Ich bin dann mal so frei:
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 20.12.2018 - 5/35 StL 14/18
I.
Der Steuerberater wurde im Jahr 1981 als Steuerbevollmächtigter und im Jahr 1985 als Steuerberater bestellt. Bis 1992 arbeitete er in einer Sozietät, ab 1993 führt er eine eigene Kanzlei. Er hat seit ca. 5 Jahren seine Berufstätigkeit eingeschränkt.
Der Steuerberater ist berufsrechtlich nicht vorbelastet.
II.
Der Steuerberater hat den Kammerbeitrag 2018 in Höhe von 200 € nicht fristgerecht gezahlt. Im März 2018 stellte er einen Ermäßigungsantrag, den die Steuerberaterkammer noch im selben Monat ablehnte, weil der Antrag des Steuerberaters, der bis Ende Januar hätte gestellt werden müssen, verspätet war.
Nach Erinnerung, Mahnungen und einem Vollstreckungsversuch, die sämtlich ohne Erfolg blieben, überwies er den Betrag schließlich am 19.10.2018. Die angefallenen Beitreibungskosten hat er bis heute nicht gezahlt.
Das Anschreiben der Steuerberaterkammer vom 04.05.2018, in dem er zur Zahlung des ausstehenden Beitrags aufgefordert wurde, beantwortete der Steuerberater am 07.07.2018 u.a. wie folgt:
" … am siebten Tag im Juli Zweitausendachtzehn gelangte eine Urkunde … gerichtet an die Person … V. in die Hände des Unterzeichners. Es wird hiermit angezeigt …, dass der Unterzeichner nicht diese fiktive Person ist. Eine(r) diesbezügliche(r) Vertrag oder Vertragsmodifikation ist dem Unterzeichner nicht bekannt. … Ohne Nachweis existiert keine Forderung /Schuld, die auszugleichen wäre. …"
Im Rahmen des gegen ihn eingeleiteten berufsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Nichtzahlung des Kammerbeitrags erklärte der Steuerberater am 06.10.2018 gegenüber der Generalstaatsanwaltschaft mit Bezug auf den zuständigen Oberstaatsanwalt:
"… Irgendwie schließen Sie sich den Behauptungen der Steuerberaterkammer an, die allerdings bisher selbst keinen Beweis erbracht hat, dass Ihre Behauptungen zutreffend sind. Können nun Sie die Behauptungen beweisen? Wenn nicht innerhalb von 72 Stunden, dann ist das ebenfalls ein Eingeständnis, dass die Behauptungen nicht bewiesen sind. Denn die Person …V. ist eine Fiktion/Sache/Gegenstand/Figur, genau wie der Oberstaatsanwalt eine Fiktion/Sache/Gegenstand/Figur in der Fiktion/Öffentlichkeit/Firmenwelt darstellt. … Zum Ausgleich für ihre Doppik in Höhe von 200,-- € hat die Steuerberaterkammer die Unterlagen ihrer Angebote zurückerhalten. Insofern erhalten auch Sie Ihr Angebot (Original) zurück. Eine Äußerung (Entscheidung) wird Ihnen anheim gestellt. …"
In seinem Schreiben vom 06.11.2018 an das Berufsgericht führte der Steuerberater zu der ihm zugestellten Anschuldigungsschrift in dieser Sache aus:
"… Die Kammer und der Oberstaatsanwalt haben lediglich bewiesen, dass durch Ihre Drohungen (§ 240 StGB) sie nur sich selber verächtlich, d.h. verachtenswert gemacht haben …. Dem Unterzeichner ist bewusst, dass sie den Unterschied zwischen Mensch und Person nicht wahrhaben wollen, obwohl im Art. 10 EGBGB (Gesetz der BRD) die Person explizit definiert ist. Sie existiert genauso wie die Kammer oder der Oberstaatsanwalt als Realität in der Fiktion existiert.…. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, bringt der Unterzeichner durch seine Signatur zum Ausdruck."
Auf die Ladung zur Hauptverhandlung vor dem Berufsgericht reagierte der Steuerberater mit Schreiben vom 10.12.2018 u.a. wie folgt:
" … der Unterzeichner hat Ihr Angebot geprüft, hat aber diesbezüglich keinen Bedarf. Ihr Angebot erhalten sie daher im Original und zum Ausgleich für Ihre Akten zurück. …"
Bei dem Steuerberater liegt keine geistige oder seelische Erkrankung vor. Er ist raumzeitlich und in der Sache orientiert. Seine abwegigen Einlassungen sind in sich logisch. Er ist in der Lage sein äußeres Verhalten auf die Anforderungen seiner Umwelt abzustimmen. Seine emotionale Beteiligung ist kontrolliert und realitätsgerecht.
III.
Diese Feststellungen beruhen auf dem Geständnis des Steuerberaters, den durch Bericht des Vorsitzenden eingeführten, oben auszugsweise zitierten Schriftstücken sowie dem Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. H.
Der Steuerberater hat eingeräumt, den Kammerbeitrag zu spät gezahlt zu haben. Er hat darauf hingewiesen, dass er annähernd 40 Jahre den Kammerbeitrag korrekt gezahlt habe. Grund für den verfristet gestellten Ermäßigungsantrag sei gewesen, dass ihm die Antragsfrist nicht vor Augen gestanden hätte. Schließlich habe er aber den Kammerbeitrag entrichtet. Zu den noch ausstehenden Beitreibungskosten hat er sich nicht erklärt.
Der Steuerberater hat im Wesentlichen ausschweifend und neben der Sache liegend verlangt, dass das Berufsgericht ihm beweise, dass er nicht eigenverantwortlich, gewissenhaft, verschwiegen und unter Verzicht auf berufswidrige Werbung gearbeitet hätte. Es sollten ihm die Strafgesetze angegeben werden, aus denen sich der ihm gemachte Vorwurf ergebe. Schließlich hat er umfangreiche Ausführungen zu seinem Menschsein und der "Fiktion …V." gemacht und erklärt, dass er sich in Bälde in Washington registrieren lassen werde. Bei diesem Schritt seien aber noch nicht alle Einzelheiten durchdacht und verstanden.
Das Berufsgericht hat zur Frage des psychischen Zustands des Steuerberaters den Sachverständigen Dr. H. gehört.
Der Sachverständige hat ausgeführt, er könne nach Akteninhalt und Auftreten des Steuerberaters in der Hauptverhandlung keine psychiatrische Diagnose stellen. Der Steuerberater mag abseitige Rechtsvorstellungen vertreten. Seine Ausführungen seien aber in sich logisch. Er wisse, um was es gehe. Schließlich habe er auch den Beitrag noch gezahlt. Es gäbe eine Vielzahl von Personen, etwa Reichsbürger, Identitäre und Sektierer aller Art, die er durchaus zum Bereich des Normalpsychologischen zähle. Weiterreichende Informationen außerhalb der Akten und außerhalb dieser Hauptverhandlung, insbesondere solche im Rahmen einer fachgerechten Exploration gewonnene, stünden ihm nicht zur Verfügung, weil der Steuerberater weder einen ihm genannten Untersuchungstermin wahrgenommen noch auch nur eine eingehende Befragung in der Hauptverhandlung zugelassen hätte.
IV.
Der Steuerberater war unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen verhandlungsfähig.
Der Steuerberater hat seine Berufspflicht zur rechtzeitigen Beitragsentrichtung an die Steuerberaterkammer (§ 79 Abs.1 StBerG in Verbindung mit der Beitragsordnung der Kammer) verletzt, indem er den Kammerbeitrag nicht fristgerecht und die Beitreibungskosten überhaupt nicht gezahlt hat.
Die Vielzahl seiner ausweichenden und neben der Sache liegenden Reaktionen auf den Vorwurf, die in krassem Gegensatz zu seiner annähernd 40-jährigen Pflichterfüllung steht, rechtfertigt die Annahme einer bewussten Entscheidung für den nunmehr begangenen Pflichtverstoß.
V.
Gegen den Steuerberater war eine berufsgerichtliche Maßnahme nach §§ 89 Abs. 1, 90 StBerG zu verhängen.
Das Berufsgericht hat zugunsten des Steuerberaters berücksichtigt, dass er sich seit seiner Bestellung berufsrechtlich einwandfrei geführt hat, sich der Hauptverhandlung gestellt hat und den Vorwurf eingeräumt hat. Außerdem hat er letzten Endes den Kammerbeitrag entrichtet. Das Berufsgericht hat zudem als Milderungsgrund gelten lassen, dass der Steuerberater sich - vor ca. 5 Jahren beginnend - aus dem Beruf zurückzieht.
Gegen ihn spricht bereits das Gewicht der verletzten Berufspflicht. Das Gewicht der Vorenthaltung des Kammerbeitrags ist im Spektrum der Berufspflichten keineswegs von geringer Bedeutung. Die zur Selbstorganisation des Berufstands vom Gesetzgeber mit umfangreichen Aufgaben betraute Steuerberaterkammer ist zur Deckung ihres Finanzbedarfs auf die rechtzeitige Beitragszahlung durch die Berufsangehörigen angewiesen.
Gegen ihn spricht aber vor allem die durch Fristsetzungen und herabsetzende Werturteile über handelnde Personen noch gesteigerte Anmaßung, mit der er erwartet, dass Steuerberaterkammer, Generalstaatsanwaltschaft und Berufsgericht sich mit seinen abwegigen Intuitionen von Mensch und Fiktion, von einer Staat und Gesellschaft durchdringenden Bedeutung des "Art. 10 EGBGB (Gesetz der BRD)", von einer vertraglichen Beitragspflicht zur Steuerberaterkammer und von der rechtlichen Bedeutung der Ladung zu einer Hauptverhandlung vor dem Berufsgericht als "Angebot" befassen.
Von einem Steuerberater als Organ der Steuerrechtspflege ist nicht nur ein schonender Umgang mit den begrenzten Arbeitsressourcen von Steuerberaterkammer, Generalstaatsanwaltschaft und Berufsgericht zu verlangen. Von einem Steuerberater ist zumindest im Zusammenhang mit seiner Berufsarbeit ein sorgfältiger, kritisch abwägender und verantwortlicher Umgang mit von ihm vertretenen Rechtsmeinungen zu fordern, womit sich jedenfalls die kritiklose, unbelehrbare Verbreitung sektenhafter Sondermeinungen (z.B. der Reichsbürgerbewegung) unter Aufgabe des Bezugs zu allgemein anerkannten Kommunikationsstandards nicht verträgt.
Das Berufsgericht hat danach auf einen
Verweis
und eine
Geldbuße in Höhe von 300 €
als angemessene berufsrechtliche Reaktion erkannt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 148 Steuerberatungsgesetz.