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KEYSTONE/AP/VIRGINIA MAYO
(sda-ats)
Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat nach Gesprächen in Brüssel vor einem Brexit ohne Austrittsabkommen gewarnt. Premierministerin Theresa May warf er vor, auf Zeit zu spielen.
"Die Gefahr eines No-Deal-Austritts Grossbritanniens aus der EU ist sehr ernst und gegenwärtig", sagte der Labour-Chef nach einem Treffen mit EU-Unterhändler Michel Barnier am Donnerstag. Er bekräftigte seinen Vorschlag, dass Grossbritannien in einer Zollunion mit der EU und an den europäischen Binnenmarkt gebunden bleibt.
Corbyn warf Premierministerin May vor, vor dem Austrittsdatum am 29. März "auf Zeit zu spielen", indem sie "an ihrem Deal" festhalte und als Alternative nur den Brexit ohne Abkommen biete. May dürfe sich nicht weiter "von einer kleinen Gruppe in ihrer Partei als Geisel nehmen lassen". Sonst drohe ein chaotischer Brexit mit Jobverlusten und der Unterbrechung von Lieferketten in vielen Wirtschaftsbereichen wie der Nahrungsmittelindustrie.
Das britische Unterhaus hatte das mit der EU ausgehandelte Austrittsabkommen Mitte Januar klar abgelehnt und rechtlich bindende Nachbesserungen an dem Vertrag gefordert. Dies lehnt die EU ab. Brexit-Hardliner in Mays konservativer Partei sind wiederum gegen einen Verbleib in einer Zollunion, weil dies aus ihrer Sicht eine eigene Handelspolitik Grossbritanniens ausschliessen würde.
Corbyn sagte dazu, es werde "natürlich ein Mitspracherecht" Londons zu Handelsabkommen innerhalb einer Zollunion geben. Er glaube, dass sich die meisten Briten darüber klar seien, dass nun "intelligente, sinnvolle und praktikable" Lösungen für Grossbritanniens Zukunft nötig seien.
Wenn Corbyn das wirklich so oder doch wenigstens ähnlich gesagt hat, ist er ebenso ein Träumer wie die anderen Politiker, die sich ihre Wunschlösungen herbeifantasieren. Die EU hat doch klar gemacht, dass es entweder dieses oder eben kein Abkommen geben werde, hat Nachverhandlungen ausgeschlossen, hat auch in vielen anderen Fällen klar gestellt, dass es Mitspracherechte eben nur für Mitglieder geben werde (ja, das ist ja auch in jedem Kaninchenzüchterverein so, dass nur Mitglieder auch mitentscheiden können) usw.
Labour hätte den "sauren Apfel" auch schlucken und dem Austrittsabkommen zustimmen können, mit den Stimmen der Conservatives hätte es für die Annahme gereicht. Das wollten aber anscheinend weder Corbyn noch die übrigen Labbour-MPs. Nun darüber zu jammern, dass ein ungeregelter Brexit drohe, ist, Verzeihung!, etwas geheuchelt, zudem kommt Corbyn diese Erkenntnis augenscheinlich sehr spät. Dass es dazu kommen könnte, zeichnete sich m. E. schon im vergangenen Herbst ab, dass es wahrscheinlich dazu kommen wird, schien mir schon klar, als die Verschiebung der Abstimmung des Unterhauses über das Austrittsabkommen auf Januar 2019 bekannt gegeben wurde. Mit jedem Tag, der ungenutzt verstreicht, wird der ungeregelte Brexit wahrscheinlich - und chaotischer. Wenn man wenigstens gezielt daran arbeitete, wäre vielleicht das Eine oder Andere noch zu retten. Auch ohne Abkommen könnte man sich z. B. über Fragen des gegenseitigen Zoll- und Grenzregimes, über Warenpapiere, Visa, Pässe, Führerscheine usw. verständigen oder wenigstens festhalten, welche Regeln ab 30. März anwendbar sind. Das würde immerhin etwas mehr Klarheit schaffen, man könnte sich darauf einstellen. Aber so droht wirklich das Chaos.