Gut, es ist eine alte Weisheit: Wer immer links abbiegt kommt irgendwann ganz rechts raus. Dafür gibt es ja auch durchaus prominentere Beispiele als ausgerechnet Tom Radtke.
Ob Radtke nicht einfach die Aktionen der "Antifa" zu harmlos waren? Auf jeden Fall scheint er gute Chancen zu haben auf der "linken Liste" einen Sitz für die AfD zu ergattern. Mit der IB scheint er ja schon wesentlich länger auf sehr vertrautem Fuss zu stehen.
Es zeigt aber auch: NeoNazis, Holocaustleugner, Geschichtsrevisionisten und andere Rechtsextreme sind bereit alles zu tun um die Demokratie zu unterlaufen bzw. zu schädigen. Auf diese Art und Weise sind ja auch schon einige aus unserem Kundenstamm zu Wahlen angetreten bzw. haben es versucht. Am bekanntesten ist wohl das "Paukemon".
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Bürgerschaftswahl Hamburg
22.02.2020 19:02 6.066
Nazi-Panzer, Klima-Holocaust und dieses Foto: Wie rechts ist Tom Radtke?
Tom Radtke, Kandidat der Linken für die Hamburger Bürgerschaftswahl, posiert mit Rechtsextremen
Von Oliver Wunder
Hamburg - Der Eklat um Tom Radtke (18), Kandidat der Partei die Linke für die Bürgerschaftswahl in Hamburg, hat eine neue Eskalationsstufe erreicht.
Die rechtsextreme Szene sucht Kontakt zu dem Schüler und er anscheinend auch zu ihr. Am Freitag sprach Radtke mit Martin Sellner.
Der 31-Jährige gilt als Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich und deren bekanntestes Gesicht. Sellner unterstützte Radtke bereits seit Beginn des Eklats.
Die beiden unterhielten sich am Freitag per Telefon etwas mehr als 40 Minuten, ein Video davon stellte Sellner ins Internet. Darin verharmlost Radtke unter anderem seinen Tweet vom Ausschwitz-Gedenktag, mit dem das Politdrama begann.
Der junge Linke sagt, dass der Text bei "einigen sehr kontrovers ankam, weil er zum Großteil falsch verstanden wurde".
Ende Januar schrieb der 18-Jährige: "Die Nazis gehören auch zu den größten Klimasünder*innen, da ihr Vernichtungskrieg und ihre Panzer riesige Mengen an CO2 produziert haben. Viele Politiker sagen, dass sich das nicht wiederholen darf. Aber was tun sie gegen den Klima-Holocaust, der in diesem Moment Millionen Menschen und Tiere tötet?"
Danach distanzierten sich Fridays for Future Hamburg, die Linke, Luisa Neubauer und weitere von ihm. Zwar löschte Radtke die Aussage, doch die Linke leitete ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn ein. Danach sah es anfangs so aus, als ob der 18-Jährige durch die öffentliche Zurückweisung gekränkt wurde. Er sah sich "in der Pflicht zurückzuschlagen".
Wie er das umsetzte? Lautes Pöbeln auf Twitter gegen eigene Parteimitglieder, Drohungen und die Veröffentlichung von angeblich kompromittierenden Materials.
Radtke knöpfte sich Fridays for Future vor, die Bewegung sei von den Grünen unterwandert, er schrieb über mutmaßliche Sekten in der Linken und deren Verbindungen unter anderem zum israelischen Geheimdienst.
Wandlung vom Klimaschützer zum Leugner des Klimawandels
Schließlich änderte er seine Meinung im Bereich Klima komplett. Der Kandidat für die Bürgerschaftswahl warb anfangs mit seiner Mitgliedschaft und dem Logo von Fridays for Future, er verschrieb sich dem "Kampf für eine konsequente Klimapolitik in Hamburg".
Am Donnerstag verkündete Radtke seinen Austritt aus der Klimaschutzbewegung. Er habe "den unsinnigen und volksfeindlichen Inhalt der Klimabewegung erkannt". Die Klimawissenschaft sei "zum großen Teil Manipulation und Betrug". Klingt eher nach AfD als nach Linkspartei?
Aus der extrem rechten Ecke des Internets bekommt der junge Mann Beifall, denn Radtke schoss vor allem gegen rechte Feindbilder. Daher stammt vermutlich auch das Interesse von Sellner an ihm.
Im Gespräch stellen beide viele gemeinsame Positionen fest. Der Hamburger spricht davon, dass er offene Grenzen, Feminismus, Gendern und Political Correctness ablehne. Da ist der IB-Chef ganz bei ihm und ruft zur Unterstützung auf.
Ein weiteres Kapitel des Schulterschlusses mit der extremem Rechten teilte Radtke am Samstagnachmittag. Auf Twitter veröffentlichte er ein gemeinsames Foto mit zwei mutmaßlichen Mitgliedern der rechtsextremen Identitären Bewegung Hamburg.
Tom Radtke zeigt Foto mit mutmaßlichen Rechtsextremen
Er habe "gerade mit einigen Genossen" der IB die Gedenkstätte Ernst Thälmann besucht, schreibt der Schüler. Radtke hält gemeinsam mit den zwei IB-Mitgliedern eine schwarze Fahne der IB, im Hintergrund sind rote KPD-Banner, ein Antifa-Logo und ein Foto Thälmanns zu sehen.
Alle drei lächeln in die Kamera. Thälmann wurde übrigens 1944 im Konzentrationslager Buchenwald durch die Nazis ermordet.
Nach dem Besuch rief die IB via Twitter auf, bei der Bürgerschaftswahl am Sonntag den 18-Jährigen zu wählen. "Die Zukunft gehört den Mutigen, weniger Distanzierung mehr Zusammenarbeit!"
Auf dem Listenplatz 20 liegt Radtke zwar weit hinten, doch eine Besonderheit des Hamburger Wahlrechts arbeitet für ihn. Wähler können ihre Stimmen den Kandidaten direkt geben und damit die Reihenfolge der Liste verändern.
Nach einem möglichen Einzug ins Parlament plant der 18-Jährige anscheinend einen weiteren politischen Schachzug. Die Linke will ihn ausschließen, er wäre im Erfolgsfall parteilos. Auf Twitter ließ er seine Follower bereits abstimmen, was er dann machen soll. Ergebnis: Parteiwechsel. Viele raten ihm zur AfD.
Mehrere Fragen stellen sich in dem Zusammenhang. War das ganze Politrama von langer Hand geplant? Ist Tom Radtke gar ein rechtes "U-Boot" in der Linkspartei? Oder handelt es sich um einen zutiefst verletzten jungen Mann, der die einzige gebotene Unterstützung annimmt?
In den Stunden und Tagen nach der Auszählung der Stimmzettel könnte es erste Antworten darauf geben.
Update, 20.05 Uhr: Gedenkstätte nimmt Stellung
Den Besuch in der Gedenkstätte Ernst Thälmann haben sich Tom Radtke und die IB-Mitglieder offenbar unter falscher Flagge erschlichen.
Hein Pfohlmann, 1. Vorsitzender des Vereins Kuratorium Gedenkstätte Ernst Thälmann, erklärte, dass sich die Besucher als Antifa-Gruppe angemeldet haben.
Generell sei das Fotografieren in den Räumen verboten.
"Wir distanzieren uns auf das Entschiedenste von dieser Gruppe und ihrem Auftritt. Und natürlich von deren Zielen!"
Solche rechtsextremen Organisationen und Einzelpersonen hätten generell Hausverbot in der Gedenkstätte.
Auch in Bayern scheint man zu registrieren, dass Rechtsextreme auf den Listen diverser "Wählerbündnisse" mit harmlos klingendem Namen zu finden sind. Die eigene Partei ist verrufen oder wird vom VV beobachtet, dann gründet man eben schnell ein Wählerbündniss oder schließt sich einem an.
Spoiler
22.02.2020, 17:11 Uhr
Rechtsextreme treten verdeckt zu den Wahlen an
Auch Rechtsextreme treten für die Kommunalwahlen im März an – aber nicht immer auf der Liste einer rechtsextremen Partei. Sie kandidieren stattdessen auf unverfänglich klingenden Bürgerlisten oder auf einer eigenen Tarnliste.
Die "Freie Liste Scheßlitz" hat im Stadtrat von Scheßlitz bei Bamberg aktuell zwei Vertreter sitzen. Sie firmiert als unabhängige Liste – mit unverdächtigen Zielen: Sie fordert betreutes Wohnen und bedarfsgerechte Kinderbetreuung. Zur anstehenden Kommunalwahl tritt auf Listenplatz 4 Roger Kuchenreuther an – und das ist nicht mehr unverdächtig. Kuchenreuther ist seit Jahren Aktivist der Partei "Der dritte Weg". Das belegen Recherchen des Bayerischen Rundfunks. Diese Partei orientiert sich ideologisch am Gedankengut der NSDAP – schreibt der Verfassungsschutz.
Distanzierung vom eigenen Kandidaten
Erst durch die Anfrage des BR erfährt die Freie Liste Scheßlitz davon, dass sie einen rechtsextremen Kandidaten führt. Freie Liste-Stadtrat Michael Lindner zeigte sich erschrocken und zieht Konsequenzen:
Aufgrund seines Handelns für die Partei 'Der dritte Weg', welche sich nicht der freiheitlich, demokratischen Grundordnung unterstellt, distanzieren wir uns in aller Schärfe von diesen Werten und persönlich von Herrn Roger Kuchenreuther." Michael Lindner, Stadtrat für die Freie Liste Scheßlitz
Die Freie Liste Scheßlitz werde ihren Listenkandidaten Roger Kuchenreuther bis zur Wahl nicht mehr bewerben, versichert Michael Lindner gegenüber dem BR.
Am vergangenen Samstag marschiert die Partei "Der dritte Weg" in Bamberg auf. Ein Teilnehmer der Neonazi-Demo ist Roger Kuchenreuther. Er trägt eine Jacke und Mütze mit den Logos der Neonazi-Partei. Ein Interview mit dem BR lehnt er erst ab. Dann erklärt er auf Nachfrage zu seiner Kandidatur knapp:
"Es ist eine Kommunalwahl, da kann jeder Bürger antreten. Im Gegenteil, es sollen ja die Bürger antreten." Roger Kuchenreuther, Kandidat für die Freie Liste Scheßlitz
Experte warnt vor Unterwanderung
Am Rande der Neonazi-Demo beobachtet Jan Nowak von der "Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern" die Rechtsextremen. Nowak hat sich intensiv mit der Partei "Der dritte Weg" befasst. Für ihn stellt die Kandidatur von Kuchenreuther eine Gefahr dar:
"Zum einen ist es möglich, dass das Lokalparlament als Bühne für neonazistische Propaganda benutzt wird. Und in dem Fall vom Kandidaten des "Dritten Wegs" ist es möglich, dass diese Person für diese Freie Liste Scheßlitz ins Parlament einzieht, dann zum "Dritten Weg" wechselt und die Partei damit ihr erstes Kommunalmandat in Bayern hat." Jan Nowak, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern
Rechtsextreme Tarnliste in Nürnberg und München
Doch Rechtsextreme der NPD sitzen schon seit Jahren in den bayerischen Kommunalparlamenten. Freilich nicht als NPD, sondern unter dem Namen "Bürgerinitiative Ausländerstopp", kurz BIA. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz bewertet die BIA als eine Tarnliste der NPD. In Nürnberg ist Ralf Ollert seit 2002 für die BIA im Stadtrat. Der ehemalige Landesvorsitzende der NPD hat die sogenannte Bürgerinitiative gegründet und meint, dass man mit der BIA näher dran sei am Bürger:
"Weil wir ein breiteres Wählerspektrum damit ansprechen – die BIA ist überparteilich und hat damit natürlich mehr Möglichkeiten als eine Partei und gerade das Kommunalwahlrecht bietet ja auch die Möglichkeit als Wählervereinigung anzutreten." Ralf Ollert, BIA-Stadtrat in Nürnberg
Hitlergruß bei der Vereidigung
Auch in München sitzt die BIA seit 2008 mit dem NPD-Mann Karl Richter im Stadtrat. Dieser zeigte bei seiner Vereidigung im Rathaus gar den Hitlergruß und wurde dafür verurteilt. Stephan Doll von der Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg glaubt, dass es die BIA schwer haben wird bei den Kommunalwahlen:
"In der Vergangenheit war die BIA in München und Nürnberg erfolgreich. Ich denke da ist die BIA in den Stadtrat eingezogen, weil sie nicht als NPD kandidiert hat. Jetzt denke ich, dass durch die AfD viele Wähler, die die BIA gewählt haben, nun zur AfD gehen und von daher wird es da eine Konkurrenzsituation geben. Da wird es der NPD wenig nützen, dass sie als BIA kandidiert." Stephan Doll, Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg
Kampagne gegen AfD und BIA gestartet
Die Allianz gegen Rechtsextremismus hat deswegen eine Kampagne unter dem Motto "Halte deinen Stadtrat sauber" gegen AfD und BIA gestartet. Wegen des rechtsextremen Kandidaten auf einer unabhängigen Bürgerliste in Scheßlitz hat die Allianz bereits Unterstützung angeboten. Das Ziel: Die Erfolge von Rechtsradikalen und Rechtsextremen bei der Kommunalwahl so gering wie möglich zu halten.
💡 Was ist eine Tarnliste?
Es gibt keine einheitliche und auch keine politikwissenschaftliche Definition des Begriffs "Tarnliste". Es handelt sich um einen politischen Begriff: In Bayern wird er vom Landesamt für Verfassungsschutz, Medien und Oppositionsparteien verwendet. In der Regel werden damit von Verfassungsschützern Listen bezeichnet, die die "Agenda der NPD vertreten und auch personelle Bezüge zur NPD" aufweisen.
Politikwissenschaftler empfehlen, den Begriff "Tarnliste" nur für radikale Parteien zu verwenden. Für alle anderen Parteien sind die Begriffe "Zweit- bzw. Doppelliste" korrekter. (Erklärt von Sammy Khamis, BR24)
https://www.br.de/nachrichten/bayern/rechtsextreme-treten-verdeckt-zu-den-wahlen-an,Rr9K4NS