Seid ihr eigentlich sicher, dass das HoC anstelle Borisboy einfach so einen anderen PM einsetzen kann?
"Einfach so" nicht. Der jetzige muß nur in einem Mißtrauensvotum unterliegen. Dann hat das HoC 14 Tage Zeit, eine Regierung aufzustellen, die das Vertrauen des Parlaments genießt. Anderenfalls gibt es Neuwahlen
Der Witz ist leider, daß Corbyn, der ebenso für den Brexit ist, aber nur nicht für einen ungeregelten, meinte, er habe per Wahl seiner Parteimitglieder dann ebenso zwangsläufig in No. 10 einzuziehen, wie man das bei Bobbele gesehen hat.
Insofern ist es schon etwas seltsam, wenn Corbyn an Johnson moniert, nicht auf regulärem Wege PM geworden zu sein. Und es ist noch seltsamer, daß ausgerechnet Corbyn mit seiner Sturheit Bobbele im Amt hält. Die Frage des Mißtrauensvotums kam ja schon auf, bevor Bobbele die 21 aus der Fraktion schmiß. Aber weder die LibDems noch die später geschaßten Tories wollten den alten Trotzkisten in No. 10 sehen, noch wollte der zugunsten einer der Alternativen zurückstecken, auf die sich schon damals eine Mehrheit des Parlaments hätte einigen können.
Die Möglichkeiten, die die Regularien bieten, sind das eine, was die Leute dann daraus machen, etwas ganz anderes.
Die britische Verfassung ist mir ein großes Rätsel, aber der PM scheint mir von der Queen eingesetzt zu werden. Und das kann dauern, besonders wenn die Verhältnisse verworren sind.
Daran ist dann aber nicht die Queen schuld. Die ernennt denjenigen, der ihr vom Parlament nach einer positiven Vertrauensabstimmung präsentiert wird.
Wär halt blöd, wenn die Insel dann einfach ohne PM durch den Brexit segelt.
Das passiert nicht. Die letzte Regierung bleibt solange im Amt, bis es eine neue gibt. Im Falle Bobbeles wird man da wohl noch die Einschränkung "mindestens" einfügen müssen, denn es wurde ja schon darüber diskutiert, daß er sich als Hausbesetzer einnisten könnte.
Einen Gedanken zum Urteil des High Court in England möchte ich allerdings teilen: Der High Court sagt im Kern, dass eine Prorogation des Parlaments immer eine politische Frage sei und daher von der Judikative nicht auf seine Verfassungskonformität überprüfbar. Es gäbe gar keine Maßstäbe, an denen man prüfen könne, ob die Prorogation verfassungswidrig sei. Ob so ein Argument logisch und intellektuell haltbar ist, kann man manchmal gut testen, indem man ein Extrem annimmt.
Nehmen wir an, der Premierminister will das Parlament für 10 Jahre per Prorogation stillegen und die Queen stimmt zu. Nach dem Urteil des englischen High Court wäre auch diese Entscheidung schlicht einer Nachprüfung durch die Gerichte entzogen.
Nun, meines Wissens war dem nordirischen Gericht eine andere Frage vorgelegt worden, nämlich die, ob - wie das einschlägig tätige Wissenschaftler sehen - der von der Regierung angestrebte No-Deal-Brexit gegen das Karfreitagsabkommen verstoße. Es wäre schon ganz nett zu wissen, ob ich da ein anderes Verfahren übersehen habe oder ob das jetzt zugunsten Bobbeles durch ist.
Was die Prorogation anbelangt, ist das m. E. Ausfluß der Sichtweise. Wenn sich das Gericht nur die Frage stellt, stellen muß bzw. stellen kann (je nach dem, wie die Klage formuliert ist), ob eine Prorogation an sich zulässig ist oder nicht, braucht da nicht viel Hirnschmalz investiert zu werden. Womöglich könnte man so auch zu dem Schluß kommen, daß das Fixed-Term-Gesetz eine Regelungslücke aufweise und erst wieder gewählt werden müsse, wenn der PM verstorben ist und mit dem Verkünden seiner Regierungserklärung nicht mehr ernsthaft gerechnet werden kann.
Die schottischen Richter dürften aber nicht eine Prorogation an sich in Frage gestellt haben, sondern die zum Zwecke der Entmachtung des Parlaments mißbrauchte.
Irgendwo muss es eine Grenze geben, ab der eine Prorogation verfassungswidrig unzulässig ist und dies muss durch die Judikative festgestellt werden können.
Verfassungswidrig ist nicht gleich unzulässig mit der Folge, daß der Zustand nicht hingenommen werden könne, wie Du selbst schon geschrieben hast. Deswegen meinte Phil, es wäre zweckmäßig gewesen, diese Frage in einem Gesetz zu regeln. Das funktioniert aber nicht mehr für eine Prorogation, die die Queen schon genehmigt hat.