Kommt vor.
Manchmal müssen nicht nur Hunde zum Jagen, sondern Reichis zum Gericht getragen werden ...
Spoiler
Den Richter nennt er eine Privatfirma
Trotz mehrfacher Aufforderung durch Richter Henle nahm der mit Handschellen gefesselte Mann nicht neben seinem Anwalt Mehmet Pektas (Günzburg) Platz, sondern blieb auf der Seite der Staatsanwaltschaft auf dem Boden sitzen, den Rücken an einen der Podeste gelehnt. Und dann ging’s schon los: „Sie sind eine Privatfirma, eine Privatperson“, schimpfte der 66-Jährige in Richtung des Richtertisches. „Sie haben kein Recht, über Menschen zu urteilen.“
Wegen der ständigen Zwischenrufe und Störungen verhängte der Amtsgerichtsdirektor gegen den aus dem sächsischen Freiberg stammenden Mann eine einwöchige Ordnungshaft. Die Anklage lautete auf dreifache Beleidigung von Mitarbeitern des Hauptzollamtes Augsburg in der Antwort auf einen Steuerbescheid: „Dummheit ist nicht wenig wissen, auch nicht wenig wissen wollen. Dummheit ist glauben, genug zu wissen“, hieß es darin und „medial verblödete, indoktrinierte, besser wissende Schlafschafe“. In einer weiteren E-Mail bezeichnete der Mann die Zollbeschäftigen als „Verbrecher“.
Das Verfahren drohte völlig aus den Fugen zu geraten, denn der 66-Jährige weigerte sich beharrlich, irgendeine Frage des Richters zu beantworten. Stattdessen kamen immer wieder die aus der „Reichsbürger“-Szene bekannten Argumente: „Sie haben keinen Vertrag mit mir, Sie sind nicht zuständig. Meine persönlichen Verhältnisse gehen Sie gar nichts an.“ Die Beschimpfungen nahezu aller Prozessbeteiligten nahmen an Schärfe noch zu und gipfelten in den Bezeichnungen: „Lügner, Betrüger, Räuber und Verbrecher.“
Der Angeklagte hat mehrere Einträge im Strafregister
Richter Henle ließ sich nicht beirren, sondern informierte über reichliche Einträge im Strafregister: Wegen versuchter Erpressung, Nötigung, Beleidigung und Körperverletzung wurden fünf Urteile verhängt, seit dem Letzten im Oktober 2018 befindet sich der Mann in Haft. Wegen seines Knastaufenthalts forderte der Angeklagte eine Entschädigung in Höhe von 38000 Euro als „Silberäquivalent“.
Der Mann wird wohl noch mehr Entschädigung verlangen, denn er soll nun weitere 18 Monate absitzen, so das Urteil. Der Angeklagte hörte es auf dem Boden sitzend, statt im Stehen, wie üblich. Die Staatsanwaltschaft hatte mit einem Jahr und neun Monaten eine noch etwas höhere Strafe gefordert, weil der Angeklagte „völlig uneinsichtig“ sei. Die Bitte um eine milde Strafe von Anwalt Pektas, der immer wieder versuchte, seinen Mandanten zu beschwichtigen, blieb erfolglos.
Nach der Urteilsverkündung schaffte es der „Reichsbürger“ sogar, mithilfe der Polizisten aufzustehen und den Gerichtssaal auf eigenen Füßen zu verlassen. Nicht ohne noch eine Drohung an Richter Henle loszuwerden: „Natürlich nehme ich das Urteil an, als Beweismittel gegen Sie.“ Er könne ihm nämlich keine Straftat nachweisen. Ob die Haftstrafe an der Gesinnung des Günzburgers etwas ändert, scheint wohl höchst zweifelhaft.