@Agrippa ,
@Schreibtischtäter : Da ließe sich sicher einiges zusammentragen.
Mein persönlicher Fokus liegt eher auf diesem Herrn Wolski.
Man fragt sich ja: wie kommt der auf so etwas?
Nun ist ist ja der Sozialismus/Kommunismus zunächst einmal eine Geschichtstheorie.
Teils sogar eine, die durchaus überzeugende Erklärungsmodelle bietet.
Aber dann wird sie zur Ideologie, indem sie die Wirklichkeit der Theorie anpassen will und nicht umgekehrt.
Wenn Wirklichkeit und Theorie nicht zusammenpassen, dann muß es an der Wirklichkeit liegen.
Das geht im wirklichen Leben eine Zeitlang gut, aber irgendwann knirscht es.
In der DDR hat es schon 1953 geknirscht. Deutlich.
Auch in Ungarn und der Tschechoslowakei hat es geknirscht.
In der freien Welt reagiert man auf so etwas und justiert nach. Nicht in einer Diktatur, da knüppelt man zusammen.
Nun ist dieser Herr Wolski durch sein Studium wohl Ingenieur geworden und als Student wurde er ja nur ausgewählt und im Studium belassen weil er „ideologiefest“ war. Dazu kommt, daß Ingenieure wohl häufig ein gewisses mechanistisches Weltbild haben, also der festen Meinung sind, wenn man dies und jenes tue, dann komme auch automatisch dies oder jenes dabei heraus.
Aber so ist die Welt halt nicht und noch 30 Jahre nach dem endgültigen Niedergang gibt es noch Zeitgenossen, die daran glauben, es habe auf gar keinen Fall an der DDR liegen können.
Deutlicher kann ein Scheitern eigentlich gar nichts sein: wirtschaftlich, sozial, gesellschaftlich, rechtlich: alles Mist. Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
Nun hatten wir in der Bundesrepublik solche Vögel ja auch, 30 Jahre nach Ende der Diktatur, also 1975. Beim Adolf sei es schon richtig gewesen, es gab natürlich keine Verbrecher, man konnte sein Fahrrad noch ohne abzusperren stehenlassen, hieß es. Daß die Verbrecher ganz offiziell im KZ oder in den Vernichtungslagern quälen und morden durften, ja sogar sollten, wurde „mal eben“ ausgeblendet. Nur: „Bei uns“ hatte diese glorreiche Zeit „nur“ 12 Jahre gedauert, im Osten aber 56 Jahre.
Wer 1989 genau 56 Jahre alt war oder jünger, der hatte 100% seines Lebens in einer Diktatur verbracht.
Und die DDR war in Teilen ja nun wirklich nur ein rot angestrichenes Drittes Reich.
Kein Wunder, daß immer noch einige annehmen, die BRD sei nur eine anders angestrichene DDR. Aus dem Gedankenkonstrukt kommt man nicht so einfach raus.
Die meisten haben es verstanden. Daß die BRD etwas ganz anderes ist. Wenn die BRD tatsächlich eine anders angestrichene DDR wäre, dann dürfte Herr Krenz schon längst nicht mehr reden. Denn Diktaturen leiten einen Macht- und Paradigmenwechsel meist mit dem Ableben der jeweiligen Machthaber ein. Bei uns pensioniert man sie und läßt sie schwallen, solange es nicht das Strafrecht betrifft.
Zurück zu Herrn Wolski: Was er wohl nicht verstanden hat, ist, daß es wohl tatsächlich eine Art Verschwörung gegeben hat, nämlich gegen die SU. Kurz nach seinem Amtsantritt (1981) hat Reagan wohl die erdölexportierenden Staaten dazu verleitet, mehr Erdölvorräte bei der OPEC anzugeben als tatsächlich gefunden worden waren. Damit sank der Preis auf dem Weltmarkt, die SU konnte ihr quasi einziges Produkt nicht mehr verkaufen und so ihre internen Verluste nicht mehr kompensieren. Und das war‘s dann.
Staaten, die etwas breiter aufgestellt sind, überleben so etwas. Mit Mühe, aber sie überleben.
Ihr habt natürlich beide recht, aber im Januar 1990 war ein Ende der DDR zumindest gedanklich in sehr nahe Nähe gerückt. Dazu brauchte es dann keine Verschwörung mehr.