Auch mein Eindruck ist, dass die "Unterhäusler", wenn ich sie einmal so nennen darf, die EU nicht ernst nehmen. Die Verlängerung wurde unter dem Vorbehalt gewährt, dass das Unterhaus dem ausgehandelten Abkommen zustimmt. Das müsste diese Woche geschehen, dann würde Aufschub bis 22. Mai gewährt, damit das Abkommen auch ordentlich umgesetzt werden kann (wobei streng genommen ja die Ratifizierung danach auch noch stattfinden muss).
Nun ist mir aus der Berichterstattung nicht völlig klar geworden, was andernfalls geschehen solle: Man kann die Berichte so verstehen, dass GB verbindlich bis 12. April mitteilen müsse, welche Alternative gewünscht werde, falls das Abkommen diese Woche nicht angenommen würde. Man konnte aber auch herauslesen, dass die EU keine weitere Verlängerung bewilligen werde, wenn eben das Abkommen nicht angenommen würde. Vielleicht wurde das auch gar nicht so ausdrücklich und genau gesagt. Diplomatie.
Jedenfalls wird das Abkommen diese Woche wohl nicht genehmigt werden, da darüber noch nicht einmal abgestimmt wird. Bercows Präzedenzfall ist bisher immer noch unwidersprochen geblieben, somit darf eine dritte Abstimmung also zumindest vorerst gar nicht angesetzt werden. Auch eine zustimmungswillige Mehrheit ist bisher nicht auszumachen.
Dass nun auf die Person gespielt und Zustimmung gegen Mays Rücktritt signalisiert wird, halte ich für bizarr. Das Abkommen wird ja durch Mays Rücktritt nicht besser und nicht schlechter, überhaupt nicht anders. Wollte man May weghaben, müsste das Unterhaus nur ein Misstrauensvotum verabschieden. Eine Verknüpfung zwischen Sach- und Personalpolitik halte ich ohnehin für verfehlt.
Wenn nun wieder Anträge gestellt werden, die ein zweites Referendum vorschlagen oder das Aushandeln irgendwelcher Abkommen, die erst einmal mit der EU verhandelt werden müssten, bewegen sich solche Vorstellungen weit über den Zeitraum hinaus, den die EU zur Verschiebung gebilligt hat. Da kann ich eigentlich nur Wunschdenken erkennen.
Grundsätzlich gibt es natürlich zwei Wege, die künftigen Beziehungen zwischen GB und der EU zu regeln: Der eine Weg ist der, den Art. 50 EUV vorzeichnet: Man handelt es Abkommen aus, das die Modalitäten des Austritts und (zumindest in Grundzügen) das künftige gegenseitige Verhältnis regelt. Das wurde ja gemacht, fand aber keine Gnade vor dem Unterhaus.
Der zweite Weg ist der, dass GB austritt, alle aus der EU-Mitgliedschaft folgenden rechtlichen Verbindungen erst einmal kappt und dann mit der EU über die gegenseitigen Beziehungen verhandelt. Auch das kann man machen, es bringt aber eine Reihe von Nachteilen mit sich und eine lange Phase der Unsicherheit. Aber wenn man es will, kann man es auch so machen.
Nur wäre es eben nett gewesen, das rechtzeitig klar zu sagen.