Nach dem Durchlesen des Artkeils frage ich mich: Warum hat das Haus keine Schießscharten?
Eventuell ein gepanzertes Fahrzeug (wenn man schon "marodierende banden" erwartet)?
Spoiler
"Bloße Kenntniserlangung von Personen", die riesige Mengen Lebensmittel horten, sei keine Grundlage zur polizeilichen Speicherung, meldete Bayerns Innenministerium im Sommer auf eine SPD-Anfrage. Aussagen zur Struktur und Größe der Szene seien nicht zu treffen, auch nicht über verfassungsfeindliche Ansichten. Oder zum Anteil sogenannter Doomer, die quasi freudig auf einen Bürgerkrieg warten, um sich mit Gewalt Recht zu verschaffen. Erkenntnisse gebe es jedoch über zwölf Menschen im Freistaat mit Prepper-Bezug: Sie wurden der Polizei bei Ermittlungen bekannt. Gegen vier von ihnen gab es waffenrechtliche Verfahren.
Bundesweit haben einige Fälle, in denen "Reichsbürger" und offenbar militante Neonazis als Prepper identifiziert wurden, die Öffentlichkeit aufgeschreckt. Eine "generelle Gefährdungslage" sei in der heterogenen Szene nicht erkennbar, hieß es zuletzt aus der Innenministerkonferenz, die gleichwohl eine mögliche "Unterwanderung" prüft. Ende November berät sie erneut. Der Ruf der Szene ist jedenfalls ruiniert. Christian will sich dagegen wehren, in seinem Verein "Prepper".
Zu Besuch bei dem 40-Jährigen, eine Gemeinde im Kreis Coburg. Er ist "Bereichsleiter Süd" im Verein. Eine Deutschlandfahne wartet am Mast vorm Haus auf Wind. Ein gutes Zeichen: Ein Reichsbürger würde die nie haben. Der Sohn schaut "Captain America" im Fernsehen, Papa kocht Kaffee und kommt ins Erzählen. Ja, er sei schon "Patriot, mein Herz ist bei unserem Land und den einfachen Leuten". Da werde aber "viel über einen Kamm geschert". Zur Flüchtlingspolitik mag er nichts sagen. Für den Verein spiele Politik überhaupt keine Rolle, auch wenn zuweilen diskutiert werde wie am Stammtisch. Man distanziere sich "vollkommen von politischen Bewegungen gleich welcher Richtung, extreme Ansichten in alle Richtungen werden nicht geduldet und haben den Ausschluss zur Folge".
Reichsbürger hätten hier nichts zu suchen, im Gegenteil: Man wünsche sich mehr Zusammenarbeit mit den Behörden. Und man habe bereits Interessenten abgewiesen, einen etwa, der in sozialen Netzwerken mit dem Gewehr fuchtelte. Richtschnur: das Waffengesetz - das ergebe große Unterschiede zu den USA. Prepper sein, sagt Christian, sei für ihn "viel mehr Lifestyle als Weltanschauung". Die Grundidee sei, einfach gewappnet zu sein oder zu wissen, wie man im Notfall reagiere. "Damit man nicht die Krise schiebt in der Krise."
Darauf gestoßen ist er über Facebook; man mache sich Gedanken, was auf der Welt los sei und was wäre, wenn Strom und Wasser weg seien oder das Bankensystem kippe. "Da kommt man ins Grübeln, unser Leben hängt ja im Grunde an dieser kleinen Plastikkarte zum Bezahlen." Das sind die Krisen, die er "als am wahrscheinlichsten" sieht. Vielleicht noch Elektro-Blackout, kurzzeitig. Naturkatastrophen erwarte er hier keine, "da deckt halt vielleicht der Sturm ein paar Dächer ab". Und Krieg? Bürgerkrieg? "Weniger", aber angesichts der "Spielchen zwischen Ost und West" in der Welt - "man sollte niemals nie sagen." Generell, glaubt er, springe ja die Vorsorge des Staates ein, "aber dauerhaft und flächendeckend sieht das schon anders aus. Meiner Ansicht nach sollte jeder was tun." Er sagt das nüchtern, fast beiläufig werden Krisen skizziert. Ängstlich wirkt er nicht.
Im Grunde sei "fast jeder ein bisschen Prepper"
2016 hat das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) seinen Ratgeber aktualisiert. Für zehn Tage sollten Bürger eingedeckt sein, pro Person: 20 Liter Wasser, zum Trinken und Kochen. Brot und Nudeln brauche man einige Kilo sowie Gemüse und Obst, bevorzugt in Dosen. Die Nachricht aktivierte Lachfalten und Sorgenfalten gleichermaßen. Mehr als laut BBK nötig habe er gar nicht, sagt Christian. Jeder im Verein gehe anders vor: Einige horten Konserven, einer sei als "Ravioli-Mann" berüchtigt, wenn im Forum einer Sonderangebote melde, Bockwürste oder Gulasch, stürzten Kollegen dorthin.
Ein Renner im Netz ist extrem Haltbares wie Panzerkekse und Eipulver. Samt Debatte: Wie viele Jahrzehnte hält Dosenbrot wirklich? Er selbst sei, so Christian fast entschuldigend, "eher der Natur-Typ". Er könne keine prallen Lager zeigen. Aber stolz verweist er auf Hochbeete im Garten und die Ernte, streichelt Zwiebeln, präsentiert Kartoffeln und Möhren; im Sommer lebe man fast autark, zum Winter fabriziere seine Frau Chutneys und Eingewecktes. "Wie es Opa und Oma einst gemacht haben."
Mit einer Freude wie ein Kind unterm Christbaum, gibt er Einblick in den BoB. Der ist quasi Standard, aber nicht bei allen gleich. Drin sein kann: Essen, Kleidung für jedes Wetter, Schlafsack, Kompass, Werkzeug, Erste Hilfe von der Zeckenbisszange bis zum Dünnpfiffmittel, Seife, alles fürs Feuermachen. Wenn er damit in den Wald geht, scherzen auch mal Nachbarn: "Na, du Soldat!" Er hat aber nur Grundwehrdienst absolviert.
Im INCH kann landen: Tierfallen mit Ködern, Samen, um eine neue Heimat zu beackern; Tabak auch für Nichtraucher. Als Ersatzwährung. Manche glauben: eine Bibel! Christian liebäugelt akut mit einem 120-Liter-Gebirgsrucksack als Basis für den künftigen INCH. Ohnehin erstelle jeder Prepper andere Szenarien: Kollegen in der Stadt versuchten oft, sich sichere Orte auf dem Land aufzubauen und Fluchtrouten dorthin. "In der Großstadt weht ein anderer Wind und in der Krise erst recht." Christian setzt auf sein Haus. Die Anschaffung eines Notstromaggregats steht aus. Bunker habe er keinen, wolle auch keinen.
Der Verein zähle gut 60 Leute, knapp die Hälfte im Süden. "Alle mitten aus dem Leben, quer durch alle Berufe und die Gesellschaft." Viele Handwerker, auch Büromenschen - zwei linke Hände sollte man nicht haben. Einige Frauen, vor allem sympathisierende Gattinnen. Der Jüngste sei Mitte 20, "da hat man ein Minimum an Lebenserfahrung, das sollte schon sein". Austausch und auch Kurse bietet man an - und suche Aufmerksamkeit: um die Idee zu verbreiten, Neulinge zu locken und Vorurteile auszuräumen. Der Franke sagt: "Der Prepper an sich ist ja oft ein scheues Tier. Wir wollen uns aber als Verein nicht verstecken."
Mit Sicherheit dächten viele, "dass wir einfach einen Vogel haben", erzählt Christian. Aber im persönlichen Gespräch kämen einige ins Nachdenken, legten sich doch mal wieder Vorräte zu. Im Grunde sei "fast jeder ein bisschen Prepper, auch wenn er sich nie so nennen würde": Gartenfreunde, Bastler, Pfadfinder, Bergsteiger, Camper, "die haben schon die halbe Miete daheim liegen". Jeder, der Proviant bunkere, auch wenn es aus Bequemlichkeit ist. Manche kämen allerdings mit falschen Vorstellungen zum Verein. Ein Frau wollte beitreten und fragte: Wo werde sie abgeholt und an einen sicheren Ort gebracht, wenn etwas passiere? Sie wurde dann nicht Mitglied. "Es geht nur mit Eigeninitiative", sagt Christian. "Wir sind nicht die Wohlfahrt."