In Berlin scheint die Polizei etwas weiter zu sein als in Göttingen, dabei haben die in Berlin doch relativ viele "rechte Sympathisanten/AfDler" wie die Presse immer wieder zu berichten weiß. Wäre auch komisch, wenn sich da seit den 80er-Jahren viel geändert hätte.
Während in Berlin Nazi-Nikolai also seinen "Presseausweis" abgeben musste, lässt man Wilke in Göttingen ungehindert agieren.
Spoiler
Göttingen Rechtsextremismus Hat Jens Wilke einen Journalisten-Status?
Der vorbestrafte Rechtsextremist Jens Wilke tritt mit einem angeblichen Presseausweis auf – wobei allerdings unklar ist, wie und wo er diesen erhalten hat. Die unter anderem von ihm vertretene rechtsextreme Gruppierung „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ (FKTN) hat schon mehrfach in der Region demonstriert.
Göttingen
Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius macht regelmäßig deutlich, wie wichtig ihm die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist. Als im Februar 2017 im Raum Göttingen eine Razzia bei führenden Vertretern der rechtsextremen Gruppierung „Freundeskreis Thüringen/Niedersachsen“ (FKTN) stattfand, dankte er ausdrücklich der Polizei: „Diese Gruppe von Nazis tritt immer wieder aggressiv und martialisch auf. Führende Mitglieder bezeichnen sich wie selbstverständlich als Nationalsozialisten, es gibt eine klar rassistische und völkische Ausrichtung“, hieß es damals in einer Pressemitteilung. Gleichzeitig appellierte er: „Wir müssen weiter wachsam bleiben.“
Als Medienvertreter in Northeim
Umso erstaunlicher war das, was sich Ende Juni bei einer Kundgebung in Northeim abspielte, die der einstige Hauptagitator der auch vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Gruppe, Jens Wilke, mitorganisiert hatte. Die Polizei behandelte den in Friedland wohnenden 42-Jährigen als Medienvertreter und erlaubte ihm, sich vor die Absperrgitter zu begeben, wo er - begleitet von Beamten – unter anderem Gegendemonstranten filmte.
Normalerweise sorgt die Polizei dafür, dass Demonstranten und Gegendemonstranten in räumlichem Abstand voneinander gehalten werden. In diesem Fall standen sich Beobachtern zufolge acht Anhänger des rechtsextremen Lagers und rund 60 Gegendemonstranten gegenüber. Jens Wilke trat - wie so oft - als Redner auf.
Aggressive Rhetorik
Der 42-Jährige ist der Polizei seit langem bekannt. Monatelang hatte er einen regelrechten Kundgebungsmarathon in Göttingen und Umgebung veranstaltet und sich sowohl vor Ort als auch in Facebook-Videos mit aggressiver Rhetorik lautstark in Szene gesetzt. Auch bei dieser Kundgebung spielte er eine maßgebliche Rolle, was sich auch daran zeigt, dass er im Vorfeld am so genannten Kooperationsgespräch mit der Versammlungsbehörde beteiligt war. Diesmal aber durfte er noch eine andere – privilegierte - Rolle spielen. Noch während der laufenden Kundgebung durfte Wilke, gegen den derzeit mehrere Strafverfahren anhängig sind, den Demonstrationsbereich verlassen und sich im Bereich vor den Gegendemonstranten aufhalten - weil er einen angeblichen Presseausweis vorgezeigt hatte, wobei allerdings unklar ist, wie und wo er diesen erhalten hat.
Vermeintliche „Presseausweise“ kann sich jeder im Internet besorgen, ohne irgendeinen Nachweis zu erbringen, dass er tatsächlich journalistisch tätig ist. Um solchem Missbrauch vorzubeugen, hatten sich die Innenministerkonferenz und der Deutsche Presserat darauf verständigt, ab 2018 wieder einen bundeseinheitlichen Presseausweis auszugeben. Der Ausweis mit dem Logo des Deutschen Presserates wird nur an hauptberufliche Journalisten ausgegeben und dient gegenüber staatlichen Stellen als Nachweis ihrer journalistischen Professionalität.
Keine konkreten Angaben
Wieso die Polizei einem rechtsextremen Aktivisten wie Jens Wilke den Status eines Journalisten zuerkannt hat, dazu gab es auf Anfrage vom niedersächsischen Innenministerium nur allgemeine Ausführungen, aber keine konkreten Angaben. Der bundeseinheitliche Presseausweis stelle nicht die einzige Möglichkeit dar, sich als Pressevertreter zu legitimieren, teilte das Ministerium mit. Allgemeine Vorgaben zur Legitimation als Pressevertreter existierten nicht und seien auch nicht beabsichtigt. Grundsätzlich sei die Polizei gegenüber Medienvertretern auskunftspflichtig. Voraussetzung sei, dass sich jemand auch glaubhaft als Medienvertretung legitimieren könne.
Zu der Frage, ob und wie sich Wilke legitimiert habe, hieß es lediglich, dass dieser nach Auskunft der Polizeidirektion Göttingen nebenberuflich als Journalist tätig sei. Ähnlich wie bei seinen früheren Aktivitäten bestand auch bei der Demonstration in Northeim seine Tätigkeit vor allem darin, sich selbst zu filmen und dies auf Facebook zu veröffentlichen. Das Video ist auf einem Blog zu finden, den laut Impressum ein polizeibekannter und mehrfach vorbestrafter Mitstreiter betreibt.
Wegen Nötigung und Bedrohung bereits verurteilt
Wilke selbst wurde wegen Nötigung und Bedrohung verurteilt, aktuell laufen bei der Justiz in Göttingen gegen ihn zwei Verfahren wegen Beleidigung und gefährlicher Körperverletzung. Bei der damaligen Razzia gegen Wilke und seine Mitstreiter stellten die Ermittler unter anderem sieben Messer, eine Axt, einen Schlagring, eine Machete, zwei Säbel, zwei Teleskop-Schlagstöcke, zwei angespitzte Schlagstöcke, zwei Schreckschusspistolen, eine Einhand-Armbrust mit fünf Pfeilen und Pfefferspray sicher. Göttingens Polizeipräsident Uwe Lührig erklärte damals stolz: „Wir haben heute ein klares Signal gesetzt.“ Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Gera gegen Wilke und weitere Rechtsextremisten - wegen Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Von Heidi Niemann