Autor Thema: VG München, Urteil v. 2.10.2019 M 7 K 18.2986 keine Unbedenklichkeitsbescheinigg  (Gelesen 895 mal)

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Offline Reichsschlafschaf

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Will jemand Schwarzpulver fürs Böllern, fürs Vorderlader-Schießen oder zum Wiederladen von Patronen erwerben, benötigt man, um auch nur überhaupt an dem Kurs/Lehrgang teilnehmen zu dürfen, eine Unbedenklichkeitsbescheinigung (hier wird die waffenrechtliche Zuverlässigkeit vorab geprüft und bestätigt. Oder eben auch nicht).

Wenn man allerdings Maßnahmen des LRA bewußt torpediert und Richter nach dem Art. 101 fragt, sieht es schon schlecht aus. Erst recht, wenn andere Sachen noch dazukommen.

Aber natürlich ist man kein Reichi, natürlich nicht!   :doh:

Nix isses mit Sprengstoff (in Bayern werden in der Regel 5 kg für 5 Jahre genehmigt).



Zitat
Titel: Kein Anspruch auf Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung

Normenketten: SprengG § 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 8a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c§ 27 Abs. 2,
SprengV § 32, § 34 Abs. 11 WaffG § 1 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c
Schlagworte:
Begehrte Teilnahme an einem staatlich anerkannten Grundlehrgang, Kein Anspruch auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, Sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit, „Reichsbürgerbewegung“, Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung, Lebensmittelkontrolleur, Umgang mit Waffen, Waffenbesitz, Reichsbürgerbewegung

Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Spoiler
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die mit Bescheid des Landratsamts Eichstätt (im Folgenden: Landratsamt) vom 15. Mai 2018 erfolgte Ablehnung seines Antrags auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung.
2
Am 15. Dezember 2017 beantragte der Kläger bei dem Landratsamt die Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 Abs. 2 der Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz - 1. SprengV -, um an einem staatlich anerkannten Grundlehrgang nach § 32 1. SprengV zum Laden und Wiederladen von Patronenhülsen und zum Umgang mit Schwarzpulver zum Vorderladerschießen teilnehmen zu können.
3
Nach einem Aktenvermerk über eine Lebensmittelkontrolle bei der vom Kläger betriebenen Tankstelle (Lebensmittelverkauf) am 29. März 2011 äußerte der Kläger gegenüber dem Lebensmittelkontrolleur u.a., dass dieser mit dem gezeigten Dienstausweis, der kein Amtsausweis sei, nicht berechtigt sei, bei ihm zu kontrollieren. Dieser habe keine Erlaubnis, hier zu kontrollieren. Er verwies den Lebensmittelkontrolleur von seinem Grundstück. Daraufhin erließ das Landratsamt am 4. Mai 2011 einen Bußgeldbescheid gegenüber dem Kläger wegen eines Verstoßes gegen § 44 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB - (Verweigerung der Betriebskontrolle) mit einer Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro.
4
Mit einem an die „Verwaltungseinheit der BRD F. GmbH ‘Landratsamt Eichstätt‘“ z.Hd. der Sachbearbeiterin adressierten Schreiben vom 10. Mai 2011 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Er wolle mitteilen, dass mit dem 2. Rechtsbereinigungsgesetz (erlassen von den Besatzungsmächten) vom 29. November 2007, bekanntgegeben im Bundesgesetzblatt, das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz im Artikel 57 aufgehoben worden sei. Die Aufhebung des Vorschaltgesetzes des Ordnungswidrigkeitengesetzes bewirke, dass der Geltungsbereich des Ordnungswidrigkeitengesetzes derart abgeändert worden sei, dass dieses nur noch in Flugzeugen und auf Schiffen der „BRD“ anwendbar sei. Ferner lege er Widerspruch gegen eine von der Sachbearbeiterin erlassene „Anordnung“ vom 4. Mai 2011 ein. Um rechtsgültige Anordnungen zu erlassen, benötige sie staatliche und hoheitliche Befugnisse. Da sie mangels Staatsgebiet keine staatlichen und mangels Staatsvolk keine hoheitlichen Befugnisse habe, sehe er ihre „Anordnung“ als nichtig an. Außerdem sei der Rechtsbehelf mangelhaft, weil das angegebene Gericht bzw. die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichts dem Artikel 101 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland nicht gerecht werden könnten.
5
Im Folgenden wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Ingolstadt (Az.: 2 OWi 24 Js 8510/11) vom 16. August 2011 wegen Verstoßes gegen § 44 LFGB zu einer Geldbuße in Höhe von 200,00 Euro verurteilt. Wie aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung am 16. August 2011 hervorgeht, fragte der Kläger den Richter, ob dieser Richter gemäß Art. 101 GG sei und beantragte, dies im Protokoll aufzunehmen. Der Kläger rügte, dass der räumliche Geltungsbereich des Ordnungswidrigkeitengesetzes nicht definiert und damit nicht gültig sei. Gemäß dem 1. Rechtsbereinigungsgesetz sei der räumliche Geltungsbereich der Strafprozessordnung aufgehoben, Bundesgesetzblatt Seite 876, 2006, Teil 1 Nr. 18 vom 24.4.2006, dort sei der räumliche Geltungsbereich definiert, insofern verstoße auch die Strafprozessordnung gegen diese Rechtsstaatlichkeit. Es gebe keine gesetzliche Grundlage, ihn zu bestrafen. Der Kläger erklärte weiterhin, das Besatzungsrecht sei in Kraft, nicht die Gesetze der BRD. Es sei privatrechtlich, was gegen ihn abgezogen werde, als angeblicher Bürger der BRD, die gar nicht existiere. Er sehe keine Möglichkeit, ihn zu be- oder verurteilen, auch nicht zu kontrollieren.
6
Wie sich aus einem weiteren Aktenvermerk des Lebensmittelkontrolleurs vom 9. Oktober 2013 ergibt, verweigerte der Kläger auch eine Lebensmittelkontrolle am 8. Oktober 2013. Der Kläger habe erklärt, dass der Kontrolleur nicht berechtigt sei, eine Kontrolle bei ihm durchzuführen. Der gezeigte Ausweis sei ein Dienstausweis und kein Amtsausweis. Der Kläger habe mehrere Gesetzestexte vorgelegt, dass er nicht berechtigt sei, eine Kontrolle durchzuführen.
7
Der Kläger wurde zum Erlass eines Bußgeldbescheids angehört. Im von ihm zurückgesandten Äußerungsbogen gab der Kläger unter Geschäftszeichen „NO CONTRACT!“ an. Unter „Angaben zur Person“ strich er die Wörter „zur Person“ durch und schrieb darüber „Mensch“. Als „Name“ gab er lediglich seinen Vornamen an. Unter Staatsangehörigkeit vermerke er „Deutsches Reich SHAEF Nr. 52 Aut. VII e“. Unter „Angaben zur Sache“ gab er „No contract!“ an. Am 29. Oktober 2013 wurde ein weiterer Bußgeldbescheid gegenüber dem Kläger wegen eines Verstoßes gegen § 44 LFGB mit einer Geldbuße in Höhe von 400,00 Euro erlassen.
8
Wie sich aus einer Mitteilung der Kriminalinspektion Ingolstadt - K 5 - vom 19. Dezember 2017 an das Landratsamt ergibt, hatte der Kläger laut Mitteilung des Gerichtsvollziehers B. vom Amtsgericht Ingolstadt diesem gegenüber Ende 2016 geäußert, dass er ein Mensch und keine Person sei. Bei einer Kontrolle des Landratsamts habe er gegenüber dem Kontrollbeamten geäußert, dass dieser nicht weisungsbefugt sei, er würde nicht „P.“ (Nachname), sondern „R“ (Vorname) heißen. Er habe hierzu eine Staatsangehörigkeitsurkunde vorgelegt, die mit „R.“ unterzeichnet gewesen sei. Auf Grund dieses Sachverhalts sei der Kläger der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen.
9
Durch das Landratsamt wurde weiter ermittelt, dass der Kläger nicht im Besitz eines gültigen Personalausweises war und ein vorläufiger Reisepass, ausgestellt am 13. Dezember 2016, am 12. Dezember 2017 seine Gültigkeit verloren hatte.
10
Die Kriminalpolizeiinspektion (Z) ... teilte dem Landratsamt mit Schreiben vom 16. Februar 2018 mit, dass der Kläger sowohl wegen seiner Äußerungen gegenüber dem Landratsamt und dem Gericht aus den Jahren 2011 und 2013 als auch seiner aktuell getätigten Äußerungen gegenüber der Polizei als Reichsbürger eingestuft werde. Es sei mit dem Kläger am 8. Februar 2018 ein Gespräch geführt worden. Der Kläger habe sich mit einem vorläufigen Reisepass, ausgestellt am 6. Februar 2018, ausgewiesen. Er habe sich bereits zum zweiten Mal einen vorläufigen Reisepass ausstellen lassen. Dies lasse vermuten, dass er sich auf Grund seiner Ideologie nur zu bestimmten Zwecken im Umgang mit Behörden einen Ausweis verschaffe, um diesen dann vorlegen zu können. Der Kläger habe angegeben, kein Reichsbürger zu sein, gesetzestreu zu sein und zu handeln. Zu den damaligen Einsprüchen habe er im Internet nach Rechtsbeistand gesucht und sei dort fündig geworden. Er sei damals vom Landratsamt „drangsaliert“ worden. Er sei nach wie vor der Meinung dass diese Thesen („Rechtsbereinigungsgesetz“) im Internet (der sog. Reichsbürger) Gültigkeit besäßen. Hiermit habe er unmissverständlich die Rechtsstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland angezweifelt. Der Kläger habe weiter angegeben, dass er das Schlusswort in der Verhandlung vor dem Amtsgericht nicht so gesagt habe. Der Richter habe im Urteil seine Worte nicht richtig wiedergegeben. Der Gerichtsvollzieher sei wegen der Nichtzahlung von GEZ-Gebühren bei ihm gewesen. Er zahle zweimal GEZ, einmal privat und dann für seinen Betrieb. Damit sei er nicht einverstanden und habe daraufhin seine Zahlungen unterlassen. Zwischenzeitlich habe er seine Schuld beglichen. Der Kläger fühle sich von den Ämtern falsch behandelt und deswegen habe er im Internet um „Rechtsbeistand“ gesucht. Er habe weiterhin angegeben, dass es diese „Theorien“ gebe. Er selbst habe sicherlich auch Fehler gemacht. Er stehe zum Grundgesetz, er habe schließlich auch in der Bundeswehr gedient und stehe nach wie vor zu seinem geleisteten Eid. Er halte sich anscheinend für ein „Opfer“ staatlicher Willkür. Zudem fühle er sich jetzt auch „bestraft“, wenn er auf Grund seiner Äußerungen, die er 2011 und 2013 getroffen habe, nicht in den Besitz einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis komme. Der Kläger habe weiter angegeben, dass er mittlerweile zwei Jahre Mitglied im Schützenverein sei. Nach einem Jahr Vollmitgliedschaft könne er auch selbständig zum Schießen gehen, wenn er eine Erlaubnis habe. Er wolle wieder „Lader Waffen“ schießen und benötige hierzu die sprengstoffrechtliche Erlaubnis. Nach polizeilichen Erkenntnissen würden durch diesen Schützenverein aber keine Vorderlader genutzt und das Schießen damit nicht mehr angeboten. Im gesamten Gesprächsverlauf habe bei dem Kläger keine Distanzierung von seinen damaligen Äußerungen festgestellt werden können. Es sei weiterhin anzunehmen, dass er sich aktuell immer noch mit den Thesen der sog. Reichsbürger beschäftige und diese im Rahmen seiner freien Meinungsäußerung auch kundtue.
11
Mit Bescheid vom 15. Mai 2018, zugestellt am 30. Mai 2018, lehnte das Landratsamt nach vorheriger Anhörung des Klägers dessen Antrag auf Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung zur Teilnahme an einem staatlich anerkannten Grundlehrgang zum Erwerb der erforderlichen Fachkunde im Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen ab (Nr. 1). Dem Kläger wurden die Verfahrenskosten auferlegt (Nr. 2) und für den Bescheid eine Gebühr in Höhe von 70,00 Euro festgesetzt.
12
Zur Begründung wurde ausgeführt, grundsätzlich bedürfe der Erwerb und Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen der Erlaubnis gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Sprengstoffgesetz - SprengG - und sei in der Regel auf die Dauer von fünf Jahren zu erteilen (§ 27 Abs. 2 SprengG). Der Antragsteller müsse in diesem Zusammenhang die erforderliche Fachkunde durch erfolgreiche Teilnahme an einem staatlichen oder staatlich anerkannten Lehrgang für die beabsichtigte Tätigkeit durch ein Zeugnis nachweisen oder eine Prüfung vor der zuständigen Behörde ablegen (§ 27 Abs. 3 i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2a und § 9 Abs. 1 SprengG). Zu einem solchen Lehrgang sei der Antragsteller gemäß § 34 Abs. 1 1. SprengV zuzulassen, wenn bei ihm Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Buchst. b und c SprengG oder nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SprengG nicht vorliegen. Die Verhaltensweisen des Klägers ließen die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung eindeutig erkennen. Die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers sei nicht anzunehmen. Nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c SprengG besäßen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgingen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren würden bzw. explosionsgefährliche Stoffe Personen überlassen würden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt seien. Das bisherige Verhalten gegenüber Verwaltungsbehörden und Gerichten sowie die geäußerte Missachtung der Rechtsordnung im Allgemeinen lasse befürchten, dass sich der Kläger nicht an die strengen Vorgaben des Sprengstoffgesetzes zu Umgang und Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen halten werde. Als Angehöriger der sog. Reichsbürgerbewegung bestreite er die Verbindlichkeit der unter dem Grundgesetz geschaffenen Rechtsordnung, zu der auch das Sprengstoffgesetz zähle, und verneine die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland, Gesetze mit auch für ihn bindender Wirkung zu erlassen. Wer aber Bundes- und Landesgesetze generell nicht als für sich verbindlich anerkenne und sich deshalb auch nicht verpflichtet sehe, die darin enthaltenen, dem Schutz der Allgemeinheit dienenden Vorschriften im Einzelnen jederzeit zu beachten, gebe Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Sprengstoffgesetzes nicht strikt befolgen werde. Denn auch das Sprengstoffgesetz sei Teil der Rechtsordnung, die der Kläger offenkundig nicht anerkenne. Diese gelte zum Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen im Allgemeinen ebenso wie die Pflicht zur sicheren Aufbewahrung dieser Gegenstände. Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von explosionsgefährlichen Stoffen sein solle, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdiene, dass er mit explosionsgefährlichen Stoffen jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen und verkehren werde, was auch für ihre Verwahrung gelte, müsse auch dem Betroffenen, der die sprengstoffrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansehe, die nach § 8a SprengG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden. Nach pflichtgemäßer Abwägung des gesamten Sachverhalts komme das Landratsamt zu dem Ergebnis, dass durch das Verhalten des Klägers und der nachgewiesenen Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung eine allgemeine Besorgnis begründet sei, dass er mit explosionsgefährlichen Stoffen so umgehe bzw. umgehen werde, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung dadurch gefährdet werden könnte. Der Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 Abs. 2 1. SprengV sei deshalb abzulehnen gewesen.
13
Der Bevollmächtigte des Klägers erhob am 21. Juni 2018 Klage. Zur Begründung wurde vorgetragen, nach dem Akteninhalt solle die Polizei am 19. Dezember 2017 eine Stellungnahme abgegeben haben. Diese befinde sich aber nicht im Akt. Auf Bl. 3 finde sich eine Stellungnahme vom 16. Januar 2017, die sich auf eine Mitteilung des Gerichtsvollziehers Herrn B. beim Amtsgericht Ingolstadt berufe. Die angebliche Mitteilung des Gerichtsvollziehers sei nicht Akteninhalt. Auf Bl. 46 befinde sich ein Aktenvermerk des KHK S., der am 18. Januar 2018 mit dem Gerichtsvollzieher telefoniert haben solle. Aus diesem ergebe sich lediglich, dass der Kläger behauptet haben solle, er sei ein Mensch und keine Person. Er heiße nicht „P.“ sondern „R.“. Aus diesen Äußerungen die angebliche Zugehörigkeit zu den Reichsbürgern herleiten zu wollen, erscheine sehr gewagt. Der Kläger bestreite ausdrücklich, dass er den Reichsbürgern zuzuordnen sei. Er habe den Antrag gestellt, weil er Mitglied im Schützenverein B. sei und im Rahmen seiner sportlichen Tätigkeit mit Vorderlader schießen wolle. Aus dem weiteren Akteninhalt ergebe sich eine lange andauernde Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Landratsamt. Diese habe im Zeitraum 1991/1993 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger einen Bauantrag für eine Tankstelle mit Werkstatt gestellt, weil eine Niedrigzinsphase mit Darlehenszinsen von 4% geherrscht habe. Ohne nachvollziehbare Gründe habe das Landratsamt die Genehmigung bis ins Jahr 1993 hinausgezögert. Zu diesem Zeitpunkt sei die Niedrigzinsphase vorbei gewesen. Der Kläger habe sein Bauvorhaben mit ca. 8% finanzieren müssen, was ihm erhebliche Mehrkosten verursacht habe. In der Folgezeit habe der Kläger auf alle Maßnahmen des Landratsamts ungehalten reagiert und versucht - dies bestreite er nicht -, diese soweit wie möglich zu torpedieren. Aus diesem Verhalten resultierten auch die im Akt angesprochenen Vorgänge, beispielsweise die Lebensmittelkontrolle. Ohne jeden Zweifel sei damals in der Presse umfangreich über Reichsbürger und deren Einstellung zur Bundesrepublik berichtet worden. Es seien auch die angeblichen Rechtsgrundlagen zitiert worden. Davon habe der Kläger in seinem Schreiben vom 10. Mai 2011 Gebrauch gemacht, ohne aber mit der Szene in irgendeiner Weise in Kontakt getreten zu sein. Diesen Standpunkt habe der Kläger auch noch im Bußgeldverfahren vom 16. August 2011 vertreten, dessen Ablauf entsprechend der Strafprozessordnung durchaus erhebliche Zweifel aufwerfe. Letztlich sei der Kläger verurteilt worden und habe auch das Bußgeld bezahlt. Ähnlich verhalte es sich auch in dem Verfahren 2013. Nicht Akteninhalt seien weitere Verfahren des Landratsamts gegen den Kläger. So sei 2013 eine Untersuchung eingeleitet worden, weil angeblich der TÜV für die Tankstelle überzogen worden sei. Der Kläger sei mit einem Bußgeld von 1.000,00 Euro belegt worden (Az.: S. 46-3118/14). Daraufhin habe sich der Kläger Hilfe bei der Polizei in B. gesucht. Auf Intervention des Herrn L. von der Polizeiinspektion B. sei der Bußgeldbescheid, der offensichtlich rechtswidrig gewesen sei, niedergeschlagen worden. Nach Erinnerung des Klägers habe der Gerichtsvollzieher B. auch keine Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt. Der Kläger habe gegen ihn verhängte Geldbußen freiwillig bezahlt. Das Landratsamt habe den Kläger nach dessen Ansicht auch im Rahmen des Ausbaus der B 299 geschädigt. Diese Straße, an der der Betrieb des Klägers liege, sei 2017 für fünf Wochen gesperrt gewesen, nach Ansicht des Klägers ohne Grund. Der Umsatzschaden betrage nach Schätzung des Klägers ca. 8.000,00 Euro. Im Zusammenhang mit dieser Baustelle sei die Straße für zwei weitere Wochen gesperrt gewesen, in der Bäume gefällt worden seien. Die Arbeiten seien aber bereits nach einer Woche erledigt gewesen und die Straße sei trotzdem nicht freigegeben worden. Zu der TÜV - Untersuchung sei noch auszuführen, dass der Kläger wegen Krankheit seiner mitarbeitenden Mutter etwa fünf Wochen lang seine Hausbank nicht habe aufsuchen können. Als er einen Termin mit der Bank habe wahrnehmen wollen, sei ein Ingenieur der Kfz-Innung gekommen und habe eine Abgaskontrolle durchführen wollen. Der Kläger habe diesen darauf hingewiesen, dass er derzeit nicht könne, weil er einen Termin bei der Bank wahrzunehmen habe. Daraufhin sei ihm die Berechtigung zur Abgaskontrolle entzogen worden mit der Begründung, er habe eine Prüfung verweigert. Der Kläger sehe hier eine personelle Verknüpfung des Landratsamts, Landrat K., mit dem Leiter der Kfz-Innung, dem Bruder des Landrats. Die Überprüfung sei im Übrigen auch widersprüchlich. Nach dem Schreiben vom 18. Januar 2018 solle der Kläger erstmals 2014 aufgefallen sein. Dem widerspreche der Aktenvermerk vom 29. März 2011. Objektive Feststellungen hinsichtlich der Reichsbürgereigenschaft des Klägers habe weder das Landratsamt vorlegen können noch das Polizeipräsidium Oberbayern. Der Kläger sei im Besitz normaler Identitätsdokumente der Bundesrepublik Deutschland, er habe nie einen Reichsbürgerausweis gehabt, weder beantragt noch im Besitz. Von den Ideen der Reichsbürger distanziere sich der Kläger ausdrücklich. Insoweit werde auf den Aktenvermerk auf Bl. 43 hingewiesen. Der Kläger sei nicht vorbestraft. Er sei mit Ausnahme der hier streitgegenständlichen Ordnungswidrigkeiten nicht strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich auffällig gewesen. Der Kläger bezahle im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit alle Steuern und halte die Regeln der Bundesrepublik ein. Weder nach dem Akteninhalt noch aus anderen Anhaltspunkten ergebe sich, dass der Kläger in irgendeiner Form unter die auf Bl. 42 dargestellte Definition der Reichsbürger zu subsumieren sei.
14
Der Kläger beantragt,
Der Bescheid des Landratsamts vom 15.5.2018, Az. Sg.202 Az. 1350/1 wird aufgehoben. Das Landratsamt wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Unbedenklichkeitsbescheinigung zu erteilen.
15
Der Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
16
Hierzu wurde vorgetragen, es entziehe sich der Kenntnis des Landratsamts, dass die Stellungnahme der Polizei gemäß Art. 40 Abs. 4 PAG vom 19. Dezember 2017 (Bl. 27-28) nicht Bestandteil der Verwaltungsakte sein solle. Die Zugehörigkeit des Klägers zur Reichsbürgerbewegung habe sich nicht nur aufgrund der Äußerungen des Gerichtsvollziehers bestätigt. In der Widerspruchsbegründung vom 10. Mai 2011 und in der Gerichtsverhandlung am 16. August 2011 habe der Kläger reichsbürgertypische Äußerungen von sich gegeben. An der Richtigkeit der Protokollaufzeichnungen über die Beweisaufnahme dürften wohl keine Zweifel bestehen, auch wenn der Kläger im Nachhinein bestritten habe, dies so gesagt zu haben. Weitere festgestellte Verhaltensweisen, die auf die Reichsbürgerzugehörigkeit hindeuteten, könnten dem Ablehnungsbescheid entnommen werden. Dass sich der Kläger zum damaligen Zeitpunkt von umfangreichen Presseberichten über die Reichsbürger dazu habe verleiten lassen, deren Einstellung zur Bundesrepublik Deutschland zu übernehmen und den Behörden gegenüber entsprechend so aufzutreten, erscheine wenig glaubhaft, zumal erst nach dem Vorfall in Georgensgmünd im Oktober 2016 ausführlich über diese Bewegung in den Medien informiert worden sei. Ob der Kläger tatsächlich mit der Szene in Kontakt getreten sei, sei nicht von Bedeutung. Es sei eindeutig erkennbar gewesen, dass er als Einzelperson die Reichsbürgerideologie bereits im Jahr 2011 verinnerlicht gehabt habe. Selbst bei der persönlichen Vorsprache bei der Polizeiinspektion E. am 8. Februar 2018 zur Überprüfung der Reichsbürgereigenschaft habe er sich nicht glaubhaft davon distanzieren können. Ob die weiteren angeführten verwaltungsrechtlichen Verfahren bzw. behördlichen Maßnahmen rechtmäßig oder zulässig gewesen seien, entziehe sich der Kenntnis des Landratsamts, seien aber auch nicht Gegenstand der Prüfung über die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerbewegung. Da Landrat K. keinen Bruder habe, seien die diesbezüglichen Behauptungen schlichtweg falsch. Der Kläger sei im Jahr 2014 der Polizei erstmals als Reichsbürger aufgefallen. Über die früheren Feststellungen sei die Polizei lediglich nicht in Kenntnis gesetzt worden. Eine Widersprüchlichkeit der Überprüfung der Reichsbürgerzugehörigkeit sei daher nicht erkennbar. Ein mehrjährig gültiger Bundespersonalausweis oder Reisepass sei vom Kläger nicht beantragt worden. Laut telefonischer Auskunft des zuständigen Sachbearbeiters vom 5. September 2018 habe der Kläger vielmehr aus nicht bekannten Gründen seinen bis zum 25. Oktober 2015 gültigen Personalausweis an die Stadtverwaltung zurückgegeben, die ihn am 11. Oktober 2012 der Vernichtung zugeführt habe. Der Sachbearbeiter habe am 6. September 2018 dem Landratsamt weiter mitgeteilt, dass der Kläger vor ca. drei Wochen eine Selbstauskunft beantragt habe. Nach seinen Erkenntnissen würden derartige Auskünfte fast ausschließlich von Reichsbürgern eingeholt werden, um die im Melderegister zu ihrer Person gespeicherten Daten einsehen zu können. Ob dieses Vorgehen jedoch typisch für diese Personengruppe sei, entziehe sich der Kenntnis des Landratsamts.
17
Weiter wurde bekannt, dass der Kläger am 26. November 2012 einen Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit gestellt hatte. Dabei gab er als Geburtsstaat und Wohnsitzstaat jeweils „Freistaat Bayern“ an. Zudem nannte er als Staat in Bezug auf den geleisteten Militärdienst „Deutschland unter BRD-Verwaltung“.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
19
Die zulässige Klage ist unbegründet.
20
Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 Abs. 2 1. SprengV (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VWGO).
21
Die Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 Abs. 2 1. SprengV ist dem Kläger nicht zu erteilen, da er nicht die erforderliche sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit besitzt.
22
Nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG besitzen die erforderliche (sprengstoffrechtliche) Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie explosionsgefährliche Stoffe im Sinne des Sprengstoffgesetzes missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Buchst. a), mit explosionsgefährlichen Stoffen nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese nicht sorgfältig aufbewahren werden (Buchst. b) oder explosionsgefährliche Stoffe Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese nicht berechtigt sind (Buchst. c). Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche (waffenrechtliche) Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden (Buchst. a) oder mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Buchst. b) oder Waffen oder Munition Personen überlasen werden die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Buchst. c).
23
Maßgeblich für die Beurteilung, ob die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht gegeben ist, ist eine auf Tatsachen gestützte Prognose eines spezifisch waffenrechtlich bedenklichen Verhaltens, aus dem mit hoher Wahrscheinlichkeit der Eintritt von Schäden für hohe Rechtsgüter resultiert (vgl. BT-Drs 14/7758, S. 54). Diese Prognose ist auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen zu erstellen. Dabei ist der allgemeine Zweck des Gesetzes nach § 1 Abs. 1 WaffG, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren, zu berücksichtigen. Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das Vertrauen verdienen, mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umzugehen. In Anbetracht des vorbeugenden Charakters der gesetzlichen Regelungen und der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen, ist für die gerichtlich uneingeschränkt nachprüfbare Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit erforderlich. Vielmehr genügt eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 - 21 ZB 14.1512 - juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 - 21 CS 13.1969 - juris Rn. 14). Unter Berücksichtigung des strikt präventiven, auf die Umsetzung grundrechtlicher Schutzpflichten gerichteten Regelungskonzepts des Waffengesetzes ist die Prognose der Unzuverlässigkeit nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt ist, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig Verhaltensweisen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 - 6 C 1.14 - juris Rn. 17).
24
Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sind oder sich deren Ideologie als für sich verbindlich zu eigen gemacht haben, besitzen nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. BayVGH, B.v. 5.10.2017 - 21 CS 17.1300; B.v. 12.12.2017 - 21 CS 17.1332; B.v. 10.1.2018 - 21 CS 17.1339; B.v. 15.1.2018 - 21 CS 17.1519; B.v. 12.3.2018 - 21 CS 17.1678; B.v. 16.1.2019 - 21 C 18.578 - alle juris). Diese Grundsätze gelten ebenfalls für den Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen im Sinne des Sprengstoffgesetzes (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2017 - 21 CS 17.1332 - juris Rn. 13).
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Der Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes (S. 94) beschreibt die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als personell, organisatorisch und ideologisch heterogen. Sie setzt sich aus Einzelpersonen ohne Organisationsanbindung, Kleinst- und Kleingruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüssen und virtuellen Netzwerken zusammen. Verbindendes Element der Szeneangehörigen ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren bestehender Rechtsordnung. Nach dem Verfassungsschutzbericht Bayern 2018 (S. 175) sind „Reichsbürger“ Gruppierungen und Einzelpersonen, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen. Dabei berufen sie sich unter anderem auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht. Den Vertretern des Staates sprechen sie die Legitimation ab oder definieren sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend. Sie berufen sich in unterschiedlichster Form auf den Fortbestand des Deutschen Reiches. Dabei werden z.B. der Rechtsstand von 1937, 1914 zwei Tage vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges oder auch 1871 genannt. Reichsbürger behaupten, Deutschland habe keine gültige Verfassung und sei damit als Staat nicht existent, oder das Grundgesetz habe mit der Wiedervereinigung seine Gültigkeit verloren. Daher fühlen sich Reichsbürger auch nicht verpflichtet, den in der Bundesrepublik geltenden Gesetzen Folge zu leisten. In ihrer Gesamtheit ist die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ als staatsfeindlich einzustufen (vgl. Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes, S. 95). Die Reichsbürgerideologie insgesamt ist geeignet, Personen in ein geschlossenes verschwörungstheoretisches Weltbild zu verstricken, in dem aus Staatsverdrossenheit Staatshass werden kann. Dies kann Grundlage für Radikalisierungsprozesse sein bis hin zur Gewaltanwendung (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 176).
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Wer der Ideologie der Reichsbürgerbewegung folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt, gibt Anlass zu der Befürchtung, dass er auch die Regelungen des Waffengesetzes nicht strikt befolgen wird. Dies gilt für den Umgang mit Waffen ebenso wie für die Pflicht zur sicheren Waffenaufbewahrung, die Pflicht zur getrennten Aufbewahrung von Waffen und Munition, die Pflicht zu gewährleisten, dass andere Personen keinen Zugriff haben können, sowie die strikten Vorgaben zum Schießen mit Waffen im Besonderen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bis c WaffG). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, muss einer der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnenden Person anknüpfend an die Tatsache, dass sie die waffenrechtlichen Normen gerade nicht als für sich verbindlich ansieht, die nach § 5 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit abgesprochen werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2018 - 21 CS 17.1964 - juris Rn. 15 m.w.N.). Keine andere Beurteilung ist gerechtfertigt, wenn sich jemand (glaubhaft) selbst nicht als diesem Spektrum zugehörig betrachtet oder in einzelnen - auch wesentlichen - Bereichen von dort anzutreffenden Thesen nachvollziehbar und glaubhaft distanziert. Auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum rechtfertigt eine Einstellung, die die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG (vgl. OVG RhPf, B.v. 3.12.2018 - 7 B 11152/18 - juris Rn. 23). Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise auch in Bezug auf den Umgang mit bzw. die Aufbewahrung und Überlassung von explosionsgefährlichen Stoffen, d.h. auf die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG.
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Die Tatsachen, die dem Gericht vorliegen, rechtfertigen im Fall des Klägers die Prognose seiner waffen- und sprengstoffrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG und nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 SprengG. Die Verhaltensweisen und Einlassungen des Klägers begründen in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die nach außen getätigten Äußerungen und Verhaltensweisen auch seine innere Einstellung widerspiegeln.
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So verweigerte der Kläger eine (sowie im Folgenden noch eine weitere) Lebensmittelkontrolle mit der Aussage, dass die Kontrolleure kein Recht hätten, bei ihm zu kontrollieren. Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Ordnungswidrigkeitenverfahrens führte der Kläger in dem Schreiben an die „Verwaltungseinheit der BRD F. GmbH ‘Landratsamt Eichstätt‘“ vom 10. Mai 2011 aus, dass mit dem 2. Rechtsbereinigungsgesetz (erlassen von den Besatzungsmächten) vom 29. November 2007, bekanntgegeben im Bundesgesetzblatt, das Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz im Artikel 57 aufgehoben worden sei. Die Aufhebung des Vorschaltgesetzes des Ordnungswidrigkeitengesetzes bewirke, dass der Geltungsbereich des Ordnungswidrigkeitengesetzes derart abgeändert worden sei, dass dieses nur noch in Flugzeugen und auf Schiffen der „BRD“ anwendbar sei. Der Kläger hat hiermit eindeutig gegenüber einer Behörde im Ordnungswidrigkeitenverfahren „reichsbürgertypisch“ zur Ungültigkeit des Ordnungswidrigkeitengesetzes argumentiert (vgl. BayVGH, B.v. 17.9.2018 - 21 CS 18.502 - juris Rn.18). Er hat hierbei für die sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweisen eindeutig zu erkennen gegeben. Denn „Reichsbürger“ überziehen regelmäßig Behörden und Gerichte mit querulatorischen Schreiben, in denen sie der öffentlichen Verwaltung und der Justiz ihre Autorität oder ihre Existenz absprechen. Zum Teil verfolgen sie damit das Ziel, sich rechtlichen Verpflichtungen, wie z.B. Forderungen des Staates aus Steuer-, Bußgeld- oder Verwaltungsverfahren zu entziehen (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2018, S. 181). So führte der Kläger in dem Schreiben vom 10. Mai 2011 zudem aus, dass die Behörde bzw. die Sachbearbeiterin mangels Staatsgebiet keine staatlichen und mangels Staatsvolk keine hoheitlichen Befugnisse habe. Er sehe die Anordnung daher als nichtig an. Außerdem sei der Rechtsbehelf mangelhaft, weil das angegebene Gericht bzw. die Richter des Bayerischen Verwaltungsgerichts dem Artikel 101 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland nicht gerecht werden könnten. Auch in der Hauptverhandlung des Amtsgerichts Ingolstadt vom 16. August 2018 rügte der Kläger ausweislich des Sitzungsprotokolls, an dessen Richtigkeit keine begründeten Zweifel bestehen, dass der räumliche Geltungsbereich des Ordnungswidrigkeitengesetzes nicht definiert und damit nicht gültig sei. Gemäß dem 1. Rechtsbereinigungsgesetz sei der räumliche Geltungsbereich der Strafprozessordnung aufgehoben, insofern verstoße auch die Strafprozessordnung gegen diese Rechtsstaatlichkeit. Es gebe keine gesetzliche Grundlage, ihn zu bestrafen. Weiterhin erklärte der Kläger, dass das Besatzungsrecht in Kraft sei, nicht die Gesetze der BRD. Es sei privatrechtlich, was gegen ihn abgezogen werde, als angeblicher Bürger der BRD, die gar nicht existiere. Er sehe keine Möglichkeit, ihn zu be- oder verurteilen, auch nicht zu kontrollieren.
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Auch die Stellung eines Antrags auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis) spricht dafür, dass der Kläger der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist bzw. er sich deren Ideologie für sich bindend zu eigen gemacht hat. Denn Reichsbürger sind davon überzeugt, dass sie aus der Bundesrepublik Deutschland austreten können. Als ersten Schritt zu ihrem vermeintlichen Austritt betrachten sie häufig die Beantragung eines Staatsangehörigkeitsausweises (in der Terminologie der Reichsbürger sog. „gelber Schein“) unter Berufung auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 (vgl. Verfassungsschutzbericht Bayern 2017 S. 175). Vom Staatsangehörigkeitsausweis erhofft sich dieser Personenkreis - rechtlich völlig unzutreffend - unter anderem den „Ausstieg aus der Firma BRD“ oder die Sicherung vermeintlicher Rechte beim „Untergang des Systems“ (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2017 - 21 CS 17.2029 - juris Rn. 16). Zwar fehlen im Antrag des Klägers auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, der bereits vom 23. November 2012 stammt, ausdrückliche Bezugnahmen auf das „RuStAG 1913“, jedoch hat der Kläger als Geburtsstaat und Wohnsitzstaat jeweils Freistaat Bayern angegeben sowie als Staat, in dessen Dienst er als Wehrpflichtiger/ Grundwehrdienst gewesen sei „Deutschland unter BRD-Verwaltung“, was ebenfalls als reichsbürgertypische Ausdrucksweise anzusehen ist.
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Sog. „Reichsbürger“ lehnen weiterhin vielfach Ausweisdokumente der Bundesrepublik Deutschland als unwirksam ab und bestreiten mit der Rückgabe zudem typischerweise die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BayVGH, B.v. 16.1.2019 - 21 C 18.578 - juris Rn. 16). Auch dies trifft auf den Kläger zu. So ist er weder im Besitz eines gültigen Personalausweises noch eines gültigen Reisepasses, was zeigt, dass er den Erwerb eines gültigen Ausweispapiers ablehnt. Eine Verlängerung seines am 5. Februar 2019 abgelaufenen Reisepasses hat er nicht veranlasst. Zudem hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass der Kläger seinen bis zum 25. Oktober 2015 gültigen Personalausweis nach dortiger Auskunft an die Stadtverwaltung B. zurückgegeben habe und diese den Personalausweis am 11. Oktober 2012 der Vernichtung zugeführt habe.
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Der Kläger hat seine, in den dargelegten Äußerungen und Verhaltensweisen zum Ausdruck kommende, innere Einstellung auch nach außen hin zu erkennen gegeben. Denn wer gegenüber einer Behörde dem Gedankengut der sog. „Reichsbürger“ entlehnte Äußerungen in der „reichsbürgertypischen Weise“ trifft und entsprechende Verhaltensweisen zeigt, geht davon aus und beabsichtigt gerade, seine ablehnende Haltung gegenüber der Rechtsordnung sozusagen amtlich und ernsthaft einer Behörde gegenüber kund zu tun (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2018 - 21 CS 17.1519 - juris Rn. 19). Angesichts der eindeutigen und zahlreichen schriftlich getätigten bzw. gerichtlich protokollierten Aussagen des Klägers sowie seinen Verhaltensweisen kommt es auch nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, welche Äußerungen der Kläger im Einzelnen gegenüber dem Gerichtsvollzieher Ende 2016 getätigt hat.
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Die Einlassungen des Klägers im gerichtlichen Verfahren vermögen demgegenüber an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern. Aus diesen folgt insgesamt, dass der Kläger sein Verhalten zu relativieren bzw. zu rechtfertigen versucht. So macht der Kläger im Wesentlichen Auseinandersetzungen mit dem Landratsamt geltend. Er sei von dort drangsaliert und geschädigt worden. Soweit der Kläger vorträgt, er habe sich an geltende Gesetze gehalten, steht dies dieser Einschätzung ebenfalls nicht entgegen. Der Umstand allein, dass sich eine Person in bestimmten, ihr opportun erscheinenden Situationen in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, begründet keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung, wie hier, durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt, ob sie waffen- und sprengstoffrechtliche Vorschriften auch dann noch einhält, wenn sie ihr nicht (mehr) opportun erscheinen (vgl. VGH BW, B.v. 10.10.2017 - 1 S 1470/17).
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Den Einlassungen des Klägers lässt sich auch keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ entnehmen. Hinsichtlich der Anforderungen an eine glaubhafte Distanzierung kann aufgrund der identischen sicherheitsrechtlichen Schutzrichtung - Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - die ausländerrechtliche Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu § 54 Abs. 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - entsprechend herangezogen werden (vgl. VG München, Gerichtsbescheid v. 17.10.2018 - M 7 K 17.750 - juris Rn. 39). Dementsprechend ist für eine glaubhafte Distanzierung zu verlangen, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Betroffene seine innere Einstellung verändert hat (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 - 1 B 11/18 - juris Rn. 12). Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Betroffene in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit den einschlägigen sicherheitsrechtlichen Tatbestand erfüllt zu haben. Ohne Einsicht des Betroffenen in die Unrichtigkeit des ihm vorgeworfenen Handelns hat die Ankündigung einer Verhaltensänderung keine glaubwürdige Grundlage (vgl. BayVGH, U.v. 27.10.2017 - 10 B 16.1252 - juris Rn. 53).
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Eine diesen Anforderungen genügende, glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Ideologie der sog. „Reichsbürgerbewegung“ lässt sich nicht feststellen. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, sind nicht erkennbar. Ein Fehlverhalten hat der Kläger nicht eingeräumt. Vielmehr hat er dieses gerechtfertigt und relativiert. Allein ein Zeitablauf, während dessen der Betroffene nicht mehr „reichsbürgertypisch“ in Erscheinung getreten sein mag, vermag keine glaubhafte Distanzierung darzustellen. Zudem hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung deutlich zu erkennen gegeben, dass er seine damaligen Angaben nicht für falsch hält. So hat er ausgeführt, er habe damals in dem Antrag als Staat „Deutschland unter BRD-Verwaltung“ angegeben, weil dies so sei.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Merke: Es genügt natürlich nicht, dämlich zu sein. Es soll schon auch jeder davon wissen!

„Nur weil es Fakt ist, muß es noch lange nicht stimmen!“ (Nadine, unerkannte Philosophin)
 
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