Vier Autoren und die haben nicht bemerkt, daß "consulere" nicht nur "beratschlagen" bedeutet, sondern "consulere alicui", also mit Dativ bedeutet "sorgen für jemanden"? ^
Dort weiß man vermutlich, daß man mit geschönten Zahlen die Unentschlossenen dazu bringen kann, die scheinbare Erfolgspartei zu wählen.
Spoiler
"Niemand in der Branche hat auf Insa gewartet, aber auch in der Meinungsforschung ist Wettbewerb sehr notwendig", sagte Binkert in einem Artikel über Insa, der im Thüringer Magazin Besser Leben in Thüringen erschienen ist. Doch Binkert macht den Großen der Branche nicht wirklich Konkurrenz, dazu ist sein Unternehmen zu klein. Beim Branchenverband ADM, bei dem auch Insa Mitglied ist, lassen sich die verschiedenen Institute miteinander vergleichen; nach Mitarbeitern, nach Zahl der Interviewer oder nach der Menge an Telefon-Befragungsplätzen in ihren Studios. Insa ist demnach ein Zwerg. Forsa, Infas, Allensbach, GfK – sie alle beschäftigen viel mehr Interviewer, manche zehn oder zwanzigmal mehr, und haben viel größere Befragungsstudios.
"Mit dem Insa-Meinungstrend erheben wir wöchentlich online die politische Sonntagsfrage für die Bild-Zeitung", heißt es in einer Insa-Eigenwerbung bei YouTube. Doch dieser Meinungstrend basiert nicht allein auf Insa. Die zugrunde liegenden Daten werden von YouGov erhoben, einem international aktiven Umfrageinstitut, das sich auf Onlineumfragen spezialisiert und dabei auch schon mit der ZEIT und ZEIT ONLINE zusammengearbeitet hat. Insa kauft die Daten von YouGov, reichert sie an und veröffentlicht die verarbeiteten Ergebnisse anschließend in der Bild.
YouGov bestätigt auf Nachfrage von ZEIT ONLINE: Insa bezahle sie dafür, "das YouGov-Deutschland-Panel in eigenem Namen zur Erhebung von Rohdaten des Insa-Meinungstrends zu nutzen". Das ist ein üblicher Deal, doch damit gebührt zumindest ein Teil des Ruhmes, den Binkert für sich beansprucht, einem anderen Meinungsforschungsinstitut.
Überparteilich?
Vor allem aber sind die Firma und ihr Inhaber Binkert mit dem Vorwurf konfrontiert, dass sie nicht ganz so überparteilich seien, wie sie behaupten. Die Insa-Website listet insgesamt zwanzig Parteien, Medien, Institutionen und Firmen als Referenzen auf – Organisationen, für die das Meinungsforschungsinstitut schon tätig war. Darunter sind die Union, die SPD, die FDP und die Freien Wähler. Die AfD fehlt, obwohl Binkerts Firma immer wieder für diese Partei im Einsatz war.
Im Frühjahr 2014 beispielsweise suchte die damals noch junge AfD unter ihrem Chef Bernd Lucke eine Strategie, um erstmals in ostdeutsche Landesparlamente einzuziehen. Hermann Binkert konnte der Partei in dieser Aufbauphase einiges bieten. Der langjährige CDU-Politiker kennt wie kein anderer Demoskop die Politik aus eigener Erfahrung: Er hat im Bundesfamilienministerium gearbeitet, war persönlicher Referent zweier Ministerpräsidenten und in Thüringen zuletzt Staatssekretär in der Staatskanzlei. 2009 verließ er den Staatsdienst und wechselte in die Umfragebranche.
In der Huffington Post veröffentlichte er zwischen 2013 und 2015 Meinungsbeiträge über die Umfrageergebnisse zur AfD. Sie können wie Analysen der beobachteten Situation gelesen werden. Aber man kann sie auch als Berichte über eine neue Partei verstehen, für die der Autor Binkert Sympathie hegt. So heißt es im Text mit der Überschrift "Neue Volkspartei AfD?": "Die Wähler der AfD, die Wähler der anderen Parteien und die Bevölkerung insgesamt (...) sehen die Alternative für Deutschland als gemäßigte Partei im Mitte-Rechts-Spektrum, politisch nahe bei Union und FDP. (...) Versuche, die AfD mit dem rechten Rand in Verbindung zu bringen, scheitern offensichtlich an der gegenteiligen Einschätzung der Bürger." Binkert interpretiert darin die Wahlumfragen auch mit den Worten: "Ein Vierteljahrhundert nach der friedlichen Revolution in der damaligen DDR, in der sich viele hoffnungsvolle Initiativen bürgerlichen Engagements entwickelten, (...) scheint es in der politischen Landschaft der Bundesrepublik einen neuen demokratischen Aufbruch zu geben (...). Und dabei kann man sich auf Wahlumfragen und Wahlergebnisse stützen, die dokumentieren, dass es einer für die Parlamentsfähigkeit ausreichend breiten Wählerschaft gefällt, wenn es diese politische Alternative gibt."
Als die AfD im März 2014 zu einem hochkarätig besetzten Strategietreffen in ihre Bundesgeschäftsstelle lud, bereicherte neben Vertretern aller ostdeutscher Landesvorstände und der Bundesgeschäftsführung auch ein externer Gast diesen Ostgipfel: Hermann Binkert. Der Insa-Chef hatte Umfrageergebnisse mitgebracht und einen Vortrag für die Politneulinge vorbereitet.
"Sehr gut" sei das Strategietreffen gewesen, berichtete Holger Arppe kurz darauf seinen Mitstreitern. Arppe verließ später die AfD-Fraktion wegen seiner rassistischen und extrem rechten Äußerungen. Zur Zeit des Strategietreffens aber war er noch Landessprecher der Partei in Mecklenburg-Vorpommern – und fand: "Es gab eine Menge toller Anregungen für den Wahlkampf." Das zumindest geht aus Chatprotokollen hervor, die ZEIT ONLINE vorliegen.
Befragungen im Auftrag der AfD
Der Insa-Beiname Consulere ist ein Hinweis darauf, dass die Firma sich ursprünglich mit Beratung beschäftigen wollte. Der Begriff ist die Ableitung des lateinischen consulo, was "sich beratschlagen" oder "um Rat fragen" heißt. Binkert gründete das Unternehmen 2009 zusammen mit einem Berliner Journalisten und Berater für Öffentlichkeitsarbeit – zunächst unter dem Namen Consulere als Meinungsforschungs- und Beratungsagentur. So steht es auch im Gründungsdokument der GmbH. Mehrfach beriet Binkert in der Folge politische Meinungsmacher, statt nur politische Meinungen zu erheben.
Insa pflegte auch geschäftliche Beziehungen zur AfD. Im Auftrag der Partei machte das Unternehmen Telefonbefragungen, Fokusgruppengespräche und erhob Meinungstrends. Allein im Jahr 2014, so zeigen es interne Unterlagen, die ZEIT ONLINE einsehen konnte, stellte Insa der AfD für solche Befragungen mehr als 50.000 Euro in Rechnung.
Eine von Binkerts Firmen hat sogar Reden für die AfD geschrieben: 2014 bot sein Unternehmen DO Dienstleistungsoffice der thüringischen AfD-Landtagsfraktion die "Ausarbeitung von Redeentwürfen" an, wie der Spiegel bereits 2015 berichtete. Auch ein "Arbeitsprogramm" und Pressemitteilungen entwarf Binkerts Firma demnach gegen Geld für die Thüringer AfD-Fraktion. Die DO Dienstleistungsoffice heißt heute nicht mehr so, sie wurde 2017 umbenannt in Insa Field GmbH – einer der Namen auf dem Schild am Eingang.
7.000 Euro an die AfD gespendet
Binkert und die AfD verbindet noch mehr. Im September 2013, nach eigenen Angaben war Binkert zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht aus der CDU ausgetreten, lief nach Informationen von ZEIT ONLINE auf einem Konto der AfD eine Überweisung ein: 3.300 Euro, gespendet von Hermann Binkert und seiner Ehefrau – "mit der Bitte um Sendung einer Spendenquittung".
Auch Binkerts Firma Insa Consulere überwies wenig später eine Spende in Höhe von 2.000 Euro an die AfD. Dabei blieb es nicht. Im November 2013 schloss sich eine leitende Mitarbeiterin an. Von ihr erhielt die AfD 1.700 Euro als Spende. Insgesamt also flossen in diesen drei Monaten 7.000 Euro aus dem Insa-Kosmos als Spenden an die junge Partei.
Die leitende Insa-Mitarbeiterin verbreitete auf ihrem Facebook-Profil auch wiederholt Darstellungen, die auf politische Sympathie für die AfD hindeuten. Kurz vor der Bundestagswahl 2017 etwa teilte sie ein Video von Alice Weidel unter dem Betreff "Merkel-Regierung stürzt Deutschland immer weiter ins Chaos!" Ein anderer Beitrag lautete: "So zerstören die Medien unsere Demokratie!" Zudem teilte die Insa-Führungskraft einen Beitrag von der Facebook-Seite "Grüne! Nein danke", auf der Hetze gegen Grünen-Politikerinnen wie Claudia Roth verbreitet wird. Die Mitarbeiterin hat laut Handelsregister seit November 2013 Prokura für Insa. Und seit 2014 ist sie Mitinhaberin von DO Dienstleistungsoffice beziehungsweise Insa Field – der Firma, die für Insa Umfragen durchführt.
Binkert betont stets seine Unabhängigkeit. Zumindest in den Anfangsjahren der AfD aber war die Partei für sein Unternehmen ein wichtiger Umsatzbringer, und auch Binkert selbst war ihr offensichtlich gewogen. Bis heute pflegt er gute Beziehungen zur Neuen Rechten.
Treffen mit der Neuen Rechten
Im November 2017 lädt der Deutschland-Kurier zu einer Veranstaltung mit dem Titel "Redaktionskonferenz, Workshop und Erfahrungsaustausch" in Frankfurt am Main. Chefredakteur dieser Zeitung ist der PR-Berater David Bendels, der zugleich Vorsitzender des Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten e.V. ist. Dieser Verein wiederum steht in der Kritik, weil er millionenschwere Werbekampagnen für die Alternative für Deutschland organisiert hat. An dem Redaktionstreffen nehmen neben Chefredakteur Bendels nicht nur Erika Steinbach, Maximilian Krah und Nikolaus Fest für die Deutschland-Kurier-Redaktion teil, sondern auch der Meinungsforscher Binkert.
Wenig später sieht man sich wieder, diesmal hat Binkert eingeladen. Sein Unternehmen veranstaltet im Januar 2018 einen Jahresempfang, es hat dafür einen Saal in der "Arena" gemietet, einer Veranstaltungshalle in der Nachbarschaft des Erfurter Firmensitzes. Der Domberg-Kinderchor singt und neben Thüringer Politprominenz ist auch David Bendels unter den Gästen, der Vorsitzende des dubiosen AfD-Unterstützervereins und Deutschland-Kurier-Macher. Im Internet postet Bendels stolz ein Foto, auf dem ein Einladungsflyer zu sehen ist: "Werden Sie Kooperationspartner des Insa-Jahresempfangs 2018", steht darauf. Daneben liegt eine "Ehrenkarte" für die Feierlichkeit.
Etwa zwei Wochen später, im Januar 2018, folgt das nächste Treffen, diesmal in Berlin. Die zwei Hauptredner des Neujahrsempfangs der neurechten Zeitung Junge Freiheit sind deren Chefredakteur Dieter Stein und Hermann Binkert. Binkert hält einen Vortrag über "Meinungsforschung in postfaktischer Zeit", wie die JF auf ihrer Facebook-Seite schreibt. Geschäftlich ist er dem Blatt ebenfalls verbunden, ein ehemaliger Insa-Mitarbeiter sagt, er habe eine Leserbefragung bearbeiten müssen, die Insa im Auftrag der Jungen Freiheit durchgeführt habe.
Kurz vor der Landtagswahl in Bayern im Oktober 2018 arbeitete Insa auch für Bendels Publikation. Bendels bewarb auf Twitter und auf seiner Website eine "exklusive Insa-Umfrage" für den Deutschland-Kurier.
Wie unabhängig sind angesichts solcher Nähe die Wahlumfragen von Insa, wenn es um die AfD geht? Hermann Binkert selbst kann man dazu nicht fragen. Er hat über mehrere Monate hinweg sämtliche Gesprächsanfragen von ZEIT ONLINE ausgeschlagen und fand keine Zeit, über die Arbeitsweise seiner Firma zu reden. Auch schriftliche Fragen dazu ließen er und seine Mitarbeiterin unbeantwortet. Binkert ließ einen Anwalt antworten, der jedoch nicht detailliert auf die Fragen einging.