Und an der Saar so ...
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Kannste dir nicht ausdenken, denkt man mit Blick auf den Landesverband Saar der AfD. Das Skandaltrüppchen aus dem Südwesten schafft es gerade mal wieder in die Schlagzeilen: Das eigene Schiedsgericht hat dem Landesvorstand am Donnerstagabend untersagt, an diesem Sonntag einen Parteitag durchzuführen. Es geht um umstrittene Satzungsänderungen, welche die Saar-AfD im April beschlossen hat, um die schnellere Abwahl von Delegierten zu ermöglichen. Die "Saarbrücker Zeitung" berichtete zuerst darüber.
Was für eine Mannschaft, die sich die AfD im Saarland seit einigen Jahren leistet und der Mitglieder des Bundesvorstands auch immer wieder ihre Aufwartung machen. An ihrer Spitze steht Josef Dörr, 79 Jahre alt. Dörr ging einst bei Neonazis auf Mitgliederakquise. Sein Landesverband wurde damals für einige Wochen aufgelöst. Gegen Dörr läuft seitdem ein Parteiausschlussverfahren. An seiner Seite befindet sich sein treuer Sprecher und Landtagskollege Rudolf Müller, ein Antiquitätenhändler aus Saarbrücken. Müller bot in seinem Laden im Stadtzentrum auch Orden mit Hakenkreuzen und "KZ-Geld" an.
Etwa alle drei Wochen trifft sich der Landesvorstand der Saar-AfD zur Sitzung in seiner Geschäftsstelle. Die Versammlung beginnt kurz nach 18 Uhr. Dem stern liegen die Protokolle dieser Versammlungen vor. Sie sind sprachlich eher knapp formuliert und inhaltlich auf den Kern reduziert. Und doch ermöglichen sie einen Einblick in das Innere der Saar-AfD. Um Politik für das Saarland geht es darin selten.
Geld ist da, reichlich
Finanziell läuft alles bestens für den Landesvorstand um Josef Dörr. 33.000 Euro hatte die Partei Anfang des Jahres in der Kasse. Im Landtag sitzt die AfD außerdem mit drei Männern, von denen sich immerhin zwei, Dörr und der Antiquitätenhändler Müller, gut verstehen. Sie haben in der Fraktion Geld zur Verfügung und finanzieren damit Jobs für Parteifreunde. Josef Dörr konnte als Fraktionsvorsitzender einem Großteil derjenigen, die mit ihm im Landesvorstand sitzen, einen Posten bei sich im Landtag anbieten. Die Parteifreunde griffen gerne zu.
Geld ist also da, in der Fraktion und auch in der Partei. Im Jahr 2017 kamen in der Saar-AfD fast 28.000 Euro an Mitgliedsbeiträgen zusammen. Die Protokolle der Landesvorstandssitzungen allerdings erzählen oft von Streitereien und Ärger. Immer wieder taucht der Rechtsanwalt der AfD auf, der in der Partei seit Jahren einen solventen Mandanten weiß.
Es war wohl eine Art Erleichterung, als der Chef Josef Dörr kürzlich aus Berlin berichtete, von der AfD-Demonstration an Hauptbahnhof und Brandenburger Tor. "Besonders gelungen sei die Fahnenverteilung durch die Bundespartei gewesen", erzählte Dörr laut Protokoll. Das "schwarz-rot-goldene Fahnenmeer" habe der Veranstaltung "ein besonderes Flair verliehen".
Benimm-Regeln für Parteitage
Alles gut demnach in der Hauptstadt. Daheim im Saarland aber benehmen sich manche AfD-Leute eher nicht so, wie es sich gehört. Der letzte Parteitag der Partei wurde angefochten. Als der Landesvorstand bei einer Sitzung davon erfährt, notiert der Protokollant leicht resigniert: "Diskussion und Disput über das ständige Anfechten jeder Veranstaltung, das Benehmen auf Landesparteitagen und die schlechte Außenwirkung."
Die Außenwirkung der Saar-AfD ist tatsächlich gruselig. Dörr selbst machte zuletzt von sich reden, als er Förderschüler mit ansteckenden Patienten verglich. Im Landesvorstand regte nun jemand an, "Comment-Regeln" zu verabschieden, auf "dass es nicht mehr, wie beim letzten Parteitag geschehen, zu ständigen Störungen kommt". Dieser AfD-Vorstandsmann war offenbar schwer genervt. Er zählte auf, was er künftig nicht mehr haben wolle: "keine selbst gebastelten Stimmkarten; kein Gejohle und keine laute Störung".
Spanferkelessen für das Tierheim
Der Vorstandsmann wollte auch nicht, dass sich bei Parteitagen Zuschauer in Diskussionen einmischen. Und notfalls wollte er auch Delegierte aus dem Saal entfernen lassen. Einmal sei das bereits passiert, berichtete das Vorstandsmitglied. Damals wurde, Zitat Protokoll, "Adolf Hitler als Kandidat für einen weiteren stellv. Landesvorsitzenden vorgeschlagen".
Die Vorstandskollegen sahen das ähnlich – wer Hitler als Dörr-Vize vorschlägt, soll des Saales verwiesen werden. "Thema wird ohne Abstimmung in großem Konsens positiv bewertet", hält das Protokoll fest.
Im Dezember hatte die Saar-AfD einen Weihnachts-Infostand geplant, es sollte Spanferkel geben und der Erlös "dem Tierheim Homburg zugute" kommen. Das war nicht politisch, aber immerhin gesellig. Das Jahr 2018 begann in dieser Hinsicht dürftig. Der politische Aschermittwoch mit Bier und provokanten Reden wurde laut Protokoll einer Vorstandssitzung "schlichtweg vergessen". Das werde aber im nächsten Jahr nicht mehr passieren, nahm sich der Vorstand vor. Schon in diesem Jahr sollten ein großes Skatturnier und auch eine "Weinfahrt an die Mosel" stattfinden.
Es geht "um zig Millionen"
Auch finanzielle Dinge hingegen sind von Interesse im AfD-Landesvorstand. Und man ist da durchaus auch kritisch an der Saar. "Der Bundesschatzmeister kümmert sich offensichtlich nicht ausreichend um sein Kerngeschäft, weshalb die AfD abermals den Verlust von Millionen Euro riskiert", berichtet Landeschef Dörr laut Protokoll von einer Sitzung des AfD-Konvents, einer Art kleinen Parteitags. Weil Geld so wichtig ist für das Parteileben, will Dörrs Kumpel Rudolf Müller auch unbedingt einen Beschluss über eine AfD-nahe Stiftung fassen. Die ist in der Partei gerade etwas umstritten. Müller sagte laut Protokoll: "Wir brauchen eine Stiftung, alles andere wäre verantwortungslos." Es gehe da schließlich "um zig Millionen".
Ansonsten zeigen die Protokolle noch die bizarr herausgehobene Stellung, die der Vorsitzende Josef Dörr innerhalb des Vorstands einnimmt. Sie wird deutlich, als ein Schreiben an die Mitglieder des Landesvorstands tatsächlich auch den Mitgliedern des Landesvorstands zugeht. Laut Protokoll will Dörr daraufhin wissen, "warum das Schreiben an die LaVo-Mitglieder überhaupt einfach so weitergeleitet wurde". Die Erklärung, die er bekommt, ist naheliegend: Der Brief sei eben an alle im Vorstand gerichtet gewesen.
Akzeptiert? Nein. An dieser Stelle springt ein Dörr-Adlatus ein. Er "weist darauf hin, dass alle Schreiben erst von Josef genehmigt werden sollten, bevor sie an die Vorstandsmitglieder weitergeleitet werden". Ein Vorstandsmitglied wirft ein, dass dies ja eine "Vorauswahl" durch Dörr darstelle. Egal. Der Rest des Landesvorstands hat "keine weiteren Einwände".
Der Gesundheitszustand des Parteivorsitzenden
Es muss also nicht gleich jeder alles wissen im Vorstand dieses AfD-Landesverbandes. Und es muss auch nicht alles im Protokoll erscheinen, was in den Sitzungen gesagt wird. So sieht das zumindest Dörrs Sprecher Rudolf "Rolf" Müller. "Rolf möchte, dass ein ganzer Passus aus dem letzten Protokoll gestrichen wird (TOP 10)", heißt es im Protokoll der Sitzung von Mitte Mai. Damals hatte die Zusammenkunft mehr als drei Stunden gedauert, und beim Tagesordnungspunkt 10 ging es auch um einen Antrag eines Parteimitglieds, den Gesundheitszustand des Vorsitzenden untersuchen zu lassen. Der Antrag war im so genannten Antragsbuch auf die Homepage der Saar-AfD gestellt worden. Darin schrieb ein Parteifreund über den Landeschef Dörr unter anderem: "Er sieht sich bei uns auf dem Festland nicht nur von U-Booten verfolgt, sondern hält auch die afrikanische Schweinepest für eine raffinierte, gegen das Saarland gerichtete Biowaffe."