Autor Thema: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof zum "gelben Schein"  (Gelesen 1331 mal)

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Offline Gelehrsamer

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof zum "gelben Schein"
« am: 24. August 2018, 09:43:29 »
Auch der BayVGH (Urteil vom 8.8., 5 ZB 18.844 -  :whistle:) stellt klar, kein Staatsangehörigkeitsausweis "einfach so". Der Spuk sollte langsam sein Ende finden.

Pointe am Rande: Der BayVGH lässt die Berufung nicht zu, indem er die mit dem Berufungszulassungsantrag aufgeworfene Frage einfach mal beantwortet.

Spoiler
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg; die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
...
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel daran, dass der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises hat. Denn der Kläger hat kein schutzwürdiges Interesse daran geltend gemacht.
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG wird das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Die Feststellung ist in allen Angelegenheiten verbindlich, für die das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit rechtserheblich ist (§ 30 Abs. 1 Satz 2 StAG). Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde einen Staatsangehörigkeitsausweis aus (§ 30 Abs. 3 Satz 1 StAG). Auch wenn der Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG nur auf einen entsprechenden Antrag abstellt und weitere Voraussetzungen nicht normiert sind, so hat das nicht zur Folge, dass jedermann ohne Vorliegen eines Sachbescheidungsinteresses Anspruch darauf hat, auf seinen bloßen Antrag hin das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit feststellen zu lassen.
Vielmehr geht die höchstrichterliche Rechtsprechung vom allgemeinen Grundsatz aus, dass „jede Verwaltungstätigkeit ein – wie auch immer geartetes – öffentliches oder privates Bedürfnis zu befriedigen hat und deshalb dann zumindest unterbleiben darf und in der Regel wohl auch unterbleiben muss, wenn sie ohne jeden erkennbaren Sinn ist“ (BVerwG, B.v. 12.11.1976 – VII B 21.76 – Buchholz 442.16 § 27 StVZO Nr 2 = juris Rn. 3 m.w.N.). Das Vorliegen eines anerkennenswerten Interesses am behördlichen Tätigwerden ist eine verwaltungsverfahrensrechtliche Sachentscheidungsvoraussetzung, so dass die Behörde bei fehlendem Sachbescheidungsinteresse jedenfalls nicht zur Sache entscheiden muss (vgl. BVerwG, U.v. 23.3.1973 – IV C 49.71 – BVerwGE 42, 115 = juris Rn. 14; U.v. 6.8.1996 – 9 C 169.95 – BVerwGE 101, 323 = juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 30.6.2004 – 7 B 92.03 – BayVBl 2004, 728 = juris Rn. 24; vgl. auch Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 22 Rn. 77 ff.).
Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 30 StAG im Jahr 2007 (BGBl I S. 1970) jedermann einen Anspruch auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit und damit auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises bzw. einer Bescheinigung über das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit (vgl. § 30 Abs. 3 Satz 2 StAG) zuerkennen wollte, ohne dass dafür ein schutzwürdiges Interesse besteht (vgl. Marx in Fritz/Vormeier, GK-StAG, Stand Juni 2018, § 30 Rn. 18; Hailbronner in Hailbronner/Maaßen/Hecker/Kau, StAG, 6. Aufl. 2017, § 30 Rn. 3a). Da jedermann entweder deutscher Staatsbürger ist oder es nicht ist, wäre der Kreis der anspruchsberechtigten Personen ersichtlich zu weit. Ein Ausschluss des Anspruchs erst bei bloßem Missbrauch wäre entgegen der Auffassung des Klägers zur Begrenzung des Feststellungsanspruchs nicht ausreichend, wobei offen bleiben kann, ob ein Antrag ohne jedes schutzwürdige Interesse nicht ohnehin einen Missbrauch darstellen würde. Die vom Kläger vorgeschlagene Missbrauchsgebühr hat keine gesetzliche Grundlage.
Mit der Neuregelung wurde nach der Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drs. 16/5065 S. 230 f.) die behördliche Entscheidung in einem Verfahren zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit als rechtsgestaltender Verwaltungsakt ausgestaltet, um die deutsche Staatsangehörigkeit verbindlich für alle Behörden festzustellen. Der bis dahin von einer deutschen Staatsangehörigkeitsbehörde auf Antrag ausgestellte Staatsangehörigkeitsausweis habe nur den Charakter einer widerleglichen Vermutung gehabt und sei nicht verbindlich gewesen. Zur Herstellung von Rechtssicherheit für den Betroffenen sei deshalb auch für den Nachweis der Staatsangehörigkeit eine Verbindlichkeitsregelung geboten. Die deutsche Staatsangehörigkeit sei insbesondere für das davon abhängende Wahlrecht und die Ausstellung von Personaldokumenten von hoher Bedeutung. Auch diese Gesetzesbegründung (Herstellung der Rechtssicherheit für die aus der Staatsangehörigkeit abzuleitenden Rechte) spricht dafür, dass ein Anspruch auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit nicht anlasslos besteht.
Darüber hinaus ist grundsätzlich der Erlass eines Verwaltungsakts zur verbindlichen Feststellung einer Rechtslage nur erforderlich, wenn Zweifel bestehen, ob eine bestimmte Rechtslage gegeben ist, wenn also etwas zu klären ist. Liegen keine Zweifel vor, ist nichts zu klären. Insoweit muss auch dem Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts grundsätzlich ein Sachbescheidungsinteresse zu Grunde liegen. Ein solches kann hier aber auch dann gegeben sein, wenn ein schutzwürdiges Interesse an der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises besteht (etwa wenn die Vorlage eines solchen Ausweises nach bestimmten Rechtsvorschriften erforderlich ist), weil die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG von der Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG abhängt.
Das Erfordernis eines Sachbescheidungsinteresses verletzt entgegen dem Zulassungsvorbringen weder das Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG noch ist es „datenschutzrechtlich problematisch“. Auch handelt es sich um keine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung, sondern vielmehr um die Anwendung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes.
Der Kläger hat ein Sachbescheidungsinteresse nicht dargelegt; es ist auch keines ersichtlich. Es besteht kein Zweifel daran, dass er deutscher Staatsangehöriger ist. Die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers wird von niemandem, insbesondere nicht von deutschen oder ausländischen Behörden, bestritten. Der Kläger wurde als Kind deutscher Eltern auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland geboren, wird seit 60 Jahren als deutscher Staatsangehöriger behandelt, im Melderegister als deutscher Staatsangehöriger geführt und ist im Besitz eines gültigen deutschen Reisepasses und eines gültigen deutschen Personalausweises. Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 StAG ist es für die Feststellung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit erforderlich, aber auch ausreichend, wenn durch Urkunden, Auszüge aus den Melderegistern oder andere schriftliche Beweismittel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist, dass die deutsche Staatsangehörigkeit erworben worden und danach nicht wieder verloren gegangen ist. Der Kläger verfügt über all diese Nachweise. Dafür, dass der Kläger die deutsche Staatsangehörigkeit irgendwann verloren hätte, gibt es keine Anhaltspunkte.
Der Kläger hat auch kein schutzwürdiges Interesse an der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises dargelegt. Seinen ursprünglichen Vortrag, in Italien oder den USA ein Grundstück erwerben zu wollen und hierfür einen deutschen Staatsangehörigkeitsausweis zu benötigen, hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht wiederholt. Im Übrigen hat er weder plausibel dargelegt, einen Grundstückserwerb in den genannten Ländern ernsthaft anzustreben noch dass dafür ein deutscher Staatsangehörigkeitsausweis notwendig sei.
Besteht kein Anspruch auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit, hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG.
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c) Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung des Klägers auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Um eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu begründen, hat der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage zu formulieren und darzulegen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, weshalb sie klärungsbedürftig ist und inwiefern der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 72). Die vom Kläger gestellte Frage, ob „der Antragsteller ein bestimmtes Sachbescheidungsinteresse nachweisen müsse, damit ihm ein Staatsangehörigkeitsausweis ausgestellt werde“, ist nicht klärungsbedürftig, weil sie bereits geklärt ist, wie oben (Buchst. a) dargelegt. Dass es zum Erfordernis eines Sachbescheidungsinteresses bei der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens der deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG – soweit ersichtlich – noch keine obergerichtlichen Entscheidungen gibt, verleiht der Rechtssache hier keine grundsätzliche Bedeutung, weil sich die maßgebliche Rechtsfrage unter Anwendung allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze beantworten lässt.
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« Letzte Änderung: 24. August 2018, 09:45:13 von Gutemine »