Da kann man nur hoffen, dass der Richter nicht zur AfD-Volksrichter-Riege gehört.
Spoiler
Rechtsextremismus Thüringens Neonazi-Hotspot vor dem Aus?
Ein thüringisches Dorf, ein Gasthaus und Tausende Rechtsextreme als Besucher. Kloster Veßra ist ein Treffpunkt für Neonazis. Noch. SPIEGEL-Recherchen zeigen: Der rechte Strippenzieher könnte bald seine Immobilie verlieren.
Von Max Holscher und Roman Lehberger
Mittwoch, 01.05.2019 19:49 Uhr
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Die Touristikbeauftragten der Region müssten angesichts dieser Zahlen eigentlich jubeln. Zwischen 2015 und 2017 kamen 18.000 neue Besucher in den eher unscheinbaren Landkreis Hildburghausen im Süden Thüringens. Und das, obwohl die Region nicht als überregionaler Top-Touristenmagnet gilt - trotz einiger Klöster, des nahen Thüringer Waldes und einer malerischen Landschaft.
Allein: Bei den neuen Gästen handelt es sich weniger um Erholungssuchende. Sie kommen wegen rechtsextremer Konzerte und Liederabende, der Geschichtsklitterung mit Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs und der Vernetzung mit anderen Neonazis.
Die Zahlen stammen aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Linken-Anfrage und belegen deutlich, wie sich die Region und insbesondere das Örtchen Kloster Veßra in den vergangenen Jahren zu einem Hotspot für Neonazis entwickelt haben.
In ganz Thüringen boomt das Geschäft mit dem Rechtsrock. Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Veranstaltungen. Ein Grund dafür sind auch Dutzende Immobilien, in denen Neonazis geschützt ihre Veranstaltungen anbieten können.
In Kloster Veßra hat sich ein besonderes Zentrum des Rechtsextremismus entwickelt. Und das liegt vor allem an einer Szenegröße: Tommy Frenck.
Der gelernte Koch stammt aus der Gegend, im Jahr 2014 erwarb er ein Gasthaus in der Gemeinde. Neben seiner Gaststätte, die als Szene-Treffpunkt dient, betreibt der 32-Jährige mit dem auffälligen "Aryan"-Tattoo am Hals dort einen Versandhandel mit rechtem Merchandising. Nebenbei tritt Frenck auch als Konzert-Veranstalter auf. 2017 organisierte er eines der europaweit größten Rechtsrock-Treffen mit Tausenden Besuchern.
Entscheidung im September
Frenck will schon länger expandieren. Zum Schrecken vieler Gemeinden. Kürzlich gelang ihm beinahe der Kauf eines weiteren Gebäudes ganz in der Nähe. Doch das Thüringer Innenministerium intervenierte, ein angewandter Verwaltungstrick verhinderte den Deal des Neonazis.
Die Behörden wollen der rechten Landnahme nicht weiter zusehen - und Frenck offensichtlich ärgern, so gut es irgendwie geht. Bereits nach dem letzten verhinderten Kauf tobte der Neonazi in den sozialen Netzwerken. Der Innenminister arbeite mit Stasimethoden, lautete sein Vorwurf.
Nun droht Frenck erneut Ärger mit den Behörden. Im Fokus dieses Mal: sein Stützpunkt, das Gasthaus "Goldener Löwe".
SPIEGEL-Recherchen zeigen, dass der Neonazi - anders als bisher vielfach berichtet - immer noch nicht der Eigentümer der Gaststätte ist. Das geht aus der Grundbuchakte hervor, die dem SPIEGEL vorliegt.
Grund für das Gezerre um die Immobilie nach Aktenlage: Als 2014 bekannt wurde, dass Frenck das Gebäude kaufen will, versuchte die Kommune, genauer gesagt die Verwaltungsgemeinschaft Feldstein, dies zu verhindern. Sie machte ein Vorkaufsrecht mit Verweis auf Denkmalschutz geltend. Seitdem läuft ein Verfahren am Verwaltungsgericht Meiningen. Ein Sprecher bestätigte das Verfahren, wollte sich aber nicht weiter dazu äußern.
Denkmalschutz als Knackpunkt
Im September soll nun voraussichtlich nach mehr als vier Jahren das Urteil fallen. Folgt das Gericht der Gemeinde, müsste Frenck aus dem Gebäude raus - es wäre ein Schlag gegen die rechtsextreme Szene. Schließlich fiele dann nicht nur ein wichtiger Ort für Treffen und Konzerte weg. Frenck verlöre auch die Einnahmen aus seinem Restaurantbetrieb. "Ich bin zuversichtlich, dass ich vor Gericht Recht bekomme", sagt Frenck auf SPIEGEL-Anfrage. "Wenn ich verliere, gehe ich in die nächsten Instanzen, bis nichts mehr geht."
Wie wichtig der Neonazi und sein Umfeld für die rechte Szene sind, belegen die Veranstaltungszahlen aus dem vergangenen Jahr, die die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen gezählt hat: Im kleinen Ort Kloster Veßra fanden vier Rechtsrock-Konzerte und sechs Liederabende statt. In der benachbarten Stadt Themar, die zu Frencks Einzugsbereich zählt, waren es elf Liederabende und eine rechtsextreme Großveranstaltung mit mehr als 2000 Besuchern. Für dieses Jahr sind bereits mehrere Veranstaltungen angekündigt.
Damit könnte bald Schluss sein.
Knackpunkt der gerichtlichen Auseinandersetzung wird die Frage sein, ob das Gebäude des Gasthauses tatsächlich von Amt für Denkmalschutz als schützenswert eingestuft wird. In den Grundbucheinträgen erklärt die Gemeinde ihren Vorkauf damit, dass es sich um ein Kulturdenkmal handle und es bedeutend für die Orts- und Regionalgeschichte sei.
Auf dem Grundstück mit dem Gasthaus, so heißt es in der Begründung der Gemeinde, befand sich demnach das Klosterhospital. Es gehöre damit zum Kernbereich des Klosters, das wenige Meter entfernt liegt. Die Denkmalbehörde wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern.
"Es wäre ein weiterer und symbolträchtiger Etappensieg beim Kampf gegen rechtsextreme Strukturen in Thüringen", sagte Landesinnenminister Georg Maier (SPD) dem SPIEGEL. Das Problem wäre damit aus seiner Sicht aber keineswegs beseitigt. Nötig sei gesellschaftlicher Widerstand. Denn: "Die Netzwerke der Neonazis sind weitreichend und gefestigt."