Im Landkreis Hildburghausen lebte einst ein Busfahrer namens K. Wahrscheinlich lebt er dort immer noch, vielleicht ist er auch immer noch Busfahrer. Zumindest eine ganze Weile dürfte er aber keiner gewesen sein. Ohne Fahrerlaubnis ist es nämlich eher schwierig, diesen Beruf auszuüben. Wie aber kam es dazu, dass Herr K plötzlich keine mehr hatte?
Es begann damit, dass Herr K, wie es hin und wieder vorkommt, die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 9 km/h überschritt und, wie es ebenfalls hin und wieder vorkommt, dabei erwischt wurde. Dabei stellte sich auch noch heraus, dass Herr K nicht angeschnallt war. Aber natürlich verlor er deswegen nicht gleich seine Fahrerlaubnis. Nein, er bekam nur einen Bußgeldbescheid über 50 Euro. Keine große Sache eigentlich. Aber Herr K war mit dem Bußgeld nicht einverstanden, erhob Einspruch und stand deshalb bald vor dem Amtsgericht Hildburghausen. Dort erklärte er nun ungefähr folgendes:
Ich berufe mich auf ein Urteil des BVerfG. Das OWiG ist aufgehoben. Ich habe nicht die Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik. Ich habe die Staatsangehörigkeit der DDR. Ich habe das Recht der Selbstverwaltung nach Art. 9 einer UN-Resolution. Ich beantrage die Erörterung der Rechtslage, wie schriftlich angekündigt. Ich möchte einen Nachweis, dass der Richter tatsächlich ein Richter ist. Dieser Anspruch ergibt sich aus Art. 101 GG. Ich beantrage die Übersendung des Verhandlungsprotokolls. Zum Vorwurf an sich möchte ich nichts sagen. Meine Rechtsansichten beruhen auf einer Internet-Recherche. Ich habe mit Bekannten, die ich aber namentlich nicht nennen möchte, über meine Ansichten gesprochen. Ich meine das alles ernst. Ich habe ähnliches auch vor einer anderen Behörde vorgetragen. Genaueres möchte ich nicht sagen.
Damit stürzte er den Amtsrichter in Zweifel. Nicht etwa daran, dass er tatsächlich ein Richter sei, auch nicht an der Geltung des OWiG. Nein, der Amtsrichter zweifelte vielmehr an der Zurechnungsfähigkeit des Herrn K. Das hatte zunächst einmal eine angenehme Folge für Herrn K: Der Richter stellte das OWi-Verfahren ein. Es hatte aber auch eine unangenehme Folge, nämlich die, dass der Richter seine Zweifel auch der Führerscheinstelle im Landratsamt mitteilte.
Als Herr K nun einige Zeit später die Verlängerung seiner Fahrerlaubnis beantragte, erhielt er nicht diese, sondern die Aufforderung ein ärztliches Gutachten über seine Fahreignung beizubringen. Da Herr K das nicht tat, verlängerte das Landratsamt seine Fahrerlaubnis nicht, sondern forderte ihn unter Anordnung des Sofortvollzugs auf, seinen Führerschein unverzüglich abzugeben. Herr K legte Widerspruch ein und behielt seinen Lappen. Das Landratsamt setzte zunächst ein Zwangsgeld fest und ließ den Schein schließlich mit Hilfe von Amtsgericht und Polizei sicherstellen. Herr K zog vors Verwaltungsgericht, beantragte die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (mit welcher Begründung, wissen wir leider nicht), hatte damit aber keinen Erfolg. Auch die Beschwerde beim OVG half ihm nicht.
Kurz darauf wies das Landesverwaltungsamt den Widerspruch des Herrn K zurück, der daraufhin abermals vors Verwaltungsgericht zog. Dort ruderte er, was seine Rechtsauffassungen angeht, gewaltig zurück und erklärte "dass
seine Äußerungen in der gerichtlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Hildburghausen sowie in einer Vielzahl von Schriftstücken nicht seiner eigenen Auffassung und Rechtsüberzeugung entsprächen; diese Äußerungen vielmehr aus der Feder dubioser Freunde stammten, die ihm vorgespiegelt hätten, mit Hilfe der gegenständlichen Verteidigungsstrategie eine Einstellung des Verfahrens herbeiführen zu können". Nun ja, damit hatten die "Freunde" ja auch durchaus recht, denn das OWi-Verfahren war ja eingestellt worden. Nur über die Risiken und Nebenwirkungen hatten sie ihn wohl nicht aufgeklärt.
Genützt hat ihm das allerdings vor dem VG Meiningen (Urteil vom 08.11.2011 - 2 K 297/11) nichts. "Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung zur Beibringung eines Gutachtens ist der Zeitpunkt, in dem der Beklagte Kenntnis von den tatsächlichen Anhaltspunkten hat, die die Kraftfahreignung in Zweifel ziehen. Dieser Zeitpunkt lag vor, als der Amtsrichter die (Straf-) Akte an die Führerscheinstelle des Beklagten zu Überprüfung der Fahreignung des Klägers schickte." Und zu diesem Zeitpunkt konnte die Führerscheinstelle jedenfalls Zweifel an der Fahreignung haben. Das Gericht wies noch darauf hin, dass er die Fahrerlaubnisbehörde möglicherweise noch vor ihrer Entscheidung (wohl: auch anders als durch Vorlage eines Gutachtens) hätte überzeugen können, dass es darauf aber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mehr ankäme.
http://www.thovg.thueringen.de/OVGThueringen/rechtsp.nsf/6c24af328dcfcb8cc1256ab9002dd3c7/e1639c361e877bcfc125798000499269/$FILE/11-2K-00297-U-A.pdf