Könnte man nicht argumentieren, dass der Tötungsversuch deshalb stattgefunden hat, um den Hausfriedensbruch zu ermöglichen und somit ein Mordmerkmal vorliegt?
Können kann man schon, aber ob man damit durchdringt?
Nach deutschem Strafrecht zerfällt Hausfriedensbruch in zwei Unterfälle: Erstens begeht Hausfriedensbruch, wer in einen befriedeten Raum eindringt. Dies scheidet hier schon mal aus, weil Familie Ursache ja legal in dem Haus und auf dem zugehörigen Grundstück gewohnt hat, also nie eingedrungen ist.
Zweitens begeht Hausfriedensbruch, wer trotz Aufforderung eines Berechtigten weiter in einem befriedeten Raum
verweilt.
Hier stellt sich nun die Frage, ob bei Familie Ursache eine solche Aufforderung eines Berechtigten vorlag und ob sie daher widerrechtlich weiter im Haus
verweilte oder nicht.
Im Blick auf Mieter, die nach Erlöschen des Mietverhältnisses in einer Wohnung bleiben, was häufig vorkommt, wird das Vorliegen von Hausfriedensbruch eher verneint. Zumindest ist es umstritten.
Ob diese Ansicht auf ehemalige Eigentümer übertragbar sei, dürfte zumindest diskutabel sein.
Eine - nachvollziehbare - Argumentation geht dahin, dass der Eigentümer nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erwerb des Besitzes, also auf die tatsächliche Inbesitznahme hat, aber Besitz und damit das Hausrecht erst durch die Übergabe bzw. durch Räumung erhält. So lange er aber nicht Besitzer ist, kann er auch nicht Berechtigter im Sinne des Hausfriedensbruches sein. Dann läge schon deswegen kein Hausfriedensbruch vor.
Gehen wir aber davon aus, dass Familie Ursache tatsächlich Hausfriedensbruch begangen habe, indem sie widerrechtlich im Haus verweilte. Nun stellt sich die Frage, ob Ursache durch sein Handeln in Verbindung mit dem Hausfriedensbruch ein Mordmerkmal erfüllt habe.
Den einzigen Anknüpfungspunkt in der Definition des Mordes sehe ich in der Ermöglichung oder Vertuschung einer anderen Straftat. Von Vertuschung kann hier keine Rede sein, denn es war ja offensichtlich, dass Familie Ursache nicht ausgezogen war, sondern weiter im Haus und auf dem Grundstück blieb, zudem hatte Ursache selbst mehr als deutlich gemacht, dass sie freiwillig nicht gehen würden. Von "Vertuschung" kann somit wirklich nicht die Rede sein.
Somit bleibt zu fragen, ob die Schussabgabe mit Tötungsabsicht dazu diente, den Hausfriedensbruch zu ermöglichen. Da sich das Verfahren hinzog und Familie Ursache Monate lang auch nach rechtskräftigen Entscheidungen, die sie zum Auszug verpflichteten, wohnen blieb, kann man nicht behaupten, dass die finale Schussabgabe das Begehen des Hausfriedensbruchs erst ermöglicht habe. (Im Gegenteil war dies, hm, der Anfang vom Ende.)
Nun stellt sich aber dieser Fall, wenn man von begangenem Hausfriedensbruch ausgeht, als "Dauerdelikt" dar. Sprich: Familie Ursache wohnte über einen längeren Zeitraum ununterbrochen dort, obwohl sie dazu nicht mehr berechtigt war. Da sie aber vorher dort schon wohnte und dazu auch berechtigt war, musste sie auch nichts "ermöglichen".
Hier stellt sich nun also eigentlich nur die Frage, ob "ermöglichen" auch im Sinne von "das begonnene Delikt weiterführen" verstanden werden kann.
Insgesamt scheinen mir da etwas viele Wenns im Spiel zu sein.
Man kann, wie es die StA getan hat, auf der Schiene "niedrige Beweggründe" fahren; ob diese zum Ziel führt, wird sich zeigen. Ich kann mir auch vorstellen, dass man auch auf der Schiene "Habsucht" (etwas behalten wollen, was man aus eigener Schuld verloren hat) zu fahren versuchen könnte.
Es wird gewiss andere Meinungen geben, die sich ebenso gut begründen lassen.