Der Umgang mit "rechts" ist einfach schwierig. "Einzeltäter" und "Einzelfälle" sind ja auch viel einfacher und man kann viel besser mit ihnen umgehen.
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Rezension „der rechte rand“ – Immer wieder Einzeltäter
Deutsche Rechtsterrorist*innen handeln alleine, glaubt man den Behörden. Immer wieder werden Netzwerke und Verbindungen ignoriert. Wenn überhaupt – meist viel zu spät – ein rechtsextremes Motiv ermittelt wird. Die aktuelle Ausgabe des Magazins „der rechte rand“ wirft ein Schlaglicht auf Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik und macht deutlich, wie Sicherheitsbehörden und Gerichte über Jahrzehnte hinweg immer wieder die gleichen Fehler begehen. Ein Blick ins Heft.
Das jahrelange Mammutverfahren gegen Beate Zschäpe und einige Unterstützer des NSU wurde von vielen Seiten kritisiert. Das Unterstützer*innen-Netzwerk der Terrorgruppe wurde praktisch ignoriert, trotz klarer Verbindungen in die unterschiedlichsten rechtsextremen Szenen. Jahrelang erkannten die Sicherheitsbehörden nicht, was hinter der Mordserie steckte und konstruierten in guter Zusammenarbeit mit Medien die sogenannten „Döner-Morde“. Ermittelt wurde im Umfeld der Opfer und deren Familien, nicht bei Neonazis. Die Verbindungen zum Verfassungsschutz wurden im Prozess ignoriert und in der Urteilsbegründung findet sich keine Erwähnung der Opfer. Die neue Ausgabe des Magazins „der rechte rand“ macht deutlich: Dieser Umgang mit rechtem Terror ist nichts neues.
Durch das ganze Heft zieht sich die Erkenntnis, dass Sicherheitsbehördden rechtsextreme Netzwerke ignorieren. In der Vergangenheit und auch heute noch. Die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Die Linke) arbeitet zum Beispiel Waffenfunde auf, die es immer wieder in die Schlagzeilen schaffen. 2018 wurden 1.091 Waffen in Zusammenhang mit rechten Straftaten sichergestellt. Bei den Razzien gegen die Gruppe „Nordkreuz“ fanden Beamte 50.000 Schuss Munition. Bei einem Mann aus Niedersachsen wurden neben einer Reichskriegsflagge und NS-Andenken Panzerfaustköpfe, ein Maschinengewehr, mehrere Kilo Sprengstoff und Chemikalien gefunden. Viele dieser Funde stammen aus Beständen der Bundeswehr. Das dort in den Waffenlagern Lücken zu bestehen scheinen, fällt den Behörden eher langsam oder einfach gar nicht auf, so Renner. Denn offenbar werden verschwundene Waffen und Munition in der Regel als einfacher „Verlust“ behandelt und nicht als Diebstahl. Anzeigen werden nur im einstelligen Bereich aller Fälle erstattet. Haftbefehle gegen die Waffenfreunde wird ebefalls nur in den seltensten Fällen erlassen. Anklage wird zwar in der Regel erhoben, bis es zum Prozeß kommt, dauert allerdings. Und selbst wenn es soweit ist, werden aus den potentiellen Rechtsterrorist*innen, die sich per Chat auf den Tag X vorbereiten, an dem endlich der Löschkalk ausgepackt werden kann, nur noch unpolitische Waffennarren.
Ähnliches hat auch Christina Schmidt beobachtete, sie ist Teil des Rechercheteams der taz, das die Hintergründe von „Nordkreuz“ und „Uniter“ überhaupt erst aufgedeckt hat. Nach aufwändigen, jahrelangen Recherchen seiht die Journalistin immerhin etwas Bewegung in den Behörden. Im Interview sagt sie: „Sowohl BKA als auch Bundesamt für Verfassungsschutz sagen jetzt: Das können alles Einzelfälle sein, sind aber etwas viele Einzelfälle. Das heißt, die befassen sich damit.“ Die Mühlen der Behörden mahlen offenbar langsam. Das ist besonders beängstigend weil es sich gerade bei diesen Gruppen keineswegs um Amateure handelt, die Krieg spielen wollen, sondern vielmehr um Polizist*innen, ehemalige Soldat*innen und andere Mitarbeiter*innen der Sicherheitsbehörden. Wie soviele Beiträge im aktuellen „rechten rand“ erhöht auch dieser nicht das Vertrauen in die Behörden und macht wenig Hoffnung auf eine nachhaltige, sinnvolle und vor allem rigorose Strategie gegen die angeblichen „Einzelfälle“.
Das Heft zeigt aber eben leider auch, dass der merkwürdige laxe Umgang mit Rechtsterrorismus in der Bundesrepublik eine Geschichte hat. So ist beispielsweise das Oktoberfestattentat vom 26.09.1980 – immerhin der schlimmste Terrorakt der deutschen Nachkriegsgeschichte mit 13 Toten und 213 Verletzten – bis heute nicht aufgeklärt. Genausowenig wie der Mord an dem Verleger und Rabbiner Shlomo Lewin und seiner Partnerin Frida Poeschke am 19. Dezember 1980. In beiden Fällen existierten klare Verbindungen zur „Wehrsportgruppe Hoffmann“ (WSG). Barbara Manthe, eine Historikerin, die an der Hochschule Düsseldorf zu Rechtsextremismus forscht, zeichnet die Geschichte dieser und anderer rechten Terrorgruppen aus der alten Bundesrepublik detailliert nach. Die Parallelen zu aktuellen Fällen ist dabei frappierend: V-Personen, weggeschlossene Akten und unzureichende Ermittlungen.
Und auch der Umgang mit den Opfern und ihren Familien ist in den dazwischenliegenden Jahrzehnten nicht besser geworden. Am Beispiel des ermordeten Rabbiners Lewin und seiner Lebensgefährtin zeigen Line Fuchs, Anthea Fischer und Paul Sammler von der „Initiative kritisches Gedenken Erlangen“ wie wenig sich in den fast 40 Jahren seit den Morden verändert hat. Genau wie beim NSU, suchten Ermittler lieber nach persönlichen Verfehlungen Lewins und waren sich zu schade, das Begräbnis des Rabbiners in Haifa zu beschatten. Dabei machten auch die Medien mit, die „haltlose Gerüchte über geheimdienstliche Tätigkeiten und Spekulationen über seine angeblich ‚schillernde Persönlichkeit‘“ abdruckten, statt die rechtsextremen und antisemitischen Hintergründe der Tat zu beleuchten. Aber warum auch, wenn das Gericht doch genauso verhandelte. Der Täter Uwe Behrendt war in der WSG organisiert. Deren Chef Karl-Heinz Hoffmann half Behrendt nicht nur dabei die Tatkleidung zu vernichten, sondern unterstütze auch seine Flucht in den Libanon. Von der Mittäterschaft wurde Hoffmann allerdings freigesprochen: „In seiner Vernehmung etablierte Hoffmann eine Selbsterzählung, der zufolge er weder Neonazi noch Antisemit sei. Seine Inszenierung war erfolgreich. Im Urteil des vorsitzenden Richters Rudolf Koob spielte Antisemitismus als Tatmotiv keine Rolle.“ Und auch V-Leute spielten damals bereits eine Rolle. Genau wie im NSU-Komplex wollten die Behörden darüber lieber nicht sprechen. Die entsprechenden Akten sind bis heute nicht freigegeben.
Die Mehrheitsgesellschaft hatte sich ohnehin lange nicht für den Doppelmord interessiert. Öffentliches Gedenken versandete in Erlangen schon in den 1980ern. Erst 2010, 30 Jahre nach der Tat wurde eine Freifläche in „Lewin-Poeschke-Anlage“ umbenannt: „Doch den gesellschaftspolitischen Kontext der Tat sparte der damalige Oberbürgermeister Siegfried Balleis in seiner Einweihungsrede vollkommen aus. Am Straßenschild der Lewin-Poeschke-Anlage fehlte zunächst sogar jeglicher Hinweis darauf, wer Shlomo Lewin und Frida Poeschke waren“.
Wie enttäuschend, verletzend und entwürdigend der Umgang mit den Opfern des Rechtsterrorismus und ihren Hinterbliebenen ist, macht ein Beitrag von Elif Kubaşık, der Witwe des vom NSU ermordeten Mehmet Kubaşık klar. Kubaşık beschreibt ihre Gedanken und Gefühle, als das Urteil gegen Zschäpe und ihre Mitangeklagten verlesen wurde: „Ich habe nicht verstanden, warum wir Ihnen kein Wort wert waren, warum Sie nicht mehr als die Anzahl der Schüsse erwähnten, mit denen Mehmet ermordet worden ist. Sie hatten mich doch sogar im Zeugenstand gefragt, was er für eine Persönlichkeit gewesen war, was der Mord bei uns angerichtet hat.Ich habe nicht verstanden, warum Sie unsere Fragen nicht wenigstens in Ihrem Urteil erwähnt haben. Warum hatten Sie nicht einmal genug Respekt, uns zu erklären, warum diese Fragen in Ihrem Verfahren und in Ihrem Urteil keinen Platz hatten?“
Die Polizei in Berlin agiert einfach (immer) vorbildlich, nicht nur bei unserem Entenkasper.
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Reporterin am 1. Mai in Kreuzberg von Uniformiertem geschlagen „Ich habe Angst, sobald ich viele Polizisten sehe“
Ein Polizist hat am 1. Mai eine Reporterin geschlagen. Sie fordert 10.000 Euro Schmerzensgeld. Ihr Kollege zog seine Anzeige zurück. Eine Spurensuche. Lotte Laloire Pia Masurczak
Die am 1. Mai in Kreuzberg verletzte Journalistin Lea R. fordert 10.000 Euro Schmerzensgeld von der Berliner Polizei. Während eines Einsatzes in der Oranienstraße soll ein Polizist der Kameraassistentin einen gezielten Faustschlag ins Gesicht versetzt haben.
Als sie wieder zu sich kam, waren ihr Gesicht voller Blut, ihre Schneidezähne abgebrochen, das Nasenbein geprellt. Tagelang hatte sie Kopf- und Kieferschmerzen. Nächtelang konnte sie nicht schlafen, sagt die 22-Jährige.
Wie sich nun herausgestellt hat, sind ihre Verletzungen schwerer als bisher bekannt: Insgesamt sieben ihrer Zähne seien beschädigt. Laut dem medizinischen Gutachten, das dem Tagesspiegel vorliegt, weisen mindestens drei davon Risse auf.
Diese spätere Diagnose sei „ein erneuter Schock“ gewesen, sagt R. „Das hat mir noch mal so richtig den Boden unter den Füßen weggezogen.“ Sie und ihr Anwalt fordern in einem am Dienstag an die Polizei übersandten Brief deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro.
Hinzu komme der Schadensersatz für die Behandlungskosten. Unklar sei, ob sich ihre Schneidezähne überhaupt retten lassen. Es werde eine „aufwendige Schmelzätztechnik und Mehrschichtfüllungstherapie“ durchgeführt, heißt es in dem Gutachten. Sollte diese nicht zum Ziel führen, müssten Prothesen eingesetzt werden.
Polizei leugnet, Tatverdächtigen gefunden zu haben
In der Zwischenzeit soll der Tatverdächtige aus der 15. Einsatzhundertschaft angeblich ausfindig gemacht worden sein, wie R. aus Polizeikreisen erfahren haben will. „Diese Quelle ist zuverlässig“, sagt die Fernsehjournalistin.
Ein Sprecher der Berliner Polizei will zunächst nicht bestätigen, dass der Verdächtige gefunden ist, und verweist auf dessen Rechte als Beschuldigter. Das Fachdezernat für Polizeidelikte stehe noch „ganz am Anfang der Ermittlungen“, sagt er. Erst auf wiederholte Nachfrage widerspricht er: „Nein, wir haben ihn bisher nicht finden können.“
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Dabei leugnet die Behörde nicht, dass der Schläger ein Polizist war. Andere Beamte, die zur selben Einsatzgruppe gehören dürften, hatten der blutenden R. direkt danach erste Hilfe geleistet.
Strafanzeige wegen „gefährlicher Körperverletzung“
Trotzdem seien vor Ort nicht einmal die Personalien des Tatverdächtigen festgestellt worden, kritisiert R.s Anwalt in seinem Schreiben. Seine Mandantin habe zudem Strafanzeige wegen „gefährlicher Körperverletzung“ erstattet.
Wie oft in solchen Fällen gibt es auch in diesem eine Vielzahl an Zeugen. Im Auftrag der Agentur Nonstopnews war R. in einem Team mit sechs Kollegen unterwegs.
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Einer davon ist Kameramann Paul J. Er stand in der fraglichen Situation ungefähr drei Meter von R. entfernt. Den Blick auf das Restaurant „Kreuzburger“ gerichtet, filmt er gerade noch, wie sich Uniformierte auf einen herumstehenden Mann stürzen und ihn festnehmen. Es gibt Geschrei, die Kamera schwenkt Richtung Lea R. Dann gibt es einen Ruck. Zu sehen sind nur noch Beine, Gewackel und Asphalt.
Auch Kameramann habe Schlag abbekommen
J. hätte den Faustschlag gegen seine Kollegin beinahe im Bild gehabt – hätte er nicht in diesem Moment selbst einen Schlag abbekommen. „Mir wurde stärker auf den Hinterkopf gehauen“, schreibt er in der Anzeige, die er gleich am nächsten Tag über das Onlineformular der Polizei erstattet. Anschließend sei er „Richtung Boden gedrückt und zur Seite weggestoßen worden“.
Doch nach seinem Termin beim Landeskriminalamt (LKA) hat der Kameramann seine Anzeige zurückgezogen. Wie es dazu kam, wollten weder der LKA-Beamte noch die Pressestelle der Polizei erklären.
J. zieht Anzeige zurück
„Ich kann das einfach nicht nachvollziehen“, sagt Lea R. Angst, künftig nicht mehr die für Journalisten wichtigen Informationen über Polizeieinsätze zu erhalten, wenn er eine Anzeige erstattet, spielte keine Rolle, sagt J. „Ich hab einfach keinen Bock auf Stress.“
Der 22-Jährige verwendet auch Formulierungen wie „Behinderung eines Polizeieinsatzes“. Sind das seine eigenen Worte? „Nein, das hat der Polizist so genannt.“ Doch wie hätten J. und sein Team die Festnahme eines Mannes zugleich filmen und behindern sollen? „Außerdem haben wir sehr darauf geachtet, denen nicht im Weg zu stehen“, sagt er.
Keine "bleibende Schäden" erlitten
Der LKA-Beamte, dessen Name dem Tagesspiegel bekannt ist, habe dann noch wissen wollen, ob J. „bleibende Schäden“ erlitten habe, erzählt er. Als der Kameramann das verneinte, habe der Polizist gefragt, warum er dann Anzeige erstatten wolle. J. sagt, er habe dann zugestimmt, dass seine Schilderungen lediglich als Zeugenaussage für die Anzeige seiner Kollegin genutzt werden – und dass er nicht selbst Anzeige erstattet.
Dabei könnte der Schlag auf seinen Kopf auch ohne bleibende Schäden rechtswidrig gewesen sein. Außerdem könnte der Kameramann dadurch zu Unrecht bei der Ausübung der Pressefreiheit eingeschränkt worden sein.
War mehr als nur ein Beamter involviert?
Es dürfte mehr als nur ein Beamter in den Fall involviert gewesen sein. Hatte sich eine Gruppe von Polizisten abgesprochen, das Presseteam anzugreifen?
Diesen Eindruck bestätigt auch der leitende Redakteur von Nonstopnews, Julian Stähle, der im Moment des Angriffs rechts von seinem Team stand. Er zählt mindestens sechs Beamte, die gegenüber vier seiner Kollegen körperlich geworden seien. Ihn selbst hätten zwei Polizisten unter die Arme gefasst, hochgehoben, umgedreht und etwas weiter weg wieder abgestellt.
Auf einen anderen seiner Mitarbeiter hätten sich zwei weitere Uniformierte gestürzt, sagt Stähle. „Das war fast schon witzig, weil die sich dabei im Kabel der Tonangel verheddert haben und es eine ganze Weile gedauert hat, bis die sich daraus wieder befreien konnten“, berichtet er. Einer der Journalisten habe den Beamten dabei sogar noch geholfen.
Tonangel zerbrochen und Tonmischgerät demoliert
Durch den Angriff sei die Tonangel zerbrochen und das Tonmischgerät von Lea R. demoliert worden. Fragen des Tagesspiegels zu weiteren beteiligten Beamten lässt die Polizei unbeantwortet.
Weshalb sechs Beamte ihn und sein Team derart „angegangen“ haben könnten, obwohl – wie die Aufnahmen zeigen – die Festnahme des Mannes bereits erfolgt war, ohne dass die Journalisten dabei gestört hätten, erklärt der erfahrene Blaulichtreporter so: „Das sage ich jetzt in aller Deutlichkeit: Die Polizei ist nicht an schlimmen Bildern interessiert.“
Lea R. fordert vernünftige Aufarbeitung ihres Falls
Lea R. fordert, „dass der Fall aufgearbeitet wird. Und zwar vernünftig“. Mehrfach sagt sie: „Ich habe immer sehr viel von der Polizei gehalten.“ Das habe sich nach dem 1. Mai geändert. „Bei mir kommt Angst hoch, sobald ich irgendwo viele Polizisten auf einem Haufen sehe“, sagt die gelernte Tontechnikerin. Erst neulich am Alexanderplatz sei sie einen Umweg gelaufen, um nicht an der Polizeistation vorbei zu müssen.
Ob die tatverdächtigen Beamten vom Dienst suspendiert sind, bis die Ermittlungen abgeschlossen sind, beantwortet auch die Pressestelle von Innensenator Andreas Geisel (SPD) auf Nachfrage nicht.
Zig Kolleginnen und Kollegen hätten von ähnlichen Erfahrungen erzählt
„Von Geisel gab es vorher ja noch die Ansage, dass dieses Jahr am 1. Mai besonders hart vorgegangen wird“, erinnert sich Lea R. Sie wünscht sich eine größere Debatte über Polizeigewalt. „Nach diesem Vorfall haben mir zig Kolleginnen und Kollegen von ähnlichen Erfahrungen erzählt.“
Bei dem Faustschlag gegen R. handelt es sich nicht um einen Einzelfall. In Deutschland laufen jedes Jahr 2300 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte wegen gewalttätiger Übergriffe, wie eine Studie der Ruhr-Universität herausfand.
Forschende vermuten fünfmal so hohe Dunkelziffer
Hinter diesen offiziellen Zahlen vermuten die Forschenden zudem eine fünfmal so hohe Dunkelziffer. Viele Betroffene erstatteten gar nicht erst Anzeige, weil sie sich nichts davon erhofften, heißt es im Zwischenbericht des Projekts „Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen“. Und nur 1,97 Prozent dieser Gewaltdelikte werden überhaupt vor Gericht verhandelt.
R.s Anwalt gibt sich jedenfalls zuversichtlich, dass es in diesem Fall besser laufen könnte. „Gerade für das Schmerzensgeld sehe ich gute Chancen“, sagt der Jurist. Da hier Amtshaftung gelte, also der Chef der Behörde für seine Mitarbeiter geradestehen müsse, komme es dafür nicht darauf an, ob der Straftäter gefunden und verurteilt wird.
Ob der oberste Dienstherrn der Polizei, Innensenator Geisel, zumindest die Tat als solche verurteilen will? Darauf kam bisher: keine Antwort.