Autor Thema: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...  (Gelesen 2590 mal)

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Offline DarkLahatiel

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VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« am: 15. Juni 2017, 17:07:14 »
Anders kann ich mir dieses Urteil nicht erklären...

http://www.rechtsprechung.niedersachsen.de/jportal/portal/page/bsndprod.psml?doc.id=MWRE170005502&st=null&showdoccase=1

Normalerweise sind die Richter dort eher dafür bekannt grundsätzlich gegen die Verwaltung zu entscheiden.
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Offline Tuska

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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #1 am: 15. Juni 2017, 17:16:37 »
Für die Klickfaulen (und weil diverse Landesministerien gerne hin und wieder ihre Internetauftritte ändern und Links dann ins Nirvana führen):

Verwaltungsgericht Lüneburg 6. Kammer, Urteil vom 05.04.2017, 6 A 525/16
Spoiler
Zitat
    Zur Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises

    Kein Anspruch auf Erteilung eines Staatsangehörigkeitsausweises ohne konkreten Zweck

§ 30 Abs 1 RuStAG
Tatbestand

1

    Der Kläger begehrt die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.

2

    Der am C. in D. geborene Kläger, der Inhaber eines bis September 2020 gültigen deutschen Reisepasses ist, stellte am 5.Oktober 2016 unter Verwendung eines dafür vorgesehenen Formulars einen „Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit (Staatsangehörigkeitsausweis)“. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit durch Abstammung von seinem Vater gem. §§ 1, 3 Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) Stand 1913 erworben. Daneben besitze er durch Abstammung seit Geburt die Staatsangehörigkeit des Königreiches Preußen.

3

    Mit Anhörungsschreiben vom 2. November 2016 wies der Beklagte darauf hin, dass es sich bei der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises um einen feststellenden Verwaltungsakt handele, für den ein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse vorliegen müsse. Dies sei jedoch nicht erkennbar, so dass der Antrag abzulehnen sei. Der Kläger werde gebeten mitzuteilen, von welcher öffentlichen Behörde seine deutsche Staatsangehörigkeit bestritten werde.

4

    Der Kläger wies das Schreiben des Beklagten vom 2. November 2016 zurück und bat um Mitteilung der Rechtsgrundlagen für die ihm gestellten Fragen.

5

    Mit Bescheid vom 14. November 2016 lehnte der Beklagte den Antrag unter Hinweis auf das fehlende Feststellungsinteresse ab, da die deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers in keiner Weise zweifelhaft und die Notwendigkeit eines Staatsangehörigkeitsausweises nicht dargelegt sei. Eine Feststellung nach dem nicht mehr gültigen Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz sei zudem nicht mehr möglich.

6

    Daraufhin hat der Kläger fristgerecht Klage erhoben.

7

    Er trägt vor, sein Personalausweis und sein Reisepass seien nicht geeignet, um einen Nachweis der Staatsangehörigkeit zu erbringen. § 30 StAG sehe ausdrücklich vor, dass die Staatsangehörigkeit auf Antrag festzustellen sei. Ein besonderes Sachbescheidungsinteresse sei nicht erforderlich. Art. 33 Abs. 2 GG sehe gesonderte Rechte für den Zugang zu öffentlichen Ämtern vor. Spätestens bei der Bewerbung für ein solches Amt bedürfe es eines Nachweises der deutschen Staatsangehörigkeit. Auch für den Erwerb von Grundeigentum im Ausland sei ein solcher Nachweis erforderlich.

8

    Der Kläger beantragt,

9

    den Beklagten zu verurteilen, ihm den beantragten Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen,

10

    hilfsweise,

11

    den Beklagten zu verurteilen, seinen Antrag sowohl in sachlicher Hinsicht auf die bestehende Staatsangehörigkeit neu zu bescheiden.

12

    Der Beklagte beantragt,

13

    die Klage abzuweisen.

14

    Er nimmt Bezug auf sein Vorbringen im Vorverfahren und weist ergänzend darauf hin, dass der Kläger nicht vorgetragen habe, welche Behörde seine deutsche Staatsangehörigkeit bestreite. Der Kläger sei 1954 als Sohn eines deutschen Staatsangehörigen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geboren. Seine Staatsangehörigkeit sei nie in Zweifel gezogen worden und auch für einen Laien ganz offensichtlich.

15

    Die Kammer hat den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

16

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

17

    Über die Klage kann im Einverständnis der Beteiligten gem. § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.

18

    Die Klage hat keinen Erfolg.

19

    Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Nach dem Inhalt seiner Schreiben begehrt der Kläger die Feststellung seiner deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Abs. 1 StAG und in der Folge die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.. Die Entscheidung des Beklagten darüber stellt einen Verwaltungsakt dar, so dass der Klagantrag nach § 88 VwGO auszulegen ist als Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 14. November 2016 und Verpflichtung des Beklagten zur Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines entsprechenden Ausweises.

20

    Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und die damit verbundene Ausstellung des Staatsangehörigkeitsausweises. Auch ein Anspruch auf Neubescheidung, wie er mit dem Hilfsantrag geltend gemacht wird, besteht nicht.

21

    Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 30 StAG. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde nach § 30 Abs. 3 StAG einen Staatsangehörigkeitsausweises aus.

22

    Diese Vorschriften setzen - worauf der Kläger richtig hinweist - ihrem Wortlaut nach kein besonderes Interesse an der Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises voraus. Die Notwendigkeit eines solchen besonderen Interesses ergibt sich jedoch aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen. Das Erfordernis eines Sachbescheidungsinteresses gilt vergleichbar mit dem im Prozess erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis als Ausdruck allgemeiner Rechtsgrundsätze auch im Verwaltungsverfahren. Wie im gerichtlichen Verfahren ist auch im behördlichen Verfahren ein Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller ein schutzwürdiges Interesse an der von ihm begehrten Amtshandlung hat, weil er sie etwa zur Verwirklichung oder Wahrung eines Rechts benötigt und die Verwaltung nicht für unnütze oder unlautere Zwecke oder sonst missbräuchlich in Anspruch nimmt. In Fällen, in denen ein schutzwürdiges Interesse an der begehrten Amtshandlung nicht ersichtlich ist, ist die Behörde zwar nicht verpflichtet, aber berechtigt, die Amtshandlung allein aus diesem Grunde zu verweigern (BVerwG, U. v. 23.03.1973 - IV C 49.71 - und B. v. 30.06.2004 - 7 B 92.03 - beide juris, sowie Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 22 Rn. 77 ff. m.w.N.; zu § 30 StAG VG Potsdam, U. v. 14.03.2016 - VG 8 K 4832/15 - ; VG Magdeburg, U. v. 09.09.2016 - 1 A 88/16 - ; VG Schleswig, Urteil v.11.1.2017 – 9 A227/16 -; VG Hamburg, Urteil v. 10.1.2017 – 2 K 6629/15 - , jeweils in juris, vgl. auch Marx in Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Stand 21.04.2010, § 30 Rn. 17 ff.).

23

    Hier besteht ein solches Sachbescheidungsinteresse jedoch nicht, denn die begehrte Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises wären für den Kläger ersichtlich nutzlos. Seine deutsche Staatsangehörigkeit steht nicht in Zweifel. Er ist als Sohn deutscher Eltern auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland geboren, wird im Melderegister als deutscher Staatsangehöriger geführt und ist im Besitz eines deutschen Personalausweises, aufgrund dessen er als deutscher Staatsangehöriger zu behandeln ist (§ 3 Abs. 2 S. 2 StAG). Seine deutsche Staatsangehörigkeit wird von keiner Seite in Frage gestellt. Es ist deshalb nicht ersichtlich, warum er einen Staatsangehörigkeitsausweises zum Nachweis seiner Staatsangehörigkeit benötigt. Er hat dem Beklagten auch keine Behörde benennen können, die seine Staatsangehörigkeit in Zweifel zieht. Tatsächlich kandidiert er weder für ein öffentliches Amt noch hat er konkrete Absichten zum Grunderwerb im Ausland. Seine Handlungsfreiheit wird durch die Versagung des Staatsangehörigkeitsausweises in keiner Weise eingeschränkt. Vielmehr kann er sich, wenn er einen solchen Ausweis für ein von ihm konkret zu benennendes Vorhaben tatsächlich benötigt, jederzeit an den Beklagten wenden.

24

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

25

    Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 a Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO durch das Verwaltungsgericht liegen nicht vor.
[close]
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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #2 am: 15. Juni 2017, 17:18:34 »
Dass die Richter getrunken hätten, kann ich nicht erkennen. Sie begründen knapp, aber einwandfrei ihre Entscheidung.
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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #3 am: 15. Juni 2017, 17:42:02 »
Eben. Es wäre sicherlich deliriös ausgefallen, wenn die Richter bei den aktuellen Temperaturen nichts getrunken hätten.

soɥdʎsıs sǝp soɥʇʎɯ ɹǝp 'snɯɐɔ ʇɹǝqlɐ –
˙uǝllǝʇsɹoʌ uǝɥɔsuǝɯ uǝɥɔılʞɔülƃ uǝuıǝ slɐ soɥdʎsıs sun uǝssüɯ ɹıʍ ˙uǝllüɟnzsnɐ zɹǝɥuǝɥɔsuǝɯ uıǝ ƃɐɯɹǝʌ lǝɟdıƃ uǝƃǝƃ ɟdɯɐʞ ɹǝp

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Offline DarkLahatiel

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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #4 am: 15. Juni 2017, 18:16:00 »
Um hier Missverständnisse klar auszuräumen... ich finde die Entscheidung sehr gut.

Mich überrascht es halt, weil man in Niedersachsen bisher davon ausging, dass sich Lüneburg nicht der Sichtweise von Potsdam anschließen würde. Nun werden hoffentlich auch unsere Straßenverkehrs- und Waffenbehörden ihr Zögern ablegen.
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Offline Schattendiplomat

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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #5 am: 17. Juni 2017, 15:13:55 »
...sehr gut Entscheidung, dass der "gelbe Schein" nur bei einem nachvollziehbaren Grund ausgestellt werden muss!
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dtx

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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #6 am: 17. Juni 2017, 15:50:44 »
Dass die Richter getrunken hätten, kann ich nicht erkennen. Sie begründen knapp, aber einwandfrei ihre Entscheidung.

Jepp. Aber das Urteil wird unter anderem auch damit begründet, daß der Kläger einen Personalausweis und einen Reisepass besitze. Wie unsere Kunden immer so schön sagen, "ist er noch nicht soweit".
 

Offline Ceilo

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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #7 am: 1. Juli 2017, 16:16:28 »
Ebenso wie VG Potsdam und VG Lüneburg nun übrigens auch das VG Berlin (Urteil vom 28.04.2017 - 2 K 381.16).

http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE170028440&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10
 
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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #8 am: 1. Juli 2017, 17:36:45 »
Ebenso wie VG Potsdam und VG Lüneburg nun übrigens auch das VG Berlin (Urteil vom 28.04.2017 - 2 K 381.16).

http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=JURE170028440&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10


Da der link tatsächlich ins Leere bzw. zu sich selbst zurück geht, mache ich es wie Tuska:


Spoiler
Gericht:   VG Berlin 2. Kammer
Entscheidungsdatum:   28.04.2017
Aktenzeichen:   2 K 381.16
Dokumenttyp:   Urteil
Quelle:   juris Logo
Normen:   § 30 RuStAG, § 75 VwGO
Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises

Tenor
Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Bestehens ihrer deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises.

2
Am 10. März 2015 sprach die Klägerin beim Beklagten vor und beantragte unter Verwendung des dafür vorgesehenen Formulars die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Dabei gab sie u. a. an, am ... September 1978 in D.../Kitzingen im Königreich Bayern geboren worden zu sein. Am 14. Dezember 2010 habe sie in Berlin in Preußen geheiratet. Wohnhaft sei sie in Berlin im Staat Preußen. Zuvor habe sie an verschiedenen Orten im Königreich Bayern gewohnt. Mit ihrer Geburt habe sie durch Abstammung gemäß § 4 Abs. 1 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes – RuStAG – (Stand 1913) die deutsche Staatsangehörigkeit sowie die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern erworben. Ihre zur Zeit der Geburt der Klägerin ledige Mutter und ihr Großvater mütterlicherseits hätten beide die deutsche sowie die Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern besessen.

3
Der Klägerin wurde vom Bezirksamt Mitte von Berlin am 27. Dezember 2010 ein bis zum 26. Dezember 2020 gültiger Personalausweis ausgestellt.

4
Mit Datum vom 13. September 2015 meldete sich die Klägerin nach Neuseeland ab. Mit Schreiben vom 25. Februar 2016 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie sich seit Anfang Oktober 2015 ohne festen Wohnsitz im europäischen Ausland aufhalte.

5
Am 24. September 2015 hat die Klägerin (Untätigkeits-)Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Sie beabsichtige auszuwandern, dazu benötige sie einen Staatsangehörigkeitsausweis, weil sie ohne diesen erhebliche Nachteile im ausländischen Rechtsverkehr zu erwarten habe. Seit ihrer Abmeldung habe sie sich ca. die Hälfte der Zeit an ihrem Wohnsitz in der A... in Berlin aufgehalten. Auch aktuell diene dieser Wohnsitz als Basis der Klägerin. Damit habe sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin.

6
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

7
den Beklagten zu verpflichten, ihre deutsche Staatsangehörigkeit festzustellen und ihr auf ihren Antrag hin einen Staatsangehörigkeitsausweis zu erteilen.

8
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,

9
die Klage abzuweisen.

10
Zur Begründung führt er an: Da sich die Klägerin bereits mit Datum vom 13. September 2015 nach Neuseeland abgemeldet habe, stehe bereits die Zuständigkeit des Landes Berlin in Frage. Im Übrigen fehle der Klägerin ein schutzwürdiges Interesse an der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, weil sie im Jahr 1978 als Tochter von Eltern mit deutscher Staatsangehörigkeit auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geboren worden sei und die deutsche Staatsangehörigkeit gemäß § 4 Abs. 1 in der im Zeitpunkt ihrer Geburt geltenden Fassung des Staatsangehörigkeitsgesetzes erworben habe. Es sei nicht ersichtlich, warum die deutsche Staatsangehörigkeit zweifelhaft oder klärungsbedürftig sein könnte. Insbesondere stellten weder der Beklagte noch andere Behörden die deutsche Staatsangehörigkeit der Klägerin in Frage. Die Klägerin sei auch im Besitz eines deutschen Personalausweises. Für einen Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit spreche nichts.

11
Die Beteiligten haben dem Gericht gegenüber ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter mitgeteilt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Streitakte und den Verwaltungsvorgang verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

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Entscheidungsgründe
12
Über die Klage kann der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch ihn im schriftlichen Verfahren gemäß § 87a Abs. 2 und 3 und § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – einverstanden erklärt haben.

13
1. Die Verpflichtungsklage ist als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO zulässig. Nach dem Inhalt ihrer Schreiben begehrt die Klägerin die Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes – StAG – und in der Folge die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises nach § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG. Die begehrte Entscheidung des Beklagten darüber stellt einen Verwaltungsakt dar, so dass der Klagantrag nach § 88 VwGO demgemäß auszulegen ist. Der Klage steht auch die fehlende Bescheidung durch den Beklagten gemäß § 68 Abs. 1 VwGO nicht im Wege. Denn der Beklagte hat ohne zureichenden Grund in angemessener Frist länger als drei Monate sachlich nicht über den Antrag der Klägerin entschieden, so dass die Klage hier gemäß § 75 VwGO abweichend von § 68 VwGO zulässig ist. Zwar teilte der Beklagte dem Ehemann der Klägerin unter dem 20. September 2016 mit, das die Klägerin betreffende Verfahren einstellen zu wollen, weil diese ins Ausland verzogen sei und demgemäß keine zuständige Staatsangehörigkeitsbehörde bestimmt werden könne. Eine entsprechende Mitteilung an die Klägerin erfolgte jedoch nicht. Auch mag die Frage der Zuständigkeit für den Beklagten noch unklar gewesen sein, gleichwohl hätte er dann – da weitere Mitwirkungshandlungen der Klägerin nicht mehr zu erwarten waren – demgemäß den Antrag abweisend bescheiden können.

14
Der Klage fehlt es auch nicht an dem für jede Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzinteresse. Dass es dem an den Beklagten gerichteten Antrag der Klägerin auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises an dem erforderlichen Sachbescheidungsinteresse fehlt (s. dazu sogleich unter 2.), führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage, sondern zu deren Unbegründetheit. Denn das Sachbescheidungsinteresse des Antragstellers an der beantragten behördlichen Entscheidung stellt eine materiellrechtliche Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch und keine Sachurteilsvoraussetzung dar. Das Interesse an einer gerichtlichen Entscheidung ergibt sich gerade aus dem Streit über das Sachbescheidungsinteresse (s. dazu BVerwG, Beschluss vom 30. Juni 2004 – BVerwG 7 B 92.03 – juris Rdn. 25).

15
2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG auf die beantragte Feststellung ihrer deutschen Staatsangehörigkeit und dementsprechend auch keinen Anspruch nach § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).

16
Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 StAG wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit auf Antrag von der Staatsangehörigkeitsbehörde festgestellt. Wird das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit festgestellt, stellt die Staatsangehörigkeitsbehörde nach § 30 Abs. 3 Satz 1 StAG einen Staatsangehörigkeitsausweises aus. Zwar setzen diese Vorschriften ihrem Wortlaut kein besonderes Feststellungsinteresse voraus (s. dazu eingehend VG Potsdam, Urteil vom 14. März 2016 – VG 8 K 4832/15 – juris Rdn. 15). Allerdings ist anerkannt, dass vergleichbar mit dem im Verwaltungsprozess erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis als Ausdruck eines allgemeinen ungeschriebenen Rechtsgrundsatzes auch im Verwaltungsverfahren vor Behörden ein Antrag nur zulässig ist, wenn der Antragsteller ein schutzwürdiges Sachbescheidungsinteresse an der von ihm beantragten Amtshandlung hat. Durch diesen Grundsatz soll ausgeschlossen werden, dass die Verwaltung nicht für ersichtlich nutzlose oder unlautere Zwecke missbräuchlich in Anspruch genommen werden kann. Bei dem Fehlen eines schutzwürdigen Interesses ist die zur Entscheidung berufene Behörde zwar nicht verpflichtet, wohl aber berechtigt, die beantragte Amtshandlung allein aus diesem Grunde auch dann zu verweigern, wenn „an sich“ ein Anspruch besteht (VG Potsdam, Urteil vom 14. März 2016 – VG 8 K 4832/15 – juris Rdn. 16 m.w.N.).

17
Vorliegend besteht ersichtlich kein schutzwürdiges Interesse an der beantragten Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit und der Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Die Klägerin ist im Jahre 1978 als Tochter der deutschen Staatsangehörigen E... auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und des Bundeslandes Bayern geboren worden und hat gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung vom 20. Dezember 1974 die Staatsangehörigkeit von ihrer Mutter erworben. Weshalb gleichwohl die deutsche Staatsangehörigkeit zweifelhaft und klärungsbedürftig sein könnte, ist nicht ansatzweise ersichtlich. Insbesondere wird die deutsche Staatsangehörigkeit weder von dem Beklagten noch von anderen Behörden in Frage gestellt. Die Klägerin ist im Besitz eines deutschen Personalausweises. Dass die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte, wie beispielsweise die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen, auch nur fraglich sein könnte, ist nicht bekannt. Für einen Verlust der Staatsangehörigkeit spricht nichts. Warum zum Nachweis der deutschen Staatsangehörigkeit gerade ein Staatsangehörigkeitsausweis erforderlich oder auch nur nützlich sein könnte, ist von der Klägerin nicht substantiiert dargelegt worden. Der pauschale Verweis auf „erhebliche Nachteile im ausländischen Rechtsverkehr“ genügt nicht, zumal nicht nachvollziehbar ist, welche Nachteile im ausländischen Rechtsverkehr ohne den begehrten Staatsangehörigkeitsausweis entstehen könnten. Dass die begehrte Entscheidung nach § 33 Abs. 3 StAG dem Bundesverwaltungsamt zur Eintragung im Register der EStA (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StAG) mitzuteilen wäre, ist unerheblich, da sich auch daraus keinerlei rechtlichen Vorteile für die Klägerin ergeben würden. Aufgabe des Entscheidungsregisters ist lediglich die Sammlung aller relevanter Entscheidungen zu Erwerb, Bestand und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit und nicht die möglichst vollständige Erfassung aller deutschen Staatsangehörigen. Dass das Fehlen einer Eintragung zur Person der Klägerin auch nur als Indiz für das Nichtbestehen der deutschen Staatsangehörigkeit gedeutet werden könnte, ist auszuschließen. Die Missbräuchlichkeit des Begehrens ergibt sich zweifelsfrei und ohne jeden weiteren Prüfungsbedarf schon aus den von der Klägerin bei ihrer Antragstellung selber gemachten Angaben insbesondere zur Belegenheit der aufgeführten Orte im Königreich Preußen und im Königreich Bayern, sowie der angegebenen weiteren Staatsangehörigkeit des Königreichs Bayern und der begehrten Anwendung des RuStAG in der Fassung von 1913. Die Einschätzung des Beklagten, dass die Klägerin aufgrund dieser Angaben einem bestimmten Personenkreis, dem es vorrangig darum geht, die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Legitimität in Frage zu stellen, zuzurechnen sein dürfte, ist nicht zu beanstanden. Welche politischen und ideologischen Ziele mit dem Antrag im Einzelnen verfolgt werden sollen, ist nicht weiter aufklärungsbedürftig (zum Ganzen VG Potsdam, Urteil vom 14. März 2016 – VG 8 K 4832/15 – juris; VG Magdeburg, Urteil vom 9. September 2016 – 1 A 88/16 – juris Rdn. 19 ff.; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 11. Januar 2017 – 9 A 227/16 – juris; VG Lüneburg, Urteil vom 5. April 2017 – 6 A 525/16 – juris).

18
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

19
BESCHLUSS

20
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

[close]

oder dieser link:
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« Letzte Änderung: 1. Juli 2017, 17:39:02 von Schnabelgroß »
"Der Kaufhausdieb ruft immer: Haltet den Kaufhausdieb!" Kaufhausdieb Rüdiger
 

Offline Aloysius

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Re: VG Lüneburg scheint getrunken zu haben...
« Antwort #9 am: 15. August 2017, 08:09:19 »
Im Norden Deutschlands scheint das Problem nicht so groß zu sein...

Zitat
ABSTRUSE ANTRÄGE
Stormarner Reichsbürger nerven die Behörden
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Von Dorothea Benedikt

Auch in Stormarn leben selbsternannte Reichsbürger. Wie gefährlich sind diese Menschen? Das Abendblatt hat bei Behörden nachgefasst.
Bad Oldesloe.  Seit Jahren führen sie ein unauffälliges Leben, fallen im Alltag mit ihrer abstrusen Ideologie kaum auf. Doch seit dem Mord an einem Polizisten in Bayern rücken die selbsternannten Reichsbürger in den Fokus der Gesellschaft. Wie gefährlich sind diese Menschen, die weder Verfassung und Gesetze noch die Bundesrepublik anerkennen? Gibt es Menschen solcher Gesinnung auch in Städten und Gemeinden Stormarns? Das Abendblatt hat bei Behörden nachgefasst.

"Politisch motivierte Gewaltstraftaten von Reichsbürgern sind dem Verfassungsschutz nicht bekannt", sagt Jana Ohlhoff, Sprecherin des Landesinnenministeriums. Seit 2014 beobachten Verfassungsschützer die Reichsbürger, rund 40 sind der Behörde landesweit bekannt. Auch in Stormarn sind Reichsbürger im Visier der Verfassungsschützer. Wie viele beobachtet werden, will das Ministerium nicht sagen, spricht von einer einstelligen Zahl.

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https://www.abendblatt.de/region/stormarn/article208509693/Stormarner-Reichsbuerger-nerven-die-Behoerden.html