Autor Thema: Cottbus VG 3 L 343/21 Verlust WBK  (Gelesen 651 mal)

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Cottbus VG 3 L 343/21 Verlust WBK
« am: 5. Januar 2022, 09:53:46 »
Wird m.M. n. nicht ganz korrekt zitiert, wenn in den Artikeln von einem „Waffenverbot“ die Rede ist. Ein Waffenverbot nach § 41 WaffG wäre nämlich auch das Verbot erlaubnisfreie Waffen zu besitzen wie Dolche, Bajonette, Säbel etc.

Hier scheint es sich aber „nur“ um den Widerruf der WBK zu handeln. Opas Bajonett oder Offz-Degen darf er also weiterhin besitzen.

Immerhin war er so schlau, das Schreiben an seinen Innenminister zu schicken und an die (Repto-!)Bundeskanzlerin, das verkürzt die Verwaltungswege erheblich und Herr Stübgen war wohl nicht so schnarchig wie die Bundesanwaltschaft im Falle des Attentäters von Hanau:


Zitat
Brandenburg: Verwaltungsgericht bestätigt Waffenverbot für Reichsbürger
Aktuelle News
04.01.2022

Das Verwaltungsgericht Cottbus hat entschieden, dass einem Reichsbürger, der insgesamt 14 Waffen besaß, zu Recht seine waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden. Er sei als waffenrechtlich unzuverlässig einzustufen, weil er als Reichsbürger kein Vertrauen darin verdiene, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird.

Der Antragsteller hatte Ende 2020 als „Zeuge“ eine sog. Lebenderklärung zusammen mit einem weiteren der Reichsbürgerszene zuzuordnendem Schreiben unterzeichnet, die an Angela Merkel und Michael Stübgen, dem Innenminister des Landes Brandenburg, versandt wurden. Bei Lebenderklärungen handelt es sich um selbstentworfene Fantasiedokumente von Reichsbürgern, mit dem der Verfasser „unter Eid“ bekundet, am Leben zu sein, was durch drei Personen bezeugt und durch das Versenden an staatliche Stellen nach außen mitgeteilt wird.

Richter: Antragsteller teilt die Ideologie der Reichsbürgerbewegung und stellt damit die Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in Abrede Nach Auffassung der Kammer legt der nach Aktenlage gewonnene Gesamteindruck nahe, dass der Antragsteller die Ideologie der Reichsbürgerbewegung teilt und damit die Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich der Regelungen des Waffengesetzes in Abrede stellt. Zwar wies dieser zurück, Sinn und Inhalt der von ihm bezeugten Erklärungen verstanden zu haben. Er habe blauäugig befolgt, worum er gebeten worden sei und keine Kenntnis von der Absicht gehabt, die Schreiben zu versenden. Er hätte diese dann nie als Zeuge unterzeichnet. Er gehöre der Reichsbürgerszene nicht an und distanziere sich von deren Ideologie.

Dies hielt die Kammer für nicht glaubhaft. So könne ihm die unmittelbar über seiner Unterschrift befindliche Angabe seines Wohnsitzes mit der Bezeichnung „außerhalb der Bundesrepublik Deutschland“ nicht verborgen geblieben sein. Zudem habe er offenbart, die Schreiben inhaltlich doch verstanden, aber nur deren Bekanntwerden nach außen zu bedauern. Schließlich habe er nicht plausibel erklären können, warum er die Schreiben im Duktus der Reichsbürgerszene unterzeichnete, indem er seinen Vor- und Familiennamen klein schrieb und durch einen Doppelpunkt trennte.

Angaben zum Gericht:

    Gericht:Verwaltungsgericht Cottbus
    Entscheidungsart:Beschluss
    Datum:09.11.2021
    Aktenzeichen:VG 3 L 343/21

Verwaltungsgericht Cottbus, ra-online (pm/pt)

https://www.stolpe-rechtsanwaelte.de/id/4910098/Urteil31237/

https://www.jura.cc/rechtstipps/waffenverbot-fuer-reichsbuerger/

https://www.kostenlose-urteile.de/VG-Cottbus_VG-3-L-34321_Brandenburg-Verwaltungsgericht-bestaetigt-Waffenverbot-fuer-Reichsbuerger.news31237.htm


Ist wohl (noch) nicht im Volltext veröffentlicht.

Vermutlich hat er aber den blutigen Daumenabdruck vergessen oder durch rote Tinte ersetzt? Dann ist das alles natürlich ned güldig ...   ;D
Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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Re: Cottbus VG 3 L 343/21 Verlust WBK
« Antwort #1 am: 15. März 2022, 10:14:20 »
Inzwischen ist die Entscheidung online.

Es wurde sogar der (seltene) Sofortvollzug angeordnet, die Waffenbehörde hielt ihn also für gefährlich:



Zitat
Entscheidung 3 L 343/21

Metadaten
Gericht    VG Cottbus 3. Kammer    Entscheidungsdatum    09.11.2021
Aktenzeichen    3 L 343/21    ECLI    ECLI:DE:VGCOTTB:2021:1109.3L343.21.00
Dokumententyp    Beschluss    Verfahrensgang    -
Normen    § 45 WaffG, § 5 Abs 1 Nr 2 WaffG

Tenor

            Der Antrag wird abgelehnt.

            Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

        Der Streitwert wird auf 7.750,00 Euro festgesetzt.

Spoiler
Gründe

    Zunächst ist das Passivrubrum von Amts wegen dahin zu berichtigen, dass Antragsgegner das P... ist, weil gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 8 Abs. 2 Brandenburgisches Verwaltungsgerichtsgesetz die (hier in der Hauptsache zu erhebende) Anfechtungsklage gegen die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, zu richten ist. Dies ist hier das in P... ansässige P... . Gemäß § 1 des Gesetzes zur Errichtung des Polizeipräsidiums vom 20. Dezember 2010 ist nur diese Behörde im Sinne von nunmehr § 7 Abs. 1 Landesbehördengesetz; die dem Polizeipräsidium unterstehendenden Polizeidirektionen sind mangels Behördeneigenschaft nicht nach § 61 Nr. 3 VwGO beteiligtenfähig.

    Der wörtliche Antrag des Antragstellers,

            die sofortige Vollziehung der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 23. Juli 2021 auszusetzen und die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 26. August 2021 gegen Ziffer 2 der Ordnungsverfügung wiederherzustellen,

    bedarf zunächst der Auslegung.

    Der Antragsteller möchte erreichen, dass er weiterhin (vorläufig) seine Waffen rechtmäßig besitzen und nutzen darf. Dieses Ziel kann er unter Berücksichtigung seines Gesamtvorbringens gemäß §§ 88, 122 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht allein durch einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines erhobenen Widerspruchs hinsichtlich der in Ziffer 2 des Bescheids angeordneten Verhaltenspflichten realisieren. Zwar geht er zutreffend davon aus, dass sein Widerspruch insoweit keine aufschiebende Wirkung entfaltet, weil der Antragsgegner die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 VwGO angeordnet hat. Allerdings entfaltet sein Widerspruch auch gegen den in Ziffer 1 geregelten Widerruf der Waffenbesitzkarten keinen Suspensiveffekt, da dieser bereits kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 45 Abs. 5 Satz 1 Waffengesetz vom 11. Oktober 2002, zuletzt geändert durch Art. 228 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1228) (WaffG). Da der Umgang mit Waffen einer Erlaubnis bedarf (§ 2 Abs. 2 WaffG), kann der Antragsteller sein Begehren nur dadurch erreichen, dass er zugleich auch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen Ziffer 1 der Ordnungsverfügung beantragt. Statthaft ist folglich ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Das Gericht geht davon aus, dass mit dem zugleich gestellten Antrag auf Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Ordnungsverfügung kein über § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO hinausgehendes Ziel verfolgt wird.

    Nach dem Vorstehenden ist der Antrag des Antragstellers sinngemäß dahin auszulegen,

            die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 26. August 2021 gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 23. Juli 2021 hinsichtlich Ziffer 1 anzuordnen und hinsichtlich Ziffer 2 wiederherzustellen.

    Der so verstandene Antrag hat keinen Erfolg.

    Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung hinsichtlich der in Ziffer 2 der Ordnungsverfügung angeordneten Verhaltenspflichten noch ausreichend begründet im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO. Danach ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Zweck dieses Begründungserfordernisses ist es, die Behörde zu einer sorgfältigen Prüfung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes im Bewusstsein des Ausnahmecharakters der den Wegfall der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 1 VwGO bewirkenden Vollziehungsanordnung anzuhalten. Aus der Begründung muss mithin nachvollziehbar hervorgehen, dass und aus welchen besonderen Gründen die Behörde im konkreten Fall dem besonderen öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes Vorrang vor dem Aussetzungsinteresse des Betroffenen einräumt. Demgemäß genügen pauschale, formelhafte Wendungen dem Begründungserfordernis nicht. Die der Ordnungsverfügung vom 23. Juli 2021 im Kern zugrunde liegende Erwägung, mit Hilfe der Anordnung der sofortigen Vollziehung solle eine Gefährdung von Leib und Leben Dritter durch den Waffenbesitz des Antragstellers wirksam begegnet werden, ist – trotz einer fehlenden Bezugnahme auf die individuellen Umstände des Falls – (noch) nicht zu beanstanden. Dass eine solche Begründung in zahlreichen ähnlichen Fällen zur Anordnung der sofortigen Vollziehung einer solcher Verfügung herangezogen werden kann und – wie das Gericht weiß – auch wird, ändert nichts an ihrer grundsätzlichen Eignung zur Ausfüllung der Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Insbesondere kann sich die Behörde auf die den Verwaltungsakt selbst tragenden Erwägungen stützen und darauf Bezug nehmen, wenn – wie es im Waffenrecht unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr der Fall sein kann – die den Erlass des Verwaltungsaktes rechtfertigenden Gründe zugleich die Dringlichkeit der Vollziehung ergeben (OVG Lüneburg, Beschluss vom 19. März 2002 – 11 MB 102/02 – juris Rn. 17 f.; Schoch, in: Schoch/Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 209 f.).

    Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung, bei der es die Interessen der Beteiligten – das von der Behörde verfolgte Interesse an der sofortigen Vollziehung ihrer Entscheidung einerseits und das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs andererseits – gegeneinander abzuwägen hat. Maßgeblich ist hierfür auf die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens abzustellen.

    Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs besteht vorliegend keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg des Widerspruchs des Antragstellers.

    1. Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes notwendigen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage hat das Gericht keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis in Ziffer 1 des angefochtenen Bescheids.

    Rechtsgrundlage für den Widerruf ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Danach ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen.

    Eine Erlaubnis setzt nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (lit. a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (lit. b) oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (lit. c).

    Die Vorschrift umschreibt insoweit im Hinblick auf die erforderliche Prognose Formen des Umgangs mit Waffen und Munition, die von vornherein im Hinblick auf den Gesetzeszweck spezifisch waffenrechtlich so bedenklich, nämlich im hohen Maße gefährlich für die Allgemeinheit sind, sodass, anders als in den Fällen des § 5 Abs. 2 WaffG, eine Widerlegung im Einzelfall nicht zugelassen wird (sogenannte absolute Unzuverlässigkeit; vgl. auch die Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung zur Neuregelung des Waffenrechts, BT-Drs. 14/7758 S. 54). Die Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit erfordert von der Behörde regelmäßig eine Prognoseentscheidung, die gerichtlich uneingeschränkt überprüfbar ist. Hinsichtlich der auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellenden Prognose wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene den waffenrechtlichen Anforderungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht genügen wird. Es reicht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit aus, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17; Beschluss vom 2. November 1994 – 1 B 215.93 – juris Rn. 10).

    Unter Zugrundelegung dieser gesetzlichen Anforderungen ist die Einschätzung des Antragsgegners, der Antragsteller sei waffenrechtlich unzuverlässig, nach summarischer Prüfung gerechtfertigt. Anknüpfungspunkt ist die von der Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg getroffene und vom Antragsgegner geteilte Einschätzung, der Antragsteller sei der „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen. Dem folgt die Kammer.

    Ausweislich der Erkenntnisse des Verfassungsschutzes handele es sich bei sog. Reichsbürgern um Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz, Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem negierten, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprächen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definierten. Die Gültigkeit des Grundgesetzes werde häufig bestritten. Daher bestehe die Besorgnis, dass diese Personen Verstöße gegen die Rechtsordnung begingen (vgl. Verfassungsschutzbericht des Bundesministerium des Innern 2020, S. 112, 115).

    a) Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland ablehnt und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird (BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 17; Beschluss vom 31. Januar 2008 – 6 B 4.08 – juris Rn. 5; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25. September 2006 – OVG 11 S 64.06 – juris Rn. 4; Urteil der Kammer vom 20. September 2016 – 3 K 305/16 –), muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. März 2019 – OVG 11 S 16.19 – juris; Thüringer OVG, Beschluss vom 28. Januar 2021 – 3 EO 316/20 – juris Rn. 4; Bayerischer VGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 13, Beschlüsse vom 16. Januar 2019 – 21 C 18.578 – juris Rn. 14 und vom 9. Februar 2018 – 21 CS 17.1964 – juris Rn. 15; Sächsisches OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2018 – 3 B 379/18 – juris Rn. 16; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juli 2018 – 20 B 1624/17 – juris Rn. 17 ff.; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 18. Juli 2017 – 11 ME 181/17 – juris Rn. 12; Urteil der Kammer vom 20. September 2016 – VG 3 K 305/16 –).

    b) Indem der Antragsteller die Schreiben „Willenserklärung unter Eid unter unbegrenzter privater Haftung“ und „Lebenderklärung unter Eid“ als Zeuge unterzeichnete, hat er ein für Reichsbürger typisches Verhalten gezeigt.

    Der Antragsteller bestreitet nicht, dass es sich bei den Dokumenten um Erklärungen handelt, die der Reichsbürgerszene zuzuordnen sind. Dieser Befund deckt sich auch mit den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden. Danach gehöre das Versenden seitenlanger Schreiben, zumeist an Behörden und Ämtern, zu den gängigsten Vorgehensweisen der Reichsbürger. Regelmäßig würden darin schwer nachzuvollziehende bzw. wirre Argumente oder Behauptungen sowie abwegige Rechtsauffassungen vertreten (Verfassungsschutzbericht 2020, S. 116). Schreiben der Reichsbürgerszene enthielten häufig Fantasiewappen; oft würden auch Eigenbezeichnungen gewählt, die eine vom Staat unabhängige Persönlichkeit bezeichnen sollen, wie z. B. „Lebendes Wesen“ oder „aus dem Hause von...“ (Sächsisches Ministerium für Inneres und Sport, „Reichsbürger“, „Reichsregierungen“ und „Selbstverwalter“, 2. Aufl. 2018, S. 25). Typisch seien das Ausstellen und Verwenden selbstkreierter Fantasiedokumente (S. 27), oftmals würden selbstentworfene sog. Lebenderklärungen im Internet veröffentlicht oder an staatliche Stellen gesendet (Verfassungsschutz Bayern, Typische Aktivitäten von Reichsbürgern, abrufbar unter: https://www.verfassungsschutz.bayern.de/weitere_aufgaben/reichsbuerger/aktivitaeten/index.html; Verfassungsschutzbericht des Landes Brandenburg 2019, S. 119). Um eine solche Lebenserklärung handelt es sich bei dem in den Verwaltungsvorgängen vorhandenen und vom Antragsteller als Zeuge unterschriebenen Dokument in deutscher und englischer Sprache. Hierfür spricht neben der Verwendung reichsbürgertypischer Vokabeln („aus der Sippe“, „niedergekommen in German Reich“, der Angabe des Wohnsitzes als „outside Germany“) auch der Umstand, dass die Lebenderklärung an die derzeit noch geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie den Innenminister Brandenburgs, Michael Stübgen, verschickt wurde. Entsprechendes gilt auch hinsichtlich des mit „Willenserklärung unter Eid unter unbegrenzter privater Haftung“ betitelten Schreiben vom 16. Dezember 2020. Diesbezüglich verdeutlichen insbesondere die Bezeichnung der Bundesrepublik Deutschland als „[Germany/BUND], die „Vertragspartnerin“ der F... sei, wobei diese „extraterritorial sei“ und „allein dem apodiktischen-göttlichen Recht“ unterliege, die Reichsbürgertypik.

    Der nach Aktenlage vom Antragsteller gewonnene Gesamteindruck legt nahe, dass er die Ideologie der „Reichsbürgerbewegung“ teilt und die Geltung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie damit auch die Regelungen des Waffengesetzes in Abrede stellt. Zwar trägt er vor, ihm seien der Sinn bzw. Inhalt der Erklärung bis heute nicht bewusst und er sei für „den Inhalt und die Textform“ der Lebenderklärung nicht verantwortlich. Über den reichsbürgertypischen Fingerabdruck habe er sich keine Gedanken gemacht, da die Verwendung von Fingerabrücken heutzutage „für den Zugang zu Gebäuden und elektronischen Geräten, für Personal und Reisepässe“ zur Identifizierung benötigt würden. Er habe darin kein Fehlverhalten gesehen. Frau P... habe ihm mitgeteilt, er würde lediglich ihre Existenz bezeugen. Die Erklärung, die einschließlich der Angabe seiner Adresse bereits vorbereitet gewesen sei, habe nicht angedeutet, dass sie die deutsche Rechtsordnung nicht anerkenne. Er habe keine Kenntnis über den beabsichtigten Versand der Schreiben gehabt. Wäre das Schreiben mit einem entsprechenden Kopfbogen bzw. Adressaten versehen gewesen, hätte er keinesfalls seinen Namen und Fingerabdruck „darunter gesetzt“.

    Das Gericht hat am Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Antragstellers und der Zurückweisung seiner Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene durchgreifende Zweifel. So ist dem Antragsgegner zunächst darin zuzustimmen, eine Unterschrift signalisiere, dass Inhalt und Bedeutung verstanden und bestätigt würden. Soweit der Antragsteller Gegenteiliges vorträgt, lässt vor allem die sich unmittelbar über seiner Unterschrift befindliche Angabe des Wohnsitzes mit der Bezeichnung „outside Germany“ bzw. „außerhalb der Bundesrepublik Deutschland“ dies wenig glaubhaft erscheinen. Der Bedeutungsgehalt dieser eindeutigen Angabe kann ihm nicht verborgen geblieben sein. Selbst wenn seine Behauptung aber zuträfe, etwa mit Blick auf die in den Erklärungen verworrene Sprache oder weil er möglicherweise über ein geringes Bildungs- und Erfahrungsniveau verfügt, kann ihm jedenfalls auch deshalb nicht geglaubt werden, weil seine Angaben insgesamt nicht stimmig sind. So wendet er ein, er habe von der Absicht, die Schreiben zu versenden, keine Kenntnis gehabt, wären diese mit einem entsprechenden Kopfbogen bzw. Adressaten versehen gewesen, hätte er sie keinesfalls unterzeichnet. Letzteres trifft ausweislich des Adressfeldes und der direkten Anrede („Hochgeschätzte Exzellenz Angela Merkel“ bzw. „Michael Stübgen“) jeweils auf Seite 1 der Schreiben nicht zu. Dass ihm nur die zweite Seite, zumal als solche auch kenntlich gemacht („Seite 2 von 2“), zur Unterschrift vorgelegt worden sei, trägt er nicht vor. Unabhängig hiervon offenbart sein Einwand, dass er die Schreiben inhaltlich doch verstanden hat und nur deren Bekanntwerden nach außen bedauert. Daher ist das Gericht auch nicht davon überzeugt, dass sich der Antragsteller von der Ideologie der Reichsbürgerbewegung ernsthaft distanziert. Ausschlaggebend ist insoweit einzustellen, dass der Antragsteller die Schreiben im Duktus der Reichsbürgerszene unterzeichnete, indem er Vor- und Familiennamen klein schrieb und durch einen Doppelpunkt trennte (vgl. Namenskonventionen bei Reichsbürgern, abrufbar unter: https://www.psiram.com/de/index.php/Namenskon​ventionen_von_Reichsbürgern). Eine (plausible) Erklärung hierfür nannte er nicht. Ohnehin hat er seine Angaben im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht glaubhaft gemacht. Er hat entgegen seiner Ankündigung (vgl. den Schriftsatz vom 26. August 2021, Bl. 42 d. BA) weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren eine eidesstattliche Versicherung abgegeben.

    Der Widerruf der Waffenbesitzkarten ist auch verhältnismäßig. Sein Verhalten ist nicht als „Ausrutscher“ zu bewerten. Denn maßgeblich ist insoweit nicht die Tatsache, dass er die reichsbürgertypischen Schreiben als Zeuge unterzeichnete, sondern – auch wegen der Kontinuität: zwei Schreiben in zwei Monaten – seine darin zum Ausdruck gekommene reichsbürgernahe innere Gesinnung. Auch soweit er einwendet, er sei in strafrechtlicher und in waffenrechtlicher Hinsicht unbescholten, ist dieser in der Tat beurteilungsrelevante Belang zwar in die Prognose miteinzubeziehen. Dennoch können aber – wie hier – sonstige Umstände zu dem Schluss führen, die Person werde eine Verhaltensweise im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG verwirklichen.

    c) Selbst wenn eine Aussage über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht mit der erforderlichen Sicherheit getroffen werden könnte und von einem offenen Verfahrensausgang auszugehen wäre, führt die vorzunehmende Interessenabwägung dazu, dass das Vollzugsinteresse des Antragsgegners das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt.

    Bei einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier – unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die im Fall einer behördlichen Anordnung stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nummern 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (hinsichtlich § 45 Abs. 5 WaffG vgl. BT-Drs. 16/7717, S. 33) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.).

    Der Antragsteller hat keine Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid des Antragsgegners verfügte Widerruf seiner Waffenbesitzkarten dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das rein private Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung, das er nicht gesondert begründet hat, weniger Gewicht.

    2. Ebenso bestehen gegen die in Ziffer 2 des Bescheids des Antragsgegners angeordneten und auf § 46 Abs. 2 Satz 2 WaffG beruhenden Pflichten, die erlaubnispflichtigen Waffen und Munition unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen und dies durch Vorlage von Nachweisen zu belegen, keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insbesondere sind die Maßnahmen verhältnismäßig. Es besteht auch ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, weil die an den Widerruf anknüpfenden Folgeentscheidungen sicherstellen, dass der sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis tatsächlich umgesetzt wird.

    3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. Gerichtskostengesetz (GKG). In Anlehnung an Ziffer 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sind für den Widerruf der Waffenbesitzkarten bei 14 darin eingetragenen Waffen insgesamt 15.500 Euro anzusetzen. Der Betrag ist im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren (vgl. Ziffer 1.5. des Streitwertkatalogs). Die Regelungen in Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids wirken sich nicht streitwerterhöhend aus.
[close]
https://gerichtsentscheidungen.brandenburg.de/gerichtsentscheidung/19598
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„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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