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Das Exempel sind Kommentare zu Videos, die bei Youtube zum Beispiel zu der Literaturserie „Lauter schwierige Patienten“ abrufbar sind. In dieser trafen sich der einstige, im Herbst 2013 verstorbene Literaturchef dieser Zeitung, Marcel Reich-Ranicki, und der damalige Intendant des Südwestrundfunks, Peter Voß. Sie sprachen über bedeutende Schriftsteller und deren Werk. Im Mai 2001 starteten die Sendungen, es begann mit Bertolt Brecht, es folgten Dialoge über Heinrich Böll, Erich Kästner, Max Frisch, Ingeborg Bachmann, Elias Canetti und andere. Bei Youtube kann man die Literaturserie anschauen, eingestellt hat sie jemand, dem sie offenbar sehr gut gefiel.
Platter Antisemitismus
Von den Kommentatoren, die dazu Bemerkungen abgeben, kann man das nicht nur zum Teil nicht behaupten. Es finden sich vielmehr Einträge, in denen der Holocaust-Überlebende Marcel Reich-Ranicki rassistisch und antisemitisch beleidigt wird. „Als Vorzeige Jude hat man nicht automatisch literarische Kompetenz“, heißt es unter dem Mitschnitt der Sendung „Lauter schwierige Patienten“, in dem es um Ingeborg Bachmann ging – die Formulierung „Vorzeigejude“ findet sich auch unter weiteren Ausgaben der Sendung. Und schließlich ist zu lesen: „Marcel Reich Ranicki, der Mörder und Eichmann von Kattowitz! Er hat Schlesier deportieren und ermorden lassen, der Verbrecher.“ Der Eintrag findet sich in leicht variierter Form ebenfalls unter anderen Videos der „Lauter schwierige Patienten“-Reihe. „Mörder, Mörder, Mörder! Ich ♥♥♥ auf dein Grab“, ist da zu lesen. Der Autor dieser Hassrede arbeitet sich an Reich-Ranicki geradezu ab. Dergleichen Äußerungen desselben „Kommentators“ finden sich unter Zusammenschnitten des „Literarischen Quartetts“, der berühmten Literatursendung, die Reich-Ranicki mit Hellmuth Karasek und Sigrid Löffler von 1988 bis 2001 für das ZDF bestritt.
Der Holocaust-Überlebende Marcel Reich-Ranicki, dem unter abenteuerlichen Bedingungen im Januar 1943 mit seiner Frau Teofila kurz vor dem Abtransport in das Vernichtungslager Treblinka die Flucht aus dem Warschauer Getto gelang, wird als „Mörder“ und „Eichmann von Kattowitz“ bezeichnet. Das müsste doch, denkt man sich, gegen die Regeln, die Youtube sich gibt, verstoßen. Strafrechtlich kommt eine ganze Reihe von Verstößen in Betracht: Beleidigung (Paragraph 185 Strafgesetzbuch), üble Nachrede (Paragraph 186), Verleumdung (Paragraphen 187, 188), Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener (Paragraph 189), Volksverhetzung, Billigen, Leugnen und Verharmlosen des NS-Völkermords (Paragraph 130), falsche Verdächtigung (Paragraph 164) und Beschimpfung von religiösen Bekenntnissen (Paragraph 166 Strafgesetzbuch). Nicht zu vergessen die Bestimmungen gegen Hassrede und Löschpflichten gemäß Netzwerkdurchsetzungsgesetz.
Der platte Antisemitismus, der hier zum Vorschein kommt, ist das eine, der dezidierte „Mord“-Vorwurf das Zweite, das man als Anspielung auf Marcel Reich-Ranickis Mitarbeit beim polnischen Geheimdienst nach dem Zweiten Weltkrieg verstehen darf. Im Oktober 1944 hatte er sich beim „Ministerium für öffentliche Sicherheit“ verpflichtet. Ende Januar 1945 wurde er von diesem nach Oberschlesien geschickt, wo er sich mindestens zwei Wochen lang aufhielt. Was er über die dort hinter der Front eingerichteten Internierungslager für Deutsche wusste, ist unklar. Danach ging er für den polnischen Auslandsgeheimdienst nach Berlin und nach London – in Großbritannien war er an der Erstellung einer Kartei mit zweitausend Namen polnischer Exilanten beteiligt. Das Regime ließ die Emigranten, aber auch die eigenen Diplomaten bespitzeln und versuchte oft auch, sie zur Rückkehr ins kommunistisch gewordene Polen zu bewegen. Von der „Heimholung“ und späteren Verfolgung polnischer Exilanten habe er nichts gewusst, betonte Reich-Ranicki, später wiederholt darauf angesprochen, stets.
Anfang 1950 fiel Reich-Ranicki in Ungnade, die polnische KP schloss ihn aus, einige Woche lang saß er im Gefängnis. (Eine profunde, auf eigener Recherche in polnischen Archiven, in denen sich auch Stasi-Akten fanden, beruhende Darstellung zu dieser Zeit findet sich in der Biographie „Wolke und Weide. Marcel Reich-Ranickis polnische Jahre“ von Gerhard Gnauck, 2009, Klett-Cotta, 311 Seiten). Von 1951 an arbeitete Reich-Ranicki in Warschau als Lektor und Kritiker für deutsche Literatur, im Juli 1958 setzte er sich mit seiner Familie nach Frankfurt am Main ab. Er begann, für das Feuilleton dieser Zeitung zu schreiben. 1960 ging er zur „Zeit“ nach Hamburg, 1973 wurde er Leiter der Literaturredaktion dieser Zeitung.
Youtube findet keinen Anlass zur Einschränkung
Doch was sagt nun der „Legal Support“ von Youtube? Er sagte zwei Lesern, die uns auf die hetzerischen Kommentare aufmerksam gemacht haben: „Hallo, bei der Überprüfung Ihrer Anfrage“ – es folgt die Referenznummer – „konnten wir keinen ausreichenden Anlass für eine Einschränkung der beanstandeten URL(s) feststellen.“ Es wurde empfohlen, sich direkt an den Youtuber zu wenden, der die Sendung mit Reich-Ranicki und Voß eingestellt hatte. Wolle man rechtliche Schritte gegen den „verantwortlichen YouTuber einleiten, sind wir unter Umständen dazu bereit, einer Anordnung zu entsprechen, die den YouTuber dazu auffordert, den betreffenden Beitrag zu entfernen“.
Man soll also den Klageweg beschreiten. Sich direkt bei dem Youtuber zu melden, der die Videos eingestellt hat und sich über die Hasskommentare kaum freuen dürfte, ist gar nicht so einfach, dafür braucht man ein Google-Konto, Angaben zu einer Mailadresse gibt es im Anhang der Videos selbst nicht. Und dieser Youtuber ist ja auch nicht der richtige Adressat, es geht nicht um seine Mitschnitte der Sendungen, die Reich-Ranicki zeigen. Es geht um die Hasskommentare der Youtuber, die munter draufloshetzen, und um die Plattform, die solche Kommentare zu diesen Videos verbreitet.
Wir machen die zweite Probe aufs Exempel: über das dafür vorgesehene Beschwerdefach von Youtube, bei dem man den genauen Grund seiner Reklamation und die Fundstelle – das Video und die einzelnen Kommentare – angeben kann. Gesagt, getan, Fundstelle eingetragen, Hetzkommentare benannt: Die Antwort vom „Legal Support“ von Youtube kommt ganz schnell. Sie besteht aber zunächst nur in der Aufforderung, die URLs (also die genauen Fundstellen) der einzelnen Kommentare noch einmal ganz genau anzugeben. Bei den Kommentaren muss man dafür zum Beispiel den Zeitstempel anklicken, um die exakte URL angezeigt zu bekommen, die der „Legal Support“ dann nur noch aufrufen muss, um zu entscheiden, wie die betreffende Äußerung zu bewerten sei.
Fragwürdiges Rechtsverständnis
Die nächste Antwort von Youtube lässt dann wieder nicht lange auf sich warten: „Bei der Prüfung Ihrer Anfrage haben wir gemäß unseren rechtlichen Richtlinien keinen ausreichenden Anlass für eine Einschränkung der beanstandeten URLs feststellen können.“ Man empfehle, „Probleme dieser Art immer direkt mit dem YouTuber zu klären, der die Inhalte erstellt hat“. Mit dem Youtuber, der seinen Hass auf Marcel Reich-Ranicki verbreitet, hat sich der eine oder andere Kommentator, wie man nachlesen kann, schon auseinandergesetzt und ihm Kontra gegeben. Doch damit wurde nur der Troll gefüttert, der Kritik an seinem Hass selbstverständlich nicht gelten lässt.
Die Antwort von Youtube selbst schließt mit derselben Floskel wie bei der Mail, die unsere Leser erhalten haben: „Falls Sie rechtliche Schritte gegen den verantwortlichen YouTuber einleiten, sind wir unter Umständen dazu bereit, einer Gerichtsentscheidung zu entsprechen, die den YouTuber dazu auffordert, den betreffenden Beitrag zu entfernen.“
„Unter Umständen“ ist Youtube also, wenn wir vor Gericht gehen, bereit, „einer Gerichtsentscheidung zu entsprechen“: Das sagt viel über das Rechtsverständnis des amerikanischen Upload-Konzerns, dessen Chefin Susan Wojcicki im November des vergangenen Jahres warnte, die damals noch geplante, inzwischen beschlossene Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union bedrohe die „Videoproduzenten-Ökonomie“, werde „Einfluss auf das Leben Hunderttausender Menschen haben“, es könne sein, dass europäische Youtube-Nutzer massenhaft von Videos ausgeschlossen würden. So beschwor die Google-Mitarbeiterin Nummer sechzehn mehr oder weniger das Ende ihres Videodienstes und des freien Internets in Europa. Das verfehlte seine Wirkung nicht. Sie hält bis heute an.
Aber bildet sich der „Legal Support“ einer Plattform, deren Mutterkonzern Alphabet (Google) 2018 einen Reingewinn von dreißig Milliarden Dollar bei einem Umsatz von 136,8 Milliarden Dollar gemacht hat, im Falle möglicher Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung nach mehrmaligem Hinweis nicht selbst ein Urteil? Ein anderes als jenes, das die Standardantwort enthält? Wie war das noch mit dem andauernd vielbeschworenen Kampf gegen Hassrede?
Dritter Versuch beim „Legal Support“ von Youtube mit der Anfrage, ob man sich nicht selbst in der Pflicht sehe, zu handeln – also zu löschen –, wenn jemand auf der Plattform des Konzerns ganz konkret als „Mörder“ bezeichnet und antisemitisch als „Vorzeigejude“ beleidigt wird? Keine Antwort.
Die HAZ hat wieder "knallhart recherchiert", dabei ist ihr nur entgangen, daß es eine "Einführung eines Waffenverbots für Reichsbürger in Niedersachsen" nie gab und auch nicht gibt, weil das WaffG Bundesrecht ist. Zum einen hätten schon vor dem August bzw. Oktober 2016 die RD entwaffnet werden können aufgrund des §5 WaffG. Zum anderen haben die Innenminister der Länder im November 2016 vereinbart, das WaffG jetzt auch mal endlich auf die RD anzuwenden.
Von einer Regelung, die nur Nds betrifft, kann gar keine Rede sein.
Und natürlich die übliche Verschwurbelung: Wenn da von "Waffenscheinen" die Rede ist, weiß man nicht, ob nun Waffenbesitzkarten geeint sind oder Kleine Waffenscheine (die aber nur für Schreckschusswaffen gelten).