Reichsbürger in Dresden...
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Drohungen und Gewalt: Wie Reichsbürger Dresdner Behörden zu schaffen machen
In vielen Ämtern sorgen Anhänger der Szene mit absurden Schreiben für reichlich Ärger. Doch bei etlichen der Querulanten handelt es sich keinesfalls nur um harmlose Spinner. Sie schrecken auch vor Straftaten nicht zurück.
Dresden
An Fantasie mangelt es Reichsbürgern ganz offenkundig nicht. Das müssen die Mitarbeiter der Dresdner Stadtverwaltung fast täglich aufs Neue erleben. Konfuse Rechtspamphlets und Kriegsgefangenenpost, selbstgebastelte Ausweise und an den Haaren herbeigezogene Forderungen – die Liste der Absurditäten ist lang. Doch so abstrus das alles klingt: Viele der Reichsbürger, Selbstverwalter und Staatenlosen meinen das, was sie da treiben, durchaus ernst und schrecken auch vor Beleidigungen, Drohungen und sogar Gewalt nicht zurück.
Die Mitarbeiter des Dresdner Steuer- und Stadtkassenamtes bekommen das immer wieder zu spüren – und müssen mit allem rechnen. Schon vor längerer Zeit wurde ein Mitarbeiter beim Versuch, ein Bußgeld bei einem Reichsbürger einzutreiben, von ihm erst in eine abwegige Diskussion über die Existenz des Staates verwickelt und schließlich bedroht – damit, dass er den Bediensteten „und seine Familie schon noch kriegen werde“, wie Rathaussprecher Karl Schuricht berichtet.
Der Vorfall hatte ein Nachspiel. Wegen versuchter Nötigung kassierte der Reichsbürger von der Justiz einen Strafbefehl zu 70 Tagessätzen á 20 Euro. Dem war eine entsprechende Anzeige vorausgegangen. Nicht immer werden die Betroffenen derart ausfallend, für reichlich Ärger sorgen die Reichsbürger dennoch. Fünf bis zehnmal im Monat, so erklärt Karl Schuricht, müssen sich Mitarbeiter der Stadt mit renitenten Reichsbürgern und ihren kruden Ansichten auseinandersetzen.
Besonders betroffen: Das Ordnungsamt. Am häufigsten wehren sich Reichsbürger gegen Bußgelder, argumentieren, dass die Gesetze null und nichtig seien, die Stadt als Teil der „BRD-GmbH“ nicht zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten befugt ist. Auch im Pass- und Meldewesen sorgen die notorischen Querulanten für viel Arbeit, überschütten die Mitarbeiter mit teils konfusen Schreiben – und provozieren so immer neuen Schriftverkehr, was wiederum viel Kraft bindet.
„In der Regel bewegen sich reichsbürgertypische Äußerungen jedoch gerade noch innerhalb der geltenden rechtlichen Grenzen“, erklärt Karl Schuricht, weshalb dem Phänomen nicht mit strafrechtlichen Mitteln beizukommen sei. Wenn wie im geschilderten Fall aber tatsächlich Mitarbeiter beleidigt, bedroht oder angegriffen werden, reagiere die Stadt sofort mit entsprechenden Anzeigen.
Und etliche Reichsbürger sind keineswegs einfach nur harmlose Irre. 2017 hatte das Landeskriminalamt (LKA) in Sachsen 235 Straftaten erfasst, deren Begehung im Kontext typischer Reichsbürgerhandlungen lag – 27 davon in Dresden. Und bei den 235 Delikten handelt es sich oft nicht um Kavaliersdelikte. Das LKA listet acht Körperverletzungen, sieben Bedrohungen und drei Erpressungen auf.
LKA-Sprecher Tom Bernhard kann zudem bestätigen, dass sich die Ausfälligkeiten der Reichsbürger auch immer wieder gegen Vollstreckungsbeamte richten. Im vergangenen Jahr hat seine Behörde in Sachsen 18 „Widerstandshandlungen zum Nachteil von Vollzugs- und Vollstreckungsbeamten“ registriert.
Betroffen sind aber nicht nur Mitarbeiter aus kommunalen Verwaltungen. Auch in den Finanzämtern müssen sich Bedienstete mit Reichsbürgern herumplagen. „Sie versuchen, die Arbeit zu erschweren oder unmöglich zu machen, indem sie die Finanzämter mit seitenlangen Schreiben überziehen und die Bearbeiter in endlose Gespräche ohne steuerfachlichen Inhalt verwickeln“, sagt Diana Poth, Sprecherin im Landesamt für Steuern und Finanzen. Und: Mitunter werden auch in den Finanzämtern Mitarbeiter bedroht. „Einzelne sogenannte Reichsbürger sind gewaltbereit“, bestätigt Diana Poth. Entsprechende Sachverhalte würden umgehend und ausnahmslos angezeigt.
Was Sachsens Verfassungsschutz zudem konstatiert: Die Reichsbürgerszene sei durchaus eine Gruppe, der auch „ein erhebliches Potenzial an verschwörungstheoretisch geprägten und waffenaffinen Menschen angehören.“ Eine gefährliche Melange: „Insbesondere Waffenbesitzer können in diesem Zusammenhang eine besondere Gefahr darstellen“, warnt deshalb der Verfassungsschutz.
Das LKA verweist auf sechs erfasste Verstöße gegen das Waffengesetz in 2017 – wobei es sich bei „Waffe“ nicht immer um eine Schusswaffe handeln muss, wie LKA-Sprecher Tom Bernhard betont. Erst kürzlich hatte Dresdens Rechtsbürgermeister Peter Lames (SPD) darüber informiert, dass in der Stadt zehn Menschen, die zur Szene gezählt werden, eine waffenrechtliche Erlaubnis haben. Vier weiteren Personen habe die Verwaltung bereits die waffenrechtliche Erlaubnis aufgrund der Erkenntnisse widerrufen.
Doch nicht nur bei Waffen kennt die Dresdner Verwaltung kein Pardon, greift auch bei vermeintlichen Bagatellen hart durch. Im April hatten Mitarbeiter der Stadt auf einer Straße ein Auto entdeckt, an dem lediglich ein selbst gestaltetes Nummernkürzel prangte. Ein reichsbürgertypisches, selbst hergestelltes Kennzeichen, wie Karl Schuricht sagt.
Der Stadt gelang es, die Halterin des Autos, die im weiteren Umland von Dresden lebt, zu ermitteln. Das Ordnungsamt leitete daraufhin ein Verfahren zur Beräumung des Pkw aus dem öffentlichen Verkehrsraum wegen unerlaubter Straßensondernutzung ein. Von den Reichsbürgern lasse sich die Verwaltung nicht beeindrucken, stellt Karl Schuricht klar. Das notwendige Verwaltungshandeln werde vollzogen – „wie bei allen anderen, zum Teil schwierigen Bürgern auch“.
Eigentlich gehört es ja zum Freistaat Preussen oder zur Haverbeck. Da wir aber auch hier viel davon haben, z.B. hier
packe ich es mal in den "allgemeinen Teil".
Rigolf Hennig wurde erneut zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Richtig witzig: Seit Anfang des Jahres veröffentlicht er nicht mehr...äääähhmmm...seit wann ist die Nazi-Hexe Haverbeck auf der Flucht bzw. im Knast?
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Amtsrichter gibt Bewährung
15 Monate für Rigolf Hennig: Schon wieder Volksverhetzung
04.09.18
Verden - Zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe wegen Volksverhetzung in vier Fällen hat das Amtsgericht Verden gestern den ehemaligen Verdener NPD-Ratsherrn Rigolf Hennig verurteilt. Wie bereits bei einer Verurteilung im Mai musste sich der 83-Jährige wegen seiner Beteiligung an der Zeitschrift „Stimme des Reiches“ verantworten. Außerdem beschloss das Schöffengericht die Einziehung von knapp 19.700 Euro. So viel sollen die Abonnenten gezahlt haben.
Das im Mai dieses Jahres ergangene Urteil des Landgerichts in einem Berufungsverfahren ist noch gar nicht rechtskräftig. Aber der gebürtige Augsburger saß schon wieder auf der Anklagebank. Diesmal ging es um vier weitere Ausgaben, die im Zeitraum Dezember 2016 bis August 2017 erschienen. Jede Ausgabe entsprach einem Fall, weil jedes Heft nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft und des Schöffengerichts strafrechtlich relevante Inhalte in gleich mehreren Artikeln enthielt.
„Der Angeklagte hat eingeräumt, an der Herstellung und Verbreitung beteiligt gewesen zu sein. Die Äußerungen, wie sie in den Zeitschriften gestanden haben, sind eingeräumt worden“, stellte der Vorsitzende Richter Christoph Neelsen im Urteil fest. Selbst verfasst hatte Hennig nur einen dieser Artikel. Andere hatte die inzwischen inhaftierte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel verfasst. „Gaskammern für die Ermordung von Menschen gab es nicht“, heißt es in dem Text. „Das ist kein verharmlosen, sondern leugnen“, hieß es in der Urteilsverkündung.
Damit widersprach er Verteidiger Marin Kohlmann aus Chemnitz, der einen Freispruch beantragt hatte. Der Szene-Anwalt und Vorstand bei „Pro Chemnitz“ hatte Hennig und Haverbeck in vorherigen Verfahren vertreten. Anderthalb Jahre auf Bewährung hatte dagegen Erste Staatsanwältin Dr. Maren-Bettina Napp gefordert.
Seit Anfang des Jahres veröffentlicht Hennig nicht mehr
„Das hat mit freier Meinungsäußerung nichts mehr zu tun“, hieß es in der Urteilsbegründung. Durch vorherige Durchsuchungen habe es mehrere Warnschüsse gegeben, doch erst seit Beginn dieses Jahres seien keine weiteren Zeitschriften mehr veröffentlicht worden. Hennig will sämtliche politischen Aktivitäten aufgegeben haben.
Sein Recht der Berufung will er wahrnehmen und sprach von einer „Hexenjagd“ gegen ihn. Kaum ausgesprochen, fragte er beim Verteidiger nach. „Hexenjagd darf man sagen“, so Kohlmann. Strafrechtlich nicht zu beanstanden.
wb