Autor Thema: Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. Juni 2018 – 4 B 1090/18  (Gelesen 1378 mal)

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De Hesse komme ...: Vor Kurzem wurde in der Presse ja erheblicher Rummel wegen einer Entscheidung des VG Gießen veranstaltet, die sich völlig auf der Linie der vorhandenen obergerichtlichen Rechtsprechung bewegt. Den einschlägigen Entscheidungen insbesondere aus Bayern, Baden-Württemberg (Wirr-tenberg?) und Nordrhein-Westfalen folgt jetzt auch der HessVGH. Kein Waffenbesitz wenn die Buzzwords "RuStAG 1913" und "Königreich Preußen" fallen. Ob da auch wieder die "Rechtssachverständigen" ihre Finger im Spiel haben?

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Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20. Juni 2018 – 4 B 1090/18 –

„Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

...

1. Aus dem Beschwerdevorbringen des Antragstellers ergibt sich keine andere rechtliche Beurteilung des vom Antragsgegner ausgesprochenen Widerrufs seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse. Der Antragsteller beschränkt sich mit seiner Beschwerde im Wesentlichen auf die Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens, mit dem sich das Verwaltungsgericht in der angegriffenen Entscheidung ausführlich auseinandergesetzt hat.

a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht nicht unzureichend geprüft, ob er Mitglied der Reichsbürger-Bewegung ist. Auf die Frage einer förmlichen oder tatsächlichen Mitgliedschaft des Antragstellers kommt es hier nicht in entscheidungserheblicher Weise an. Denn auf der Grundlage des vom Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigten Verhaltens des Antragstellers ab dem Jahr 2015 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er sich zumindest die Ideologie der Reichsbürger-Bewegung in weiten Teilen zu Eigen gemacht hat. Damit liegen auch nach Auffassung des Beschwerdegerichts hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass er die Existenz und die Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung einschließlich der Regelungen des Waffengesetzes nicht für sich als verbindlich anerkennt. Bei verständiger Würdigung dieser Umstände besteht damit eine hinreichende Gefahr, dass der Antragsteller aufgrund seiner persönlichen Einstellung zur Rechtsordnung nicht ordnungsgemäß mit den ihm gehörenden Waffen und der dazugehörigen Munition umgeht. Daher rechtfertigt der dem Verwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes von den Beteiligten unterbreitete Sachverhalt bei der gebotenen summarischen Prüfung die Annahme der Unzuverlässigkeit des Antragstellers im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG.

b) Ohne Erfolg wendet der Antragsteller weiter ein, die Würdigung seines Verhaltens im Jahre 2015 in Zusammenhang mit seinem Antrag auf Feststellung seiner Staatsangehörigkeit sei nicht haltbar, wenn - was das Verwaltungsgericht unterlassen habe - die aktuelleren Sachverhaltsumstände ebenfalls berücksichtigt würden. Auch dieser Einwand greift nicht ein.

Das Verwaltungsgericht hat sich - ausweislich Blatt 12 und 13 des Entscheidungsabdrucks - auch mit dem Schreiben des Antragstellers an den Antragsgegner vom 30. März 2016 befasst, mit dem dieser einige Unterlagen zur Bearbeitung seines im Juli 2015 eingereichten Antrags auf Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 RuStAG (Stand "22. Juli 1913") vorgelegt hatte. In dem Vordruck des Feststellungsantrags hatte der Antragsteller als Geburtsstaat und als Wohnsitzstaat jeweils "Preußen (Deutschland als Ganzes)" angegeben. In dem Schreiben vom 30. März 2016 fügte er seiner Unterschrift den Zusatz "(natürliche Person gemäß § 1 des staatlichen BGB)" bei. Das Schreiben adressierte der Antragsteller an die "Firma Landkreis Marburg-Biedenkopf". Das Verwaltungsgericht hat auch die E-Mail des Antragstellers an den Antragsgegner vom 2. März 2017 in den Blick genommen. Dort fügte der Antragsteller seiner Unterschrift den gleichlautenden Zusatz bei. Das Verwaltungsgericht hat dargestellt, dass es sich bei den aufgezeigten Formulierungen um typische Begrifflichkeiten handelt, die in der Bewegung der Reichsbürger und Selbstverwalter verwendet werden. Es hat auch nachvollziehbar ausgeführt, welche Vorstellungen mit der Verwendung dieser Begriffe verbunden sind.

Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller keine nachvollziehbare Begründung vorgebracht, warum er selbst über einen längeren Zeitraum gerade diese Begrifflichkeiten im Rechtsverkehr mit dem Antragsteller verwendet hat. Insbesondere ist nicht dargelegt worden, welche konkreten persönlichen Motive ihn dazu bewogen. Damit erschließt sich nicht, dass seine Vorstellungen in wesentlichen Aspekten von den Vorstellungen der Reichsbürger-Bewegung abweichen. Seine schlichte Behauptung, er habe mit dieser Bewegung oder deren ideologischen Vorstellung nichts zu tun, vermag die indizielle Wirkung seines mindestens über zwei Jahre anhaltenden Verhaltens nicht zu entkräften. Vielmehr zeigt gerade die vom Antragsteller verwendete Bezeichnung des Antragsgegners als "Firma", dass er diesen nicht als öffentlich-rechtliche Körperschaft mit hoheitlicher Staatsgewalt anerkennt, sondern als Einrichtung des Privatrechts ansieht. Dem Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren lässt sich somit keine distanzierende Haltung zur Ideologie der Reichsbürger-Bewegung entnehmen.

c) Schließlich hat das Verwaltungsgericht die Zuverlässigkeit des Antragstellers auch nicht deshalb zu Unrecht verneint, weil er andere für Reichsbürger charakteristische Verhaltensweisen nicht gezeigt hat.

Das Vorbringen des Antragstellers, er habe den ihm erteilten Staatsangehörigkeitsausweis nicht angefochten, er besitze weiterhin die von der Bundesrepublik Deutschland ausgestellte Ausweisen und er entrichte ordnungsgemäß seine öffentlichen Abgaben, ist nicht geeignet, die oben aufgezeigten Indizien für eine Übernahme der Ideologie der Reichsbürger-Bewegung zu entkräften. Hierzu hat das Verwaltungsgericht bereits zutreffend ausgeführt, der Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 16. Dezember 2016 sei nicht dahin zu verstehen, dass eine Zugehörigkeit zur Gruppe der Reichsbürger nur dann zu bejahen ist, wenn alle dort genannten Anhaltspunkte von einer Person erfüllt sind. Der Begriff der sog. "Reichsbürger- und Selbstverwaltungsbewegung" erfasst eine heterogene Personengruppe. Die Annahme, dass sich eine Person mit hoher Wahrscheinlichkeit die Ideologie dieser Bewegung zu Eigen gemacht hat, setzt somit nicht voraus, dass alle typischen Merkmale erfüllt sind. Eine Zuordnung kann stets nur im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Verhaltensweisen einer Person erfolgen (Bayerischer VGH, Beschluss vom 9. Februar 2018 - 21 CS 17.1964 -, juris Rdnr. 18). Diese Würdigung hat das Verwaltungsgericht nicht zu beanstandender Weise vorgenommen.
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