Gewissermassen redundant, aber evtl. mit zusätzlichem Aspekt:
"Obsolet" in völkerrechtlichen Verträgen - Beispiel ÖsterreichZum einen ist es keine
Rechtsauffassung von Staatsrechtlern, sondern
Rechtslage, dass
the "enemy State" clauses in Articles 53, 77 and 107 of the Charter of the United Nations have become obsolete
http://www.un.org/documents/ga/res/50/ares50-52.htmDenn das wurde von der Vollversammlung so verabschiedet.
Eine Streichung dieser obsoleten Artikel würde sicher stattfinden, wenn die seit langem geplante Revision der Charta auf die Tagesordnung käme; die Auseinandersetzung um die Zusammensetzung des Sicherheitsrats ist in der Hinsicht vielleicht am bekanntesten. Wegen den Artikeln wird man sich die notwendigen Mühen nicht machen, und für ein ganzes Änderungspaket die notwendige Mehrheit zu bekommen ist. Wenn es denn geschieht, Folge eines politischen Prozesses, keines juristischen.
Das heisst: Mehrheiten, Kompromisse, do et des.
So eine Paketlösung ist nicht in Sicht. Ohne Revision des Sicherheitsraten wäre der Aufwand unverhältnismässig, eine Einigung in dieser Frage aber ist nicht ersichtlich.
So.
Nun ist das natürlich als Argument fürs debunken unhandlich.
Was man machen kann, ist:
- einen Obsoletserklärung, die keinen Spielraum lässt, zeigen.
- Nun hingehen, und zeigen, was das Wort "obsolet" im völkerrechtlichen Kontext bedeutet. An Hand dieses Beispiels, das keinen Spielraum lässt. Daran kann man auch den Sinn eines solchen Vorgehens zeigen.
Ein direkter Nachweis, nicht nur einer über die Umstände.
Ich finde ein gutes Beispiel dafür den
"Österreichischen Staatsvertrag", durch den Österreich mittels Vertrag mit den Vier Mächten "wieder souverän" wurde.
Denn in diesem Vertrag von 1955 sind einige Vorschriften, die "obsolet" wurden.
Gerade auch als Folge der dt. Wiedervereinigung.
Ich zitiere das hier mal ausführlicher, dann stehts da. Hervorhebungen von mir.
1. Mitteilung der österreichischen Bundesregierung betreffend einige Bestimmungen des Staatsvertrages vom 15. Mai 1955 von Wien (BGBl. 1955/152) an die vier Signatarstaaten des Staatsvertrags samt Erläuterung, Wien,
am 6. November 1990: *
Mitteilung an die vier Signatarstaaten des Staatsvertrags
1. Der Staatsvertrag von Wien vom 15. Mai 1955 ist für Österreich von großer Bedeutung; er bildet eine Grundlage für die Stellung Österreichs als freier und unabhängiger Staat und gleichberechtigtes Mitglied der internationalen Gemeinschaft.
Der Staatsvertrag war darüber hinaus ein Meilenstein auf dem Weg zur Errichtung einer neuen europäischen Friedensordnung nach dem Ende des 2. Weltkriegs, dem 35 Jahre später die Unterzeichnung des Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland; am 12. September 1990 folgte.
Als gleichberechtigter Partner der europäischen Friedensordnung begrüßt Österreich
den Abschluß dieses Vertrags.
2. Der Staatsvertrag vom 15. Mai 1955 enthält in seinem Teil 11 Militärische und Luftfahrt-Bestimmungen; (Artikel 12-16), Regelungen, die Bestimmungen der Friedensverträge von 1947 mit Italien, Rumänien, Bulgarien, Ungarn und Finnland nachgebildet sind. Derartige Regelungen werden von allen diesen Staaten, und zwar größtenteils schon seit langem, als obsolet betrachtet.
3. Seit dem. Abschluß des Staatsvertrags sind grundlegende Veränderungen in Europa eingetreten, die sich in der Anwendungspraxis bezüglich einzelner der angeführten Bestimmungen sowie in der im Abschluß des zitierten Vertrags vom 12. September 1990 zum Ausdruck kommenden geänderten Rechtsüberzeugung
auch der Signatarstaaten manifestieren. Österreich ist daher der Auffassung, daß die Artikel 12-16 des Staatsvertrags obsolet sind. Dies gilt ebenfalls für die von einer analogen Zielsetzung wie die erwähnten Bestimmungen getragene Regelung des Artikels 22 Z. 13 dieses Vertrags.
(...)
Erläutert wird dies ua. so
Im Abschluß des Vertrags über die abschließende Regelung in bezug auf Deutschland vom 12. September 1990, des sogenannten 2+4-Vertrags, durch die Signatarstaaten des Staatsvertrags ist somit
der Ausdruck eines Rechtsverständnisses auch im Hinblick auf diesen zu erblicken, wonach die Verpflichtungen Österreichs insbesondere im Zusammenhang mit der Verhinderung der deutschen Wiederaufrüstung hinfällig geworden sind.
Daraus folgt, daß die Signatarstaaten die Erfüllung der Österreich mit den genannten Bestimmungen auferlegten Verpflichtungen nicht mehr einfordern können.
Da diese Haltung auch der diesbezüglichen österreichischen Auffassung entspricht, liegt eine Übereinstimmung in der Rechtsüberzeugung vor, die bewirkt, daß die angeführten Bestimmungen des Staatsvertrags nicht länger gelten, weil sie obsolet sind.
Was passiert hier?
Die österreichische Regierung äussert ihre Auffassung, dass diese Artikel obsolet sind, konkretisiert den Begriff mit "nicht mehr einfordern
können", "nicht länger
gelten".
Was sagen dazu die anderen Vertragspartner?
Sowjetunion:
...erklärt die Sowjetische
Regierung, daß sie keine Einwände gegen Auslegung der oben erwähnten Artikel
des Staatsvertrages als obsolet hat.
Frankreich:
...le Gouvernement de la R6publique franqaise donne son consentement la
communication autrichienne.
USA
The United States concurs with the Austrian Government view that Articles
12 -16 and Article 22, No. 13, of the 1955 State Treatyhave become obsolete.
Grossbritannien hat nicht widersprochen, und das reicht in diesem Rechtsbereich aus.
http://www.zaoerv.de/51_1991/51_1991_2_s_494_528.pdfS. 520ff. (S. 27ff. im PDF)
Das ganze Dokument versammelt einige vereinigungsbedingte völkerrechtlichen Vorgänge , brauchbares Ding.
Die betreffenden Artikel kann man sich hier anschauen:
http://www.ris.bka.gv.at/Dokumente/BgblPdf/1955_152_0/1955_152_0.pdfDann sieht man eindeutig, dass "obsolet" auch tatsächlich obsolet meint - die Artikel werden
ganz offensichtlich nicht mehr angewendet.
Das ist keine Interpretation, das ist nicht Wischi-Waschi oder absichtlich unscharf oä.
Das ist rechtssicher.Und wenn ich es jetzt super einfach machen will, also einem fencesitter gegenüber argumentiere, damit der schnell begreift wo hier der Haken ist, eine simple Konkretisierung
Zu den obsoleten Artikel gehört ua. Art. 14 Nr 4:
"Österreich soll kein Kriegsmaterial deutscher Erzeugung oder deutschen Ursprungs oder Entwurfes öffentlich oder privat oder durch irgendwelche andere Mittel erwerben oder besitzen, mit der Ausnahme, daß die österreichische Regierung zur Aufstellung der österreichischen Streitkräfte beschränkte Mengen von Kriegsmaterial deutscher Erzeugung, deutschen Ursprunges oder Entwurfes, das nach dem Zweiten Weltkrieg in Österreich verblieben ist, verwenden kann."
Kriegsmaterial deutschen Ursprunges ist Östereich untersagt. Steht heute noch so im Staatsvertrag.
Dazu dieses:
http://www.bundesheer.at/organisation/gattung/panzer.shtmlDaraus:
Das wichtigste Waffensystem der österreichischen Panzertruppe ist der Kampfpanzer "Leopard 2A4".
(Bild von der offiziellen Seite des österr. Bundesheeres, da gibts noch mehr davon)
Angeschafft wurden die in den 90ern. Nicht in den 70ern oder 80ern.
Denn da war der entsprechenden Passus im Staatsvertrag (der heute immer noch drinsteht) noch nicht "obsolet".
Neben der wortreichen argumentativen Unterfütterung, für die ich micht entschuldigen würde sähe ich sie nicht als fürs Verständnis hilfreich an, hat man hier also
ein einfaches, sichtbares und (theoretisch...) unmissverständliches Argument für die Bedeutung des Wortes "obsolet" im völkerrechtl. Zusammenhang. Mit eindeutigen Texten, eindeutigem Schriftverkehr in den Dokumenten und sogar Bildchen. Von Panzern.
Das muss dem ein oder anderen in der Zielgruppe doch gefallen...
Kann man natürlich alles kürzer machen.
Ich kann es nicht.
Ich kann auch nicht garantieren, dass das jeder rafft oder jeder, der es rafft auch akzeptiert.
Aber das Missverständnis erschweren, das kann man.
Drum nochmal deutlich:
Die genannten Artikel stehen noch im Staatsvertrag.
So wie die Feindstaatenklausel in der Charta.
Beide stehen in den Vertragswerken, aber die Vertragsparteien haben sich geeinigt, dass sie nicht mehr gelten, keine entsprechenden Recht begründen, nicht durchsetzbar sind.
Es ist
eine elegante Lösung, Bestimmungen aus diesen Abkommen heraus zu lösen, ohne das ganze Abkommen neu zu fassen. Denn dann müsste es neu verabschiedet werden. Von allen Vertragsparteien.
Sieht man mal von der rein praktischen Seite ab - es wäre mit dem österreichischen Selbstverständnis und seiner Souveränität kaum vereinbar, wenn 45 Jahre nach Abschluss des Staatsvertrages
die Alliierten und Österreich die innere Verfasstheit Österreichs bestimmen. Völlig absurde Idee.
So wie es 1990 für das dt. Selbstverständnis ausgeschlossen war, die Alliierten über die sog. "inneren Aspekte" der Wiedervereinigung (zB. verfassungsrechtl. Weg) mitbestimmen zu lassen.
(Die Implikationen, die das alles auch für den Aspekte "Völkerrechtssubjekt Deutschland" und den Unterschied zwischen der Bundesrepublik vor und nach 1990 aufzeigen bzw. entsprechende reichsbürgerliche Missverständnisse, übergeh ich jetzt mal. Sind nicht Thema. Kann man ja sehen.)
Ist das zu kompliziert?
Zuviel zu lesen?
Das mag sein. Is halt so.
Denn es geht nicht nur darum, nen Reichsbürger zu überzeugen. Sondern auch den Mitlesern
zumindest das Niveau der Debatte, des Gegenstandes nachvollziehen zu lassen. Man kann manches eben nicht übersimplifizieren ohne das Wesentliches wegfällt.
Das gilt ja für jede Wissenschaft. Ab einem gewissen Level wird es kompromisslos, braucht Arbeit um es nachzuvollziehen.
Das gilt auch für Automechaniker, Zahntechniker oder Elektriker.
Wenn man dieses Beispiel aber nachvollzieht, erkennt man was der Begriff "obsolet" in völkerrechtlichen Verträgen bedeutet. Unzweifelhaft.
Die Österreicher verstossen rein wörtlich gesehen gegen Artikel, die im Staatsvertrag stehen.
Es ist aber kein Verstoss auf der rechtl. Ebene, weil diese Artikel "obsolet" und damit hinfällig sind.Und drum steht die Feindstaatenklausel zwar noch in der Charta.
Sie begründet aber, weil sie ausdrücklich für "obsolet" erklärt wurde, keinerlei durchsetzbaren Rechte mehr.
Eine elegante, kluge und wirksame Methode
völkerrechtl. Verträge an geänderte Umstände anzupassen, ohne das ganze Vertragswerk aufzudröseln. Was im Einzelfalle dipl. gesehen eine unverhältnismässigen Aufwand oder sogar eine absolute Zumutung darstellen kann bzw. mit der Auffassung eig. Souveränität unvereinbar.
(Nebenbei, falls das nicht mehr so bekannt ist:
Es gab Ende der 60er - also vor der Obsolet-Erklärung - übrigens eine Diskussion, weil nach der Intervention der Sowjets in die damalige Tschecheslowakei die Idee rumschwirrte die Sowjets könnten theoret. eine ihnen genehme Situation ausnutzen, um begründet durch die Feindstaatenklausel nach West-Deutschland einzumarschieren. Man kam, wenn ich mich richtig erinnere - ich wühl mich da jetzt nicht durch die Dokumente - damals schon zum Ergebenis, dass die Feindstaatklausel praktisch obsolet ist. Schon wg. Art. 5 NATO-Vertrag, der in einem solchen Falle die Westmächte zur milit. Verteidigung der Bundesrepublik verpflichtet - mit der absurden Folge, dass ein Teil der Alliierten dem "Feindstaat" milit. gegen Eingriffe des anderen beistehen, auch wenn dieser sich auf die "Feindstaaten"-Klausel beruft... Wohlgemerkt heisst das im Klima dieser Zeit: Bis zur totalen Vernichtung, sowohl des Gegners wie sich selbst. Paradox.)Eine elegante, kluge und wirksame Methode völkerrechtl. Verträge an geänderte Umstände anzupassen, ohne das ganze Vertragswerk aufzudröseln. Was im Einzelfalle dipl. gesehen eine unverhältnismässigen Aufwand oder sogar eine absolute Zumutung darstellen kann bzw. mit der Auffassung eig. Souveränität unvereinbar.
Ich bin zwar Laie (für die Experten ist sicher das ein oder andere unscharf).
Aber selbst ich begreife das Prinzip. Es ist also nicht sonderlich kompliziert.