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Geständnis bringt Bewährungsstrafe
So, 22. November 2020 um 13:22 Uhr
BZ-Plus| Knapp neun Jahre musste ein 51-Jähriger aus dem Hochschwarzwald mit der Ungewissheit leben, ob er wegen Steuerhinterziehung mit einem Schaden von rund 329 000 Euro zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden würde.
Falsche Berater können einen Landwirt ins Gefängnis bringen. Knapp neun Jahre musste ein 51-Jähriger aus dem Hochschwarzwald mit der Ungewissheit leben, ob er wegen Steuerhinterziehung in 46 Fällen und zwei Versuchen mit einem Schaden von rund 329 000 Euro zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden würde. Am Donnerstag legte er im Amtsgericht Freiburg ein Geständnis ab. Der Lohn: Eine Gesamtfreiheitsstrafe, in die eine Vorstrafe von 2014 einbezogen worden ist, von insgesamt zwei Jahren mit Bewährung.
Unbeschreiblicher Baulärm aus drei Richtungen inner- und außerhalb des Gerichtsgebäudes machte die Verhandlung für alle Beteiligten sehr anstrengend. Zeitweise mussten die Verlesung der Anklageschrift und Aussagen von Zeugen unterbrochen werden, weil es die Lautsprecheranlage nicht mehr schaffte, das gesprochene Wort gegen den Lärm verständlich zu übertragen. Wegen der Coronagefahr trugen alle Prozessbeteiligten und Zuschauer Mundnasenschutz.
Entschuldigung an den Richter
Seit drei Jahren wird der 51-Jährige von Detlef Schmedding verteidigt, der als Fachanwalt für Strafrecht und als Spezialist für Steuerstrafrecht bekannt ist. Ein Mann der große Ruhe und Fachkenntnis ausstrahlt. Ihm ist es in den vergangenen Jahren gelungen, seinen Mandanten davon zu überzeugen, dass selbsternannte Rechts- und Geschäftsberater aus dem Umfeld der Reichsbürgerbewegung nicht zu seinem Vorteil gehandelt haben. Das wurde deutlich, als sich der Landwirt nach Verlesung der Anklage mit der Bitte um Verzeihung an den Vorsitzenden Richter Lars Petersen wandte. Bis heute schäme er sich für sein Verhalten im Jahr 2014, als er, von den falschen Leuten beraten, wegen Steuerhinterziehung just vor Richter Petersen gestanden habe.
Seine damaligen Berater, darunter auch ein ehemaliger Rechtsanwalt, hatten mit teils wirren Anträgen versucht, den damaligen Prozess zum Platzen zu bringen. Sie stellten Anträge wegen Besorgnis der Befangenheit gegen die Richter, oft mit der Begründung, dass es die Bundesrepublik Deutschland nicht gäbe und deshalb alle Behörden und Gerichte nicht legitimiert seien. Sogenannte Reichsbürger meinen, dass dass Deutsche Reich noch fortbestehe. Sie hatten damit zwar keinen Erfolg, verzögerten aber die damaligen Verfahren.
In Erinnerung und in der Badischen Zeitung beschrieben ist jener Vorfall, als sich der Landwirt im Gericht zu Boden sinken ließ und mittels Notarzt in die Klinik gebracht werden musste. Es war eine schauspielerische Glanzleistung des Mannes, dem es neben seinem Hauptberuf seit Jahren sehr erfolgreich gelingt, Nahrungsergänzungsmittel und Schönheitsprodukte über ein selbstgegründetes Vertriebssystem zu vermarkten. Das bringt ihm monatlich bis zu fünfstellige Provisionen ein.
Weniger geschickt stellte er sich in Steuerfragen an. Seine ehemaligen Berater dürften an ihm gut verdient haben und er folgte den Vorschlägen dieser Leute. Er gründete Firmen in der Schweiz und gab sich als deren Gesellschafter aus. Mit diesem Trick sollte das Versteuern der Provisionen in Deutschland vermieden worden. Die Steuerfahnder konnten ihm nachweisen, dass er seiner Tätigkeit als Geschäftsführer dieser Briefkastenfirmen von seinem Hof im Hochschwarzwald nachging. Mit der Folge, dass Umsätze und Einnahmen beim Finanzamt Freiburg Land und Konstanz zu versteuern gewesen wären. 2011 und 2012 hatte er gar keine Steuererklärungen eingereicht. So wurden seinen Einnahmen am Ende von den Finanzämtern geschätzt. Danach ergingen Steuerbescheide und Versäumniszuschläge. Allein letztere liegen derzeit in einem hohen sechsstelligen Bereich.
Besonnen verteidigt und sich mit Hilfe seines neuen Anwalts aus den Fängen der ehemaligen Berater befreit, hat der 51-Jährige zwischenzeitlich den ihm in der Anklage vorgeworfenen Schaden vollständig ersetzt. Dass er darüber hinaus noch Steuerschulden hat, die er monatlich abträgt und über die derzeit hart mit dem Finanzamt verhandelt wird, um einen Vergleich zu erreichen, hatte mit dem Strafverfahren nichts zu tun.
Dank einer im Prozess geschlossenen Vereinbarung der Prozessbeteiligten konnte das Verfahren am Donnerstag mit dem Geständnis und nach Anhörung von zwei Zeugen beendet werden. Die Bewährungszeit für den 51-Jährigen beträgt das Maximum von fünf Jahren.
Der Vorsitzende Richter gab dem frisch Verurteilten noch den Ratschlag mit auf den Weg, dass es meist ein Fehler sei, wenn man sich schlauer vorkomme als die Finanzverwaltung. Da das Urteil auf einer Vereinbarung beruht, darf es erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist von einer Woche rechtskräftig werden.