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Bald war die Schlucht erreicht und man bog in dieselbe ein. Zu beiden Seiten stiegen dunkle Felsen hoch empor, an ihren Lehnen und auf ihren Gipfeln schwarze Hölzer tragend. Auf dem Grunde rieselte ein dünnes, schmales Wässerchen, auf welchem Fettaugen schwammen. Grinley warf, als er das bemerkte, Buttler und Poller einen befriedigten Blick zu. Er hatte nicht heimlich mit ihnen reden können und sich darum bisher im stillen besorgt gefragt, ob sie ihre Aufgabe auch wohl so, wie er es erwartete, gelöst haben würden. Jetzt begann er sich beruhigt zu fühlen, deutete auf das Wasser und sagte zu dem Bankier:
»Seht einmal her, Mr. Rollins! Das ist der Abfluß des Gloomy-water. Was meint Ihr wohl, was auf demselben schwimmt?«
»Petroleum?« antwortete der Gefragte, indem er niederblickte.
»Ja, Petroleum.«
»Wirklich, wirklich! Schade darum, ewig schade, daß es fortfließt!«
»Laßt es laufen; es ist wenig genug. Das beste an meinem Funde ist ja eben der Umstand, daß der See nur diesen einen, so geringen und gar nicht nennenswerten Abfluß hat. Später könnt Ihr ja dafür sorgen, daß Euch selbst dieses kleine Quantum nicht entgeht.«
»Freilich, freilich! Aber Mr. Grinley, merkt Ihr nicht auch den Geruch?«
»Natürlich! Ich als der Entdecker dieses famosen Ortes muß ihn doch viel eher als Ihr bemerkt haben.«
»Er wird um so stärker, je weiter wir vorwärts kommen.«
»Wartet nur, bis wir an den See kommen. Ihr werdet Euch wohl wundern!«
Der Erdölgeruch wurde auch wirklich mit jedem Schritte stärker. Da traten die Wände der Schlucht plötzlich auseinander und vor den erstaunten Augen des Bankiers und seines Buchhalters öffnete sich eine länglich runde Thalmulde, deren Grund der Petroleumsee soweit ausfüllte, daß zwischen dem Ufer desselben und den Felsen, welche den nur schwer zu erklimmenden Rand des Thales bildeten, ein nur schmaler Bodenstreifen übrig blieb, auf welchem aus dichten Sträuchern riesige Schwarztannen emporragten. Eben solche Bäume stiegen an den Felsen ringsum bis zu dem Hochwalde hinauf, welcher da oben als Wächter zu stehen schien, um keinen einzigen Sonnenstrahl herabzulassen.
Hier unten herrschte trotz des hellen Tages Dämmerung. Kein Lüftchen bewegte die Zweige; kein Vogel war zu sehen; kein Schmetterling gaukelte über Blumen. Alles Leben schien erstorben zu sein. Schien? 0 nein, es schien nicht nur, sondern es war wirklich erstorben, denn auf dem See schwammen zahllose tote Fische, deren mattglänzende Leiber ganz eigenartig von der dunklen, ölig schimmernden Oberfläche abstachen. Dazu der außerordentlich starke Geruch des Öles. Dieser unbewegte und unbeleuchtete See, welcher wie ein im Tode erstarrtes Auge vor den Beschauern lag, führte seinen Namen Gloomy-water, finsteres Wasser, mit dem vollsten Rechte. Der Eindruck, welchen sein Anblick hervorbrachte, war ein derartiger, daß Rollins und Baumgarten eine ganze Weile an seinem Ufer hielten, ohne ein Wort zu sagen.
»Nun, das ist das Gloomy-water,« unterbrach der Ölprinz die herrschende Stille. »Was meint Ihr dazu, Mr. Rollins? Gefällt es Euch?«
Aus seinem Staunen wie aus einem Traume erwachend holte dieser tief Atem und antwortete:
»Wie er mir gefällt? Welche Frage! Ich glaube, die alten Griechen hatten ein Wasser, über welches die Verstorbenen nach der Unterwelt fuhren. So wie der See hier muß dieses Wasser ausgesehen haben, gewiß so und nicht anders.«
»Weiß nichts von diesem griechischen Gewässer, möchte aber doch behaupten, daß es mit unserm Gloomy-water nicht zu vergleichen ist, denn ich glaube nicht, daß es dort Petroleum wie hier gegeben hat. Steigt ab, Sir, und untersucht das Öl; wir wollen einen Rundgang um den See machen!«
Die Reiter verließen ihre Sättel; sie mußten die Pferde anbinden, denn diese schnaubten und stampften und wollten fort. Der penetrante Petroleumgeruch war ihnen zuwider. Grinley trat hart an das Wasser heran, schöpfte mit der Hand, beroch und betrachtete es und sagte dann in triumphierendem Tone zu dem Bankier:
»Hier habt Ihr die Dollars zu Millionen schwimmen, Sir; überzeugt Euch selbst!«
Rollins schöpfte ebenso, ging weiter und schöpfte wieder; er untersuchte das Wasser an verschiedenen Stellen; er sagte kein Wort; er schüttelte und schüttelte nur immer wieder den Kopf. Er schien sprachlos geworden zu sein; aber seine Augen leuchteten und in seinen Zügen arbeitete die außerordentliche Erregtheit, welche sich seines Innern bemächtigt hatte. Seine Bewegungen waren hastig und dabei unsicher, fast taumelnd; seine Hände zitterten und er schien alle Kraft zusammennehmen zu müssen, um endlich mit beinahe überschnappender Stimme ausrufen zu können:
»Wer hätte das gedacht! Wer hätte das nur denken können! Mr. Grinley, ich finde alles, alles, was Ihr gesagt habt, hier übertroffen!«
»Wirklich? Freut mich, Sir, freut mich ungeheuer!« lachte der Ölprinz. »Seid Ihr nun endlich überzeugt, daß ich ein ehrlicher Mann bin, der es aufrichtig mit Euch gemeint hat?«
Rollins streckte ihm beide Hände entgegen und antwortete:
»Gebt Eure Hände her; ich muß sie Euch schütteln und drücken. Ihr seid ein Ehrenmann, wie ich noch keinen gefunden habe. Verzeiht es uns, daß wir in unserm Vertrauen einigemal unsicher geworden sind! Wir waren nicht schuld daran!«
»Weiß es, weiß es, Sir,« nickte Grinley in biederer Weise. »Diese Fremden machten Euch an mir irre. Hättet nicht auf sie hören sollen; ist jetzt aber alles gut, alles! Untersucht das Öl, Sir!«
»Habe schon, habe es untersucht.«
»Nun, und –«
»Es ist das schönste, das reinste Erdöl, welches zu haben ist. Woher kommt es? Hat der See einen Zufluß?«
»Nein, nur diesen kleinen Abfluß. Es muß eine unterirdische Quelle da sein, eine oder vielleicht zwei: eine für das Wasser und eine für das Erdöl. Ihr seht, man braucht das letztere nur so abzuschöpfen und in die Fässer zu füllen.«
Rollins wußte vor Entzücken weder aus noch ein. Baumgarten war nüchterner und bemerkte auf die letzten Worte:
»Ja, man braucht nur abzuschöpfen; aber was dann, wenn abgeschöpft worden ist? Wann und wie stark läuft es nachher wieder zu?«
»Natürlich schnell, so schnell, daß gar keine Unterbrechung der Arbeit eintreten wird.«
»Das möchte ich nicht ohne Kritik annehmen. Es kann doch nur soviel zulaufen, wie abläuft. Nun seht den spärlichen Abfluß hier, welcher unser Wegweiser gewesen ist. Ich glaube, das Wässerchen führt pro Stunde keinen Liter Öl mit sich fort; das ist die Ausbeute, die ganze Ausbeute, die wir zu erwarten haben.«
»Meint Ihr? Nicht mehr? Nicht mehr als bloß einen Liter in der Stunde?« fragte der Bankier im Tone bitterster Enttäuschung.
Der Mund blieb ihm vor Schreck offen stehen; sein Gesicht war leichenblaß geworden.
»Ja, Mr. Rollins, so ist es,« antwortete der Buchhalter. »Ihr müßt doch zugeben, daß der Zufluß nicht größer als der Abfluß sein kann? Und wenn er größer wäre, zehnmal größer, hundertmal! Was sind hundert Liter Öl in der Stunde? Nichts, gar nichts. Rechnet die Höhe des Anlage- und des Betriebskapitals, die Abgelegenheit dieser Gegend, die hier vorhandenen Gefahren, die Schwierigkeit des Absatzes! Und hundert Liter pro Stunde!«
»Kann es denn nicht doch mehr sein? Ist es nicht möglich, daß Ihr Euch irrt?«
»Nein und abermals nein. Wie alt ist dieser See? Die Jahre sind nicht zu zählen. Seit seiner Entstehung sind Jahrhunderte oder Jahrtausende vergangen; es fließt so wenig ab. Wenn mehr Öl zuflösse, wie hoch müßte es dann auf dem Wasser stehen! Nein, es ist nichts, gar nichts hier zu holen!«
»Nichts, gar nichts!« wiederholte der Bankier, indem er mit beiden Händen nach dem Kopfe griff. »Also alle Hoffnung, alle Freude vergeblich! Den weiten, weiten Weg umsonst gemacht! Wer soll das aushalten; wer kann das ertragen!«
Auch der Ölprinz war über die Worte des Buchhalters erschrocken. Mit welchen Mühen und unter welchen Gefahren hatte er das Petroleum faßweise und nach und nach hierher geschafft und versteckt! Was hatte es ihm gekostet! Und nun er so nahe am Erfolge stand, sollte das alles vergeblich gewesen sein! Es flimmerte ihm vor den Augen; er fühlte sich ratlos, konnte kein Wort hervorbringen und richtete seine Blicke hilfesuchend auf seinen Stiefbruder Buttler.
Dieser hatte schon wiederholt gezeigt, daß er ihm an Schlauheit überlegen war, und auch jetzt zeigte es sich, daß der frühere Anführer der »Finders« sich nicht so leicht aus der Fassung bringen ließ. Er gab ein kurzes, überlegenes Lachen zu hören und sagte zu dem Bankier:
»Was lamentiert Ihr denn, Mr. Rollins? Ich kann Euch nicht begreifen! Wenn es mit dem, was Ihr jetzt denkt und sagt, seine Richtigkeit hätte, so würde es Grinley nicht eingefallen sein, so große Hoffnungen auf das Gloomy-water zu setzen.«
»Meint Ihr?« fragte Rollins schnell, indem er neuen Mut bekam.
»Ja, das meine ich. Und wenn das Öl hier nur so in Fässern zu schöpfen wäre, so würde er Euch den Platz nicht angeboten, sondern selbst behalten haben. Es ist eben die Sache, daß die Gewinnung des Öles einige kostspielige Vorbereitungen erfordert, zu denen er nicht die Mittel besitzt.«
»Vorbereitungen? Welche?«
»Hm! Es wundert mich Sehr, daß Ihr das nicht selbst findet. Habt Ihr vielleicht einmal Physik studiert?«
»Nein.«
»Hm! Schade drum! Brauchte Euch dann keine lange Erklärung zu geben. Will aber versuchen, es Euch deutlich zu machen. Ich setze den Fall, Euer Pferd liegt da im Grase und Ihr steigt in den Sattel. Wird es mit Euch aufstehen können?«
»Ja.«
»Ihr denkt also nicht, daß Ihr ihm zu schwer seid?«
»Nein; es steht auf.«
»Well. Setze aber den andern Fall, daß anstatt des Pferdes ein Schoßhündchen hier läge. Würde das Euch auch in die Höhe bringen?«
»Nein.«
»Warum nicht?«
»Weil ich ihm zu schwer wäre.«
»Nun wohl, wendet das doch einmal auf das Petroleum an!«
»Wieso?« fragte Rollins, der das, was Buttler meinte, nicht zu erraten vermochte.
»Mein Beispiel soll sagen, daß ein schwerer Körper, der auf einem leichteren lastet, diesen niederhält. Das begreift Ihr wohl?«
»Jetzt allerdings.«
»Und auch Ihr, Mr. Baumgarten?«
»Ja,« nickte der Genannte, welcher den Worten Buttlers mit Aufmerksamkeit gefolgt war. Dieser fuhr fort: »Wißt Ihr nun aber auch, was schwerer ist, das Petroleum oder das Wasser?«
»Das Wasser,« antwortete der Buchhalter.
»Very well! Nun denkt Euch einmal, wie schwer die Wassermenge ist, welche sich hier im See befindet!«
»Tausende von Zentnern.«
»Und auf dem Grunde des Sees gibt es eine Petroleumquelle, das heißt ein kleines Loch, aus welchem das Öl heraus will; aber auf diesem Loche liegen viele tausend Zentner von Wasser. Kann da das Öl heraus?«
»Nein.«
Baumgarten ging in die Falle. Er war Kaufmann; von den physikalischen Gesetzen verstand er wenig; er wußte nicht, daß das Öl, gerade weil es leichter als das Wasser ist, emporsteigen müsse. Grinley begann von neuem aufzuatmen. Auf Buttlers Gesicht ließ sich ein siegesgewisses Lächeln sehen. Er sprach weiter:
»Also das Öl, welches aus der Erde strömen möchte, kann nicht in die Höhe. Wir sehen hier nur das geringe Quantum, welches oben durch irgend eine kleine Ritze aus der Erde sickert. Nun schafft aber einmal eine Pumpe her und pumpt das Wasser aus dem See, oder sorgt auf irgend eine andre Weise für den Abfluß desselben. Dann werdet Ihr sehen, daß ein Ölstrahl hundert Fuß hoch und noch höher in die Luft steigt. Das gibt dann einen Ölspring wie in Pennsylvanien, der an einem Tage mehrere hundert Fässer füllt. Hätte Grinley das Geld zu einem solchen Pumpwerke, so wäre es ihm nicht eingefallen, sich an Euch zu wenden. Da habt Ihr die Sache, wie sie steht. Macht, was Ihr wollt; aber besinnt Euch nicht lange. Wir finden allemal und zu jeder Zeit einen Unternehmer, welcher Geist und Mut genug besitzt, für einen solchen Lumpenpreis Millionen einzuheimsen.«
Das wirkte. Der Bankier jubelte von neuem und Baumgarten ließ alle seine Bedenken fallen. Öl war vorhanden, das sah man ja; man brauchte ihm nur einen Ausweg zu bahnen. Es wurde hin und her gesprochen, natürlich in einer Weise, welche den beiden Käufern die Köpfe verdrehte. Rollins entschloß sich auf den Handel einzugehen, und es geschah nur um der Form willen, daß er meinte, man müsse doch vorher den ganzen Umfang des Sees in Augenschein nehmen.
»Thut das, Mr. Rollins,« sagte Grinley. »Poller mag Euch führen.«
Der Genannte entfernte sich mit Rollins und Baumgarten. Als sie fort waren, stieß der Ölprinz erleichtert hervor:
»Tausend Donner, war das eine fatale Lage! Fast wären die Kerls noch zu guter Letzt zurückgetreten! Dein Einfall war ausgezeichnet.«
»Ja,« lachte Buttler. »Wäre ich nicht gewesen, so hättest du deinen Petroleumsee für dich behalten können. Nun aber bin ich überzeugt, daß sie auf den Leim gehen werden.«
»Man sollte es kaum für möglich halten, daß eine solche physikalische Erklärung so harmlos hingenommen wird!«
»Pshaw! Rollins ist zu dumm und der Deutsche zu ehrlich.«