrechtliche oder steuerrechtliche Überlegungen lassen einen Strafrechtler gewöhnlich eher unbeeindruckt. Das sind ja alles letztlich alles nur Hilfsüberlegungen auf dem Weg zur Gerechtigkeit  ;)
Man muss die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen kann.
 

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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #217 am: 13. November 2016, 16:52:09 »
Nach deutschem Recht erhält ein Verein Rechtspersönlichkeit auf zwei alternativen Wegen: über die Eintragung ins Vereinsregister beim Vereinsgericht (i. d. R. das örtlich zuständige Amtsgericht) oder durch staatliche Verleihung. Ins Vereinsregister eingetragene Vereine führen den Zusatz "e. V." im Namen. Die staatliche Verleihung der Rechtspersönlichkeit ist selten (ich meine, dass es etwa 40 Fälle gab), am bekanntesten dürfte vermutlich die Wissenschaftliche Buchgesellschaft sein, die Rechtspersönlichkeit durch Verleihung seitens des Bundeslandes erhielt.
Ohne Rechtspersönlichkeit stellt ein Verein ggf. eine GbR dar. Jedenfalls haften die Beteiligten ("Mitglieder" wäre wohl eine irreführende Bezeichnung) solidarisch.

Strafrechtlich ist die zivilrechtliche Lage in der Tat nur nebensächlich. Hier rückt die fehlende Rechtspersönlichkeit der "Vereine" die ganzen Tätigkeiten, so will mir scheinen, in die Nähe des Betrugs. Jedenfalls ist es ziemlich unschön, mit "Vereinen" zu werben, in die man einzahlen soll, die es aber gar nicht gibt.
Strafrechtlich eher von Interesse dürfte die Frage sein, wer die Geschäfte tatsächlich führte und die Entscheidungen fällte. Gab es einen gewählten "Vorstand", der aber passiv blieb, so könnte auch eine strafbare Unterlassung vorliegen, da ein Vorstand dazu berufen ist, die Geschäfte zu führen bzw. dort, wo sie z. B. an einen Einzelnen übertragen wurden, wenigstens wirksam zu überwachen.

Von den vereins- und strafrechtlichen Belangen unterscheiden muss man die Frage der Gemeinnützigkeit: Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine rein steuerrechtliche Angelegenheit. Das hat auch eine gewisse innere Logik: Wenn ein Verein Geld einwirbt und Mitgliederbeiträge sowie eigene Arbeit in die Verfolgung eines Zwecks steckt, der gemeinnützig ist und den andernfalls der Staat mangels privater Initiative selbst verfolgen (oder wenigstens mehr dafür tun) und aus Steuermitteln finanzieren müsste, dann wäre es unangebracht, auf die zur Erreichung des betreffenden Zwecks eingeworbenen Mittel nochmals Steuern aufzuschlagen. Damit wären diejenigen, die diese Mittel aufgebracht haben, quasi doppelt besteuert worden. Weitere Privilegien sind mit der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit nicht verbunden. Es ist auch eine falsche Mär, dass Vereine nur "gemeinnützige" Zwecke verfolgen dürften. Im Grund darf ein Verein jeden Zweck verfolgen, der weder rechtswidrig ist noch gegen die guten Sitten verstösst.

Um wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Für die Frage, ob Untreue vorliegt, ist es letztlich ohne Bedeutung, ob gemeinnützige, gemeinwohlfördernde oder in der KRD-Diktion "gemeinwohlorientierte" (darüber habe ich schon mal ein paar Bemerkungen verloren) Zwecke verfolgt wurden oder nicht. Selbst eigennützige Zwecke wären erlaubt, sofern die Geldgeber im Wissen um diese Zwecke Geld gegeben und somit ausdrücklich oder doch durch das Geben an sich den Zwecken zugestimmt haben. Damit verkürzt sich die Frage der Untreue letztlich darauf, ob die eingeworbenen Mittel den erklärten Zwecken entsprechend verwendet wurden oder nicht.
Als Verteidiger Fatzkes würde ich wohl auch auf der Schiene "aber keiner fühlt sich geschädigt und alle sind ja einverstanden" fahren. Allerdings fragt sich eben nach wie vor, warum in der Werbung "sichere Anlagen" versprochen wurden, der Vergleich mit Banken gezogen wurde und "Sparbücher", "Anlageverträge" mit "qualifizierter Nachrangabrede" usw. ausgefertigt wurden. Mit der simplen Bezeichnung "Schenkung" hätte man ja ganz einfach ausdrücken können, dass der Empfänger frei über das Geld verfügen darf.

Ich versuche einmal nach dem hier erarbeiteten Kenntnisstand die heiklen Punkte zusammenzufassen:
1.) Vortäuschen nicht existierender Vereine,
2.) Kreditgeschäfte ohne Bewilligung bzw. gegen ausdrückliches Verbot,
3.) öffentlich und gegenüber einzelnen Geldgebern gemachte Zweckangaben, die nicht eingehalten wurden,
4.) und damit verbunden die Zweckentfremdung der eingeworbenen Gelder,
5.) mangelhafte bzw. fehlende Buchführung.
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #218 am: 13. November 2016, 17:18:33 »
Strafrechtlich eher von Interesse dürfte die Frage sein, wer die Geschäfte tatsächlich führte und die Entscheidungen fällte. Gab es einen gewählten "Vorstand", der aber passiv blieb, so könnte auch eine strafbare Unterlassung vorliegen, da ein Vorstand dazu berufen ist, die Geschäfte zu führen bzw. dort, wo sie z. B. an einen Einzelnen übertragen wurden, wenigstens wirksam zu überwachen.

Stimmt. Wenn Fitzek sich unberechtigterweise an Vereinskonten zu schaffen gemacht haben sollte, muß man dafür nicht nur ihm, sondern auch dem Vorstand die Ohren lang ziehen, der bspw. eine Bankkarte nicht rechtzeitig sperren ließ, um weitere Abhebungen zu verhindern.

Von den vereins- und strafrechtlichen Belangen unterscheiden muss man die Frage der Gemeinnützigkeit: Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine rein steuerrechtliche Angelegenheit. Das hat auch eine gewisse innere Logik: Wenn ein Verein Geld einwirbt und Mitgliederbeiträge sowie eigene Arbeit in die Verfolgung eines Zwecks steckt, der gemeinnützig ist und den andernfalls der Staat mangels privater Initiative selbst verfolgen (oder wenigstens mehr dafür tun) und aus Steuermitteln finanzieren müsste, dann wäre es unangebracht, auf die zur Erreichung des betreffenden Zwecks eingeworbenen Mittel nochmals Steuern aufzuschlagen.

Nicht nochmals, sondern überhaupt. Der Spender mindert mit der Bescheinigung seine private Steuerlast und die Einnahmen des Vereines werden nicht besteuert. Darüber hinaus können gemeinnützige Vereine Mittel aus öffentlichen Haushalten zugewiesen bekommen, wenn der Verein eben das in die Tat umsetzt, was die Stadt oder der Kreis damit fördern will.
Im Übrigen können Verstöße gegen steuerrechtliche Bestimmungen auch bestraft werden. Würde Fitzek in dem Zusammenhang etwas vorgeworfen, dann wäre das bei der Strafbemessung zu berücksichtigen.

Um wieder zum eigentlichen Thema zurückzukommen: Für die Frage, ob Untreue vorliegt, ist es letztlich ohne Bedeutung, ob gemeinnützige, gemeinwohlfördernde oder in der KRD-Diktion "gemeinwohlorientierte" (darüber habe ich schon mal ein paar Bemerkungen verloren) Zwecke verfolgt wurden oder nicht. Selbst eigennützige Zwecke wären erlaubt, sofern die Geldgeber im Wissen um diese Zwecke Geld gegeben und somit ausdrücklich oder doch durch das Geben an sich den Zwecken zugestimmt haben.

Und gerade daran habe ich meine Zweifel. Die Zeugenaussagen widerspiegeln doch nur die Einsicht in die von Fitzek geschaffenen Tatsachen. Bei der Einzahlung der Gelder ist den Leuten eine sichere Geldanlage und das Fördern einer guten Sache versprochen worden. Davon, daß Fitzek und seine Jünger das Geld verfuttern sollen, war nie die Rede.

Mit der simplen Bezeichnung "Schenkung" hätte man ja ganz einfach ausdrücken können, dass der Empfänger frei über das Geld verfügen darf.

Es hätte aber niemand einen Grund gesehen, Fitzek etwas zu schenken.
« Letzte Änderung: 13. November 2016, 17:23:44 von dtx »
 
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #219 am: 13. November 2016, 22:59:41 »
Auch hätten Schenkungen, zumindest die größeren, Schenkungssteuer ausgelöst.
Und das wollte sicher auch keiner.
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #220 am: 14. November 2016, 11:21:19 »
Auch hätten Schenkungen, zumindest die größeren, Schenkungssteuer ausgelöst.

Dazu § 20 ErbStG:

Zitat
(1) Steuerschuldner ist der Erwerber, bei einer Schenkung auch der Schenker, bei einer Zweckzuwendung der mit der Ausführung der Zuwendung Beschwerte und in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 die Stiftung oder der Verein. In den Fällen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 und § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ist die Vermögensmasse Erwerber und Steuerschuldner, in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ist Steuerschuldner auch derjenige, der die Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat.

Da sollte sich die Steuerfahndung vielleicht Akteneinsicht gewähren lassen und die Protokolle der Zeugenbefragungen studieren ...
« Letzte Änderung: 14. November 2016, 11:23:50 von dtx »
 
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #221 am: 14. November 2016, 11:45:59 »
Wo faktisch nichts zu holen ist, da in der Regel auch keine Steuerfahndung. Da fehlt das Personal.
Ermittlungen nur wegen der strafrechtlichen Relevanz sind selten.
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #222 am: 14. November 2016, 11:58:13 »
Daß bei den Anlegern, die ihre Einzahlungen jetzt nachträglich in Schenkungen umdeklariert haben und demzufolge Steuerschuldner werden, nichts zu holen sein würde, halte ich nicht für ausgemacht. Gibt es dafür Anhaltspunkte?
 
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #223 am: 14. November 2016, 12:22:44 »
Ob da etwas zu holen ist oder nicht muss bei der Behörde nicht unbedingt im Vordergrund stehen.

Zu beachten ist nämlich, dass eine Entscheidung eines Strafgerichtes keine Bindungswirkung für eine mögliches Steuerverfahren entfaltet. Etwaige Feststellungen im Urteil des Landgerichtes, es hätten Schenkungen vorgelegen, erwachsen nicht in Rechtskraft.

In einem Steuerverfahren - sollte es wirklich dazu kommen - werden die Anleger daher die Linie "Geldanlage mit Risiko eines Totalverlustes" fahren können. Der zivilrechtliche Begriff der "Schenkung" deckt sich auch nicht vollständig mit dem Begriff der "Schenkung" im Steuerrecht.
   
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Re: Fitzeks Prozess vor dem Landgericht Halle
« Antwort #224 am: 14. November 2016, 14:24:23 »
Ob da etwas zu holen ist oder nicht muss bei der Behörde nicht unbedingt im Vordergrund stehen.

Der Hinweis von @hair mess wäre durchaus zutreffend, wenn ein Steuerschuldner bekanntermaßen insolvent ist und demnächst die Löschung wegen Vermögenslosigkeit ansteht. Fitzek hat aber keine P-Konten geführt, sondern Leute als Kundschaft gehabt, die ein paar Tausender erübrigen konnten.

In einem Steuerverfahren - sollte es wirklich dazu kommen - werden die Anleger daher die Linie "Geldanlage mit Risiko eines Totalverlustes" fahren können.

Bevor man wieder eine Wundertüte in der Schweiz kauft, ist es einfacher, einen Inspektor und zwei Schreibkräfte ans LG zu schicken und Kontrollmitteilungen schreiben zu lassen. Dann schauen die Veranlagungsbezirke, ob das Geld offiziell verdient wurde und ihnen da nicht irgendwo Ertragssteuern entgangen sind. Ob dann auch noch Schenkungssteuerfälle rauskommen und jemand zur Abgabe der Steuererklärung aufgefordert wird (die Freibeträge sind ja nicht gerade üppig) wird man sehen.
Dann kommt das Übliche zum Tragen: Zittert einer wie Espenlaub, wenn Post vom Finanzamt kommt, läßt er sich beraten und wenn ja, von wem ...