Autor Thema: Die Erweckung des Peter Fitzek  (Gelesen 2950 mal)

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Offline BlueOcean

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Die Erweckung des Peter Fitzek
« am: 6. Dezember 2014, 13:39:08 »
Über die neulich gestellte Frage was wohl der entscheidende Punkt war, der Fitzek zu dem gemacht hat, was er heute ist, habe ich länger nachgedacht und denke, dass es ein aus verschiedenen Quellen gespeister, zuerst länger gärender und sich dann rapide verstärkender Prozess gewesen sein muss.

Der Drang zur Selbstdarstellung und sein Faible für Verschwörungstheorien und Gesundheitsthemen haben Fitzek von Anbeginn geprägt. Schon in den 90ern soll er versucht haben, über die damals neuen Weisheiten des unsäglichen Jan Udo Holey, die "Protokolle von Zion" und ähnlich krudes Material "aufklären".
Und nach seinen früheren geschäftlichen Misserfolgen scheint Fitzek dann über Jahre hinweg mit seiner Esoterikbude halbwegs über die Runden gekommen zu sein. In der Zeit ist er an etlichen Stellen auf- und wieder abgetaucht und hat mehrfach versucht, sich bei anderen Projekten einzubringen. Ohne ernsthaft sichtbare Erfolge aber vermutlich mit einigen Kränkungen, wie man seinen nachträglich sehr negativen (und auffällig kurzen!) Darstellungen dieser Episoden entnehmen kann.
Trotzdem hat er in der Zeit gelernt wie man Projekte darstellt und wie Menschen auf solche Ideen reagieren; er hat Wünsche und Sehnsüchte aber auch Irrationalitäten erkannt. Und währenddessen hat er aus wahllos herausgefischten Büchern seines Esoterik-Ladens sich stückweise sein ideologisches Rüstzeug geschmiedet, ein Potpourri von schräg zusammen gedrechselten Theorien, die meist auf Wirkung abzielen, darauf andere zu überraschen, zu verblüffen und zu beeindrucken.
Bestimmt haben ihn ein Dr. Rath sowie andere mit ihren Erfolgen so imponiert, dass er bewusst oder unbewusst Techniken und Maschen von ihnen zu imitieren begonnen hat. Wie er auch aus allen möglichen anderen Bereichen solche Elemente in sich aufgesogen hat. Zu den Zeiten hat er auch seine ersten, eher noch recht unbeholfenen "Aufklärungsversuche" in Sachen Gesundheit gemacht. Am Engelswelten-Laden wurde das Schild vom Licht-Therapie-Zentrum aufgehängt und die ersten Stuhlkreise wurden geprobt.

Wobei sich Fitzek selbst nie einem der erfolgreichen Menschenfänger wie Dr. Rath unterstellt hat. Aber in der Umgebung solcher Personen hat er beobachtet und gelernt, wie man selbst ein Menschenfänger werden könnte. Und zu irgendeinem Zeitpunkt hat er das, vermutlich ohne konkrete Planung, sondern sich Stück um Stück von selbst verfestigend in die Praxis umgesetzt.
Aus besseren Bekannten wurden ein paar lose Anhänger, die sich zu Beginn nur langsam vermehrten aber zu seinem Staunen und seiner Freude immer fester an seinen Lippen hangen. Er übte sich darin ihre vagen Träume in schöne Worte zu fassen, die sie selbst nicht gefunden hätten. Er lernte und verbesserte sein Dozieren sowie das geschickte Ausnutzen der Gruppendynamik. Er feilte an Strategien mit denen er seine Ideen zu den Träumen von anderen machen konnte. Und er hat sich immer mehr Argumente zurecht gelegt, mit denen er sein Ego und seinen Machtwillen so in Worte fassen konnte, dass seine Ideen stets selbstlos "aus Liebe entspringende" und damit zwangsläufige Notwendigkeiten sind. Und irgendwann hat er sich mit den Getreuen der ersten Stunde der Welt gestellt und damit begonnen seine Phantasien in großer Runde zu vertreten. Seine ersten Seminare. Sicher ein Wagnis. Vielleicht zuerst auch noch ein Lernprozess. Aber letztlich der durchschlagende Erfolg!
Wenn man einen Punkt finden will, der Fitzek hat abheben lassen, vermute ich ihn in genau diesem Moment. Als plötzlich Räume mit zuvor nie gesehenen Menschen gefüllt waren, die ihn mit Applaus überschüttet haben und als auf einmal die Portemonnaies und Scheckbücher gezückt wurden, damit er seine Träume verwirklichen konnte. Für den zuvor so lange glücklosen Fitzek müssen das überwältigende und im Wortsinn berauschende Erfolge gewesen sein. (Durchaus vergleichbar mit dem Obdachlosen aus Wien, der durch seine Reden in bayrischen Bierkellern auch berauschend schnell zu einer - letztlich verheerenden - Größe der deutschen Geschichte wurde.)

Ihm flogen die Anhänger und die Gelder zu. Seine Kooperationskasse hat in kurzer Zeit weit mehr Geld eingesammelt, als der Peter Fitzek früherer Tage je besessen hatte. Damit begann zugleich sein Höhenflug und sein Absturz. Denn einerseits musste die Show natürlich weiter gehen; aus den Hunderttausenden wurden Millionen. Und die Anhängerschaft vergrößerte sich zu den Zeiten wie von selbst. Fitzek hatte sein Talent, seine Berufung gefunden. Und wer steht nicht alles gern auf der Seite des Erfolgreichen?
Aber andererseits sollte mit all den plötzlich vorhandenen Ressourcen etwas getan werden. Darauf war Fitzek nicht vorbereitet und dazu war er nicht im mindesten kompetent. Dementsprechend blindlings wurde Projekte angegangen und das reichlich vorhandene Geld wurde in rauen Mengen aus dem Fenster geworfen. Fitzek hatte keinerlei Erfahrung in solchen Größenordnungen. Fitzek hat es nie verstanden zu delegieren oder in einem Team zu arbeiten. Aber aus seinen anfänglichen Erfolgen hat Fitzek eine Kompetenz in allen Gebieten abgeleitet, die absurd und auch abschreckend war. So abschreckend, dass alle Fachleute, die sich zuerst von seinen Worten haben überzeugen lassen, mit wehenden Fahnen schnell wieder aus dem Königreich geflohen sind, weil der Oberste Souverän vorgeblich doch immer alles besser wusste und alles besser konnte.
Wenn Fitzek heutzutage laut beklagt was für ein ungebildeter Bodensatz seine Gurkentruppe sei, ist das zwar richtig aber ironisch. Denn es liegt an ihm allein und ist zwangsläufig, weil nur sehr unselbständige Hörige seinen Machtanspruch aushalten, dabei nicht über die stete Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit stolpern und sich trotz aller Widrigkeiten unbeirrt von dem großspurigen Gerede eines begabten aber doch durchschaubaren Blenders beeindrucken lassen.

Fitzek verfügt in sehr vielen Gebieten über Halbwissen und Faktenkenntnisse, die er geschickt darzustellen vermag, um Menschen zu beeindrucken. Er hat eine hohe emotionale Intelligenz im direkten Umgang mit Personen oder Gruppen, die er aber nur einseitig dazu nutzt, um Menschen zu blenden und zu manipulieren. Er ist auch durchtrieben und bauernschlau aber zu wahrer Klugheit mangelt es ihm allein schon an der Fähigkeit zur kritischen Selbstreflektion. Das kompensiert er durch Zurschaustellung eines vorgeblich unbezähmbaren Willens und seiner Furchtlosigkeit. Wer traut sich eine unerlaubte Handlung nach der anderen zu begehen? Wer wagt allein gegen zehn Polizeibeamte ein Handgemenge? Fitzek tut es und obwohl seine Dreistigkeiten so dumm sind, vielleicht sogar deswegen, ist man irgendwo doch von einer derart überzeugten Person beeindruckt.

Vieles mag der Tatsache geschuldet sein, dass Fitzek schon früh zu seinem eigenen Opfer wurde und sich vom Erfolg berauscht immer mehr in die Vorstellung hinein gesteigert hat, tatsächlich der umjubelte famose Schöpfer zu sein, den er auf der Bühne so überzeugend darzustellen vermochte. Dafür spricht sein von jeder Selbstkritik befreiter Anspruch, jedes Problem hervorragend lösen zu können. Dafür spricht die Geschwindigkeit mit der er von überschaubaren Projekten dazu überging, von Sachkenntnis ungetrübt, gleich die Schwierigkeiten eines ganzes Landes lösen zu wollen. Und nicht lange danach nicht weniger als alle Probleme der gesamten Welt. Auch fast zwangsläufig und vielsagend war, dass der alte Peter Fitzek dem neuen, nachgerade unbesiegbaren Imperator Fiduziar weichen musste. Die Kunstfigur wurde sein Alter ego. Er schuf sich selbst, nach eigenem Bild. Und als wohl unvermeidliche Krönung der ungebremsten Selbstverherrlichung kam ihm zuletzt noch die Erkenntnis, dass er eigentlich der den Menschen geschickte Messias sei. Ein kleiner Schritt für einen Gott. Aber deutlich zu große Schuhe für einen gescheiterten Hosenverkäufer.

In einem freundlichen Paralleluniversum sehe ich Fitzek als Inhaber eines kleinen Ladens in dem er despotisch über die Angestellten herrscht und stets betont, dass er alles besser weiß und kann, was aufgrund der Überschaubarkeit der Aufgabe nur zu hinnehmbaren Verlusten führt.
Weniger freundlich wäre das Universum in dem er als hochbegabter und anfänglich sicher sehr erfolgreicher Verkäufer reüssiert, nach einer Weile aber seinen wohl unvermeidlichen Allmachtsphantasien erliegt und durch ungedeckte Eigenmächtigkeiten einen vielleicht sogar sehr großen Schaden mit den entsprechenden Folgen anrichtet.
Ein Universum in dem er auf Dauer jemand ernsthaft neben oder gar über sich akzeptiert, kann ich mir nicht vorstellen. Weswegen die Auswahl der Universen erstaunlich begrenzt ist.
« Letzte Änderung: 6. Dezember 2014, 14:34:37 von BlueOcean »
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Offline physik durch wollen

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Re: Die Erweckung des Peter Fitzek
« Antwort #1 am: 6. Dezember 2014, 13:54:36 »
Gefällt mir, auch wenn ich kein Anhänger von "Ferndiagnosen" bin. INsbesondere den selbstverstärkenden Prozess (aka positive Rückkopplung) kann ich mir gut vorstellen
Angst und Unmöglichkeit sind aus meinem Wortschatz gestrichen
 

Offline Happy Hater

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Re: Die Erweckung des Peter Fitzek
« Antwort #2 am: 6. Dezember 2014, 13:57:58 »
Hört sich durchaus plausibel an.
 

Offline hair mess

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Re: Die Erweckung des Peter Fitzek
« Antwort #3 am: 6. Dezember 2014, 14:22:22 »
Aber gerade als Ferndiagnose toll und es fehlt wohl nur ein Hinweis auf sein psychopathische Grundstruktur, die sich aus seinem narzisstischen Wesen nährt.
Fällt Dir nur Unsinn ein und immer,
erzähle nichts, sonst wird es schlimmer.