In der "Lügenpresse" gibt es jetzt endlich mal einen Artikel zu Durchseuchung von Spieleservern/-anbietern mit NeoNazis. Die "Reichsbürger" haben sie aber leider vergessen.
Spoiler
Plattform Steam Story: Rekrutieren Rechte ihren Nachwuchs jetzt unter Gamern?
Experte spricht von einer "Durchdringung" Steams mit "verfassungsfeindlicher Symbolik"
Es war eine Nachricht, die amerikanische Eltern und Gamer gleichermaßen in Aufruhr versetzte. Der US-Radiosender NPR berichtete, Gruppierungen rechter Hetzer würden seit neuestem Videospieler rekrutieren. Stimmt das? Und passiert es auch in Deutschland, wo rechte Gruppen gerade alle gesellschaftlichen Schichten neu zu durchdringen versuchen?
NPR nannte das Beispiel eines Vaters, der plötzlich rechtes Gedankengut bei seinem Sohn feststellte, das dieser durch Kontakte auf der Gaming-Plattform "Steam" aufgeschnappt haben soll. Zumindest in den USA war die Sache danach schnell klar: Wer schon immer vermutet hatte, dass Spiele nichts Gutes sind, fühlte sich einmal mehr bestätigt. Eine Journalistin der renommierten Gaming-Website Kotaku schrieb dagegen in einer Antwort, die Quelle sei nicht ernstzunehmen und überhaupt würden hier feststehende Vorurteile nur weiter zementiert - auch wenn es unstrittig sei, dass es rechte Strömungen auch unter Gamern gebe.
Und in Deutschland? Forschung zu rechten oder gar neonazistischen Einflüssen auf Spieler ist rar gesät bis gar nicht vorhanden. Christian Huberts ist aber das, was einem Experten auf dem Gebiet am nächsten kommt. Der Medienwissenschaftler, der nebenbei für ZEIT Online, Spiegel Online und das Gaming-Magazin WASD schreibt, hat sich quasi in Eigenrecherche ein (nicht repräsentatives) Bild gemacht. Das Fazit seiner jüngst veröffentlichten Bestandsaufnahme: "Nicht nur bei Facebook und Twitter ist der Plattformkapitalismus auf dem rechten Auge blind."
Nutzer geben sich Namen wie "Rassentrenner" und "Totenkopfsoldat"
Er meint damit vor allem "Steam", wo man Spiele kaufen und in Foren diskutieren kann. 125 Millionen Nutzer haben hier Konten, seit Januar 2016 kommen monatlich 1,5 Millionen hinzu (Stand: 2017). Das sind zahlende Kunden, von deren Ausgaben Entwickler Valve standardmäßig 30 Prozent abschöpft.
Hier hat Huberts stichprobenartig nach "oberflächlich mindestens rechtsoffenen bis hin zu rechtsextremen" Profilen oder Gruppen gesucht - und ist ohne große Mühe fündig geworden. Mehreren Berichten zufolge gibt es tausende (!) entsprechender Gruppen. Es sei aber oft eine Gratwanderung zu entscheiden, ob es sich um Ideologie oder Provokation handele. Meist gäben sich die Administratoren den Anschein von politischer Neutralität, mit der es sich bei genauerem Hinsehen dann aber schnell erledigt hat.
Doch es gibt auch eindeutige Beispiele. Nutzernamen wie ☩Rassentrenner☩ oder O.P.D. Totenkopfsoldat sind keine Seltenheit, sie kommentieren in Gruppen wie "Deutscherfreundeskreis" (6.000 Mitglieder) oder "Deutscher Orden" (1.600). Manchen reicht es, Swastikas zu hinterlassen, zu provozieren, andere werben für ihre AfD-Diskussionsgruppen, in denen dann vor allem gegen Ausländer oder Kommunisten geschossen wird.
Experte: Steam ist von rechtem Gedankengut durchdrungen
Huberts Hinweise reichten uns aus, in relativ kurzer Zeit die von ihm beschriebenen und etliche weitere rechtsnationale User und Gruppen zu finden. Es sind keine Riesennetzwerke, doch es finden sich etliche Gruppen mit 100 oder 200 Mitgliedern. In mancher wird offen für die rechtsextreme Netzbewegung "Reconquista Germanica" rekrutiert. Das Wort benutzt Huberts. Das erklärte Ziel von "RG" ist übrigens, die AfD zu stärken.
Auch die vom Verfassungsschutz beobachtete "Identitäre Bewegung" macht hier auf sich aufmerksam. Eine Gruppe mit diesem Namen hat bisher 504 Mitglieder, die unter anderem diskutieren lässt, welche Spiele den deutschen Geist am besten verkörpern. Mit zugegeben bescheidenem Erfolg.
Dennoch: Huberts spricht klar von einer "Durchdringung" Steams mit "verfassungsfeindlicher Symbolik". Nutzernamen mit Hakenkreuzen, SS-Runen oder neurechte Memes werden offen zur Schau gestellt. Viele Nutzer beschreiben sich mit Hitlerzitaten, diskutieren offen die Endlösung oder leisten den Führereid. "Bedenklich finde ich daran, dass sich zwischen einer Vielzahl von Provokationen dann tatsächliche Neonazis finden, die für sich werben - man kann es eben auch rekrutieren nennen", sagt Huberts.
Und was sagt der "Steam"-Betreiber zu der Problematik? Bisher: nichts (übrigens auch anderen Medien nicht). Das Thema ist für Valve kein leichtes, die Kritik an mangelndem Überblick über das, was die Nutzer hier treiben, ist nicht neu. Und nach allem was man weiß, hat das Unternehmen nur 360 Mitarbeiter - die sich neben Community-Management auch noch um Spieleentwicklung und Hardware kümmern müssen.
Auch Huberts hat die Erfahrung gemacht, dass es wenig bringt, Valve auf die Problematik zu stoßen. Er habe nach seiner Recherche etwa 30 Fälle verfassungsfeindlicher Symbole und ähnliches bei "Steam" gemeldet. Antworten bekam er zu drei Fällen. "Und da wurde auch nicht erklärt, wo man tätig geworden war und wie. Die Diskussion um die Endlösung habe ich danach immer noch gefunden", sagt Huberts.
Dabei müsste "Steam" solche strafbaren Inhalte in jedem Fall entfernen, erklärt Spielerechtsanwalt Felix Hilgert auf Anfrage. Und zwar "sobald sie davon Kenntnis haben". Das gilt für alle auf den deutschen Markt ausgerichteten Plattformen, auch solche mit Sitz im Ausland wie "Steam".
Und tatsächlich wird Valve tätig, manches Profil ist mittlerweile unauffindbar, mancher Thread wird geschlossen. Es scheint aber, als setze das Unternehmen darauf, seinen Kunden nicht zu viel zuzumuten, was diese als Gängelung empfinden und deshalb abwandern könnten. Auch wenn das bedeutet, dass rechte Ideologen sich hier unter dem Deckmantel der Neutralität an Spieler heranmachen können. Und das sind in Deutschland zum großen Teil junge Menschen. Ein Viertel von ihnen ist gerade einmal 19 Jahre alt.