Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse.
Der im Jahr 1964 geborene Antragsteller ist seit dem 30. Juli 2019 Inhaber eines „kleinen Waffenscheins“ nach § 10 Abs. 4 Satz 4 WaffG. Am 14. Juni 2021 beantragte er als Sportschütze die Erteilung einer zusätzlichen waffenrechtlichen Erlaubnis. Im Rahmen der behördlichen Überprüfung des Antragstellers bestätigte das Amt für Verfassungsschutz beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales (im Folgenden: AfV) am 25. Juni 2021 das Fehlen von Gründen nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 und 3 WaffG. Daraufhin stellte der Antragsgegner dem Antragsteller unter dem 13. Juli 2021 eine Waffenbesitzkarte (gelb) mit der Nr. ______, eine Waffenbesitzkarte (grün) mit der Nr. _________ sowie am 14. Dezember 2021 aufgrund eines entsprechenden weiteren Antrags einen Europäischen Feuerwaffenpass mit der Nr. _______ aus. Eingetragen in diesen Dokumenten waren zuletzt eine Kurz- und eine Langwaffe.
Mit Schreiben vom 19. September 2022 teilte das AfV dem Antragsgegner mit, dass der Antragsteller Mitglied bei dem als gesichert extremistisch eingestuften Landesverband Thüringen der Partei Alternative für Deutschland (im Folgenden AfD-LVTh) sei. Es lägen daher nunmehr Erkenntnisse vor, die Zweifel hinsichtlich einer waffenrechtlichen Zuverlässigkeit begründeten.
Mit Schreiben vom 18. November 2022 hörte der Antragsgegner den Antragsteller zu einem Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse an. Im Hinblick auf die Einschätzung des AfV und unter Beifügung eines Vermerks des AfV vom 23. Mai 2022 sei der Regelunzuverlässigkeitstatbestand des § 5 Abs. 2 WaffG erfüllt.
Der Antragsteller trug vor, der AfD-LVTh sei keine Vereinigung im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG. Ausweislich der Gesetzesmaterialien fielen darunter nur solche Parteien, bei denen das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsfeindlichkeit festgestellt habe. Der Einschätzung des Verfassungsschutzes komme bei Parteien keine Relevanz zu. Das gelte besonders für das AfV in Thüringen. Aufgrund des vorsätzlich herbeigeführten Ausfalls der parlamentarischen Kontrolle entbehre dieses Amt der demokratischen Legitimation. Speziell auf dessen Bewertung des AfD-LVTh werde gezielt und sachwidrig politisch Einfluss genommen. Die Bewertung des AfV eröffne neue Möglichkeiten der Repression gegen solche AfD-Mitglieder, die Beamte oder legale Waffenbesitzer seien. Das Amt habe seine Veröffentlichungspflicht aus § 5 Abs. 2 und 3 ThürVerfSchG verletzt. Dessen Behauptungen zur Verfassungsfeindlichkeit des AfD-LVTh würden aber auch in der Sache bestritten. Außerdem verstoße das Vorgehen gegen Mitglieder des AfD-LVTh gegen das Gleichbehandlungsgebot, was höchsthilfsweise geltend gemacht werde. Mitglieder linksextremistischer Organisationen und deren Unterstützer blieben unbehelligt. Hilfsweise werde aber auch darauf hingewiesen, dass eine etwaige Regelvermutung in seiner Person widerlegt sei. Er sei überdies mit dem Eintritt in die AfD-Bundespartei automatisch Mitglied des AfD-LVTh. Nach der Satzung bestehe für ihn überhaupt nicht die Möglichkeit, Mitglied in der AfD zu sein, ohne zugleich dem Landesverband Thüringen anzugehören. Das AfV habe noch im Juni 2021 keine Bedenken bezüglich seiner Person geäußert, obwohl er auch schon zum damaligen Zeitpunkt Mitglied der AfD gewesen sei.
Mit sofort vollziehbaren Bescheid vom 18. April 2023, zugestellt am 20. April 2023, widerrief der Antragsgegner die dem Antragsteller erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse (Nr. 1) und forderte den Antragsteller auf, sämtliche Waffen und Munition binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung des Bescheids Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen und dies der Behörde nachzuweisen (Nr. 2). In der Nr. 3 der Verfügung ordnete die Behörde die unverzügliche Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnisse an.
Den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse begründete der Antragsgegner mit der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers (§§ 45 Abs. 2 Satz 1, 5 Abs. 2 Nr. 3 b und c WaffG). Mit Wirkung vom 15. März 2021 habe das AfV den AfD-LVTh als eine erwiesen rechtsextremistische Vereinigung eingestuft. Aus dem Vermerk des AfV vom 23. Mai 2022 ergäben sich nachvollziehbar die entsprechenden tatsächlichen Anhaltspunkte. Diese folgten auch aus dem Verfassungsschutzbericht 2021. § 5 Abs. 2 Nr. 3 b und c WaffG sei nach der Rechtsprechung auch auf Parteien anwendbar, die nicht durch das Bundesverfassungsgericht verboten bzw. als verfassungswidrig eingestuft worden seien. Der Antragsteller sei Mitglied des AfD-LVTh. Daher müssten seine waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen werden. Die Anordnungen unter Ziffer 2 und 3 des Bescheids beruhten auf § 46 Abs. 1 und 2 WaffG.
Der Antragsteller übergab die waffenrechtlichen Erlaubnisse sowie Nachweise der Überlassung der Schusswaffen und Munition an Berechtigte der unteren Waffenbehörde des Antragsgegners.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2023, beim Antragsgegner eingegangen am selben Tag, legte der Antragsteller gegen die Widerrufsverfügung Widerspruch ein.
Am 8. Juni 2023 hat der Antragsteller vor dem Verwaltungsgericht Gera um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Der Antragsteller wiederholt und vertieft zur Begründung sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend trägt er vor, bei der Bewertung des AfV handele es sich bereits nicht um eine „Tatsache“ im Sinne des § 45 Abs. 2 WaffG, jedenfalls nicht um eine „nachträgliche“ Tatsache. Seine Mitgliedschaft in der AfD sei dem gesamten Team des Fachdienstes „Öffentliche Ordnung“ bekannt gewesen. Für die Annahme einer „feststehenden“ Verfassungsfeindlichkeit des AfD-LVTh fehle es in dem außerordentlich „dünnen“ Vermerk an tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkten. Die vom AfV angeführten pauschalen und unzureichenden Angaben seien überdies einseitig und tendenziös bewertet worden. Dies sei auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz und anderen Landesämtern feststellbar. Insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Volksbegriff des Grundgesetzes werde von den Verfassungsschutzämtern regelmäßig fehlinterpretiert. Mit dem von ihr vertretenen Volksbegriff befinde sich die AfD ebenso auf dem Boden des Grundgesetzes wie mit ihren migrationspolitischen Vorstellungen. Auch das von Vertretern der AfD verwendete Vokabular werde von den Verfassungsschutzämtern regelmäßig falsch interpretiert. Dies gelte besonders bei Formulierungen mit historischer Bedeutung. Wenn die Verfassungsschutzämter anführten, die AfD würde das parlamentarische System verächtlich machen, so verwechselten sie regelmäßig die (berechtigte) Kritik an den anderen Parteien mit der Kritik am Parteiensystem als Teil der repräsentativen Demokratie. Darüber hinaus habe sich der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid nicht einmal ansatzweise mit seiner Gesamtpersönlichkeit auseinandergesetzt, insbesondere mit seinem Verweis auf die Erklärung zur Bindung an das Grundgesetz und die Staatsvolkerklärung der AfD. Während der Flüchtlingskrise habe er ein Haus für die Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. Im Zuge seiner Vorstandsarbeit habe er durch intensive Recherche dazu beigetragen, extremistische Bewerber von einer Mitgliedschaft in der AfD fernzuhalten. Bei der Anmeldung von Versammlungen und öffentlichen Veranstaltungen habe er immer mit Ordnungsbehörde und Polizei gut kooperiert. Nie sei es bei Veranstaltungen zu irgendwelchen extremistischen Vorkommnissen gekommen. Im Nachbarlandkreis Greiz seien entsprechende waffenrechtliche Widerrufsverfahren gegen AfD-Mitglieder - bis auf einen Vorgang - sämtlich eingestellt worden. Schließlich sei es wertungswidersprüchlich, ihm die waffenrechtlichen Erlaubnisse zu entziehen und dem neuen Landrat in Sonneberg trotz seiner AfD-Mitgliedschaft seine demokratische Gesinnung verbindlich festzustellen.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 11. Mai 2023 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 18. April 2023 im Hinblick auf Ziffer 1 (Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse) anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er nimmt zur Begründung Bezug auf den Inhalt des angegriffenen Bescheids. Ergänzend trägt er vor, bei der erst nach Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnisse erlangten Kenntnis von der Mitgliedschaft des Antragstellers im erwiesen rechtsextremistischen AfD-LVTh handele es sich um eine nachträglich eingetretene Tatsache. Diese sei ihm durch Mitteilungsschreiben des AfV vom 19. September 2022 bekannt geworden.
Der Beteiligte hat keinen Antrag gestellt und sich zum Verfahren nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsvortrags wird verwiesen auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens sowie auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (1 Hefter).
II.
Der zulässige Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 a VwGO - wie hier - ganz oder teilweise anordnen bzw. im Falle des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung. Gegenstand der Abwägung sind auf der einen Seite das private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug des Verwaltungsaktes verschont zu bleiben (Aussetzungsinteresse), und auf der anderen Seite das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsaktes (Vollziehungsinteresse). Im Rahmen der Interessenabwägung hat das Gericht neben der gesetzgeberischen Wertung des § 45 Abs. 5 WaffG den Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bzw. der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. In der Regel überwiegt das Vollziehungsinteresse, wenn sich der angegriffene Verwaltungsakt nach summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache ohne Aussicht auf Erfolg sein dürfte. Demgegenüber überwiegt grundsätzlich das private Aussetzungsinteresse, wenn sich der Verwaltungsakt nach diesem Maßstab als rechtswidrig erweist und der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird. Denn an der Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides besteht regelmäßig kein schutzwürdiges öffentliches Interesse. Lässt sich die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in diesem Sinne klären bzw. ist der Ausgang der Hauptsache offen, bedarf es einer Abwägung der (sonstigen) wechselseitigen Interessen.
In Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag Erfolg. Der Rechtsbehelf des Antragstellers in der Hauptsache dürfte nach gegenwärtigem Erkenntnisstand bei der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach erfolgreich sein (vgl. nachfolgend zu 1). Durchgreifende Gesichtspunkte, die trotz der für den Antragsteller positiven Erfolgsaussichten in der Hauptsache ein Überwiegen des öffentlichen Vollziehungsinteresses begründen könnten, bestehen nicht (vgl. nachfolgend zu 2.).
1. Nach dem Erkenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Kammer, auf den es ankommt (vgl. VGH BW, Beschluss vom 4.7.2022 - 6 S 988/22 -, zitiert nach Juris, m.w.N.), und nach summarischer Prüfung dürfte der Widerspruch des Antragstellers gegen den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse begründet sein. Die Voraussetzungen für einen Widerruf nach §§ 45 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit §§ 4 Abs. 2 Nr. 2, 5 Abs. 2 Nr. 3 b und c WaffG, auf die der Antragsgegner seinen Bescheid stützt, hat er nicht dargetan.
Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unter Anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) besitzt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 b und c WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel solche Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie in den letzten fünf Jahren Mitglied in einer Vereinigung waren, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat (lit. b), oder aber eine solche Vereinigung unterstützt haben (lit. c).
Bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 3 b WaffG, aber auch aus der Gesetzeshistorie sowie dem daraus hervorgehenden gesetzgeberischen Willen folgt, dass das Verfolgen von Bestrebungen im Sinne dieser Vorschrift feststehen muss. Ein bloßer tatsachenbegründeter Verdacht reicht nicht aus (vgl. - mit eingehender Begründung - OVG LSA, Beschluss vom 24.4.2023 - 3 M 13/23 -; VG Magdeburg, Beschluss vom 28.2.2023 - 1 B 212/22 MD -; VG Regensburg, Beschluss vom 7.3.2022 - RO 4 S 22.28 -; abweichend VG Düsseldorf, Urteil vom 7.3.2023 - 22 K 7087/20 -; VG Köln, Urteil vom 8.9.2022 - 20 K 3080/21 -; jeweils zitiert nach Juris). Den daraus resultierenden argumentativen Anforderungen an einen Widerrufsbescheid ist der Antragsgegner (jedenfalls bislang) nicht gerecht geworden.
Der Antragsgegner leitet die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers ausschließlich aus seiner Mitgliedschaft im AfD-LVTh ab. Die Annahme, dass der AfD-LVTh gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolgt, stützt der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid ausschließlich auf einen Vermerk des AfV vom 23. Mai 2022 sowie ergänzend auf den Verfassungsschutzbericht 2021. Weder aus dem Vermerk des AfV vom 23. Mai 2022 noch aus dem Verfassungsschutzbericht 2021 folgt jedoch mit der erforderlichen Sicherheit die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbands der AfD in Thüringen. Die beiden ausschließlichen Grundlagen des angegriffenen Bescheids liefern weder für sich noch bei zusammenfassender Würdigung den dafür erforderlichen Grad an Erkenntnisgewissheit.
Zentraler Schwerpunkt der Ausführungen des 23seitigen Vermerks des AfV vom 23. Mai 2022 (incl. Einleitung und Zusammenfassung) bildet die Wiedergabe und verfassungsrechtliche Bewertung von Äußerungen des „einen Landessprechers“ des AfD-LVTh. Insoweit verkennt die Kammer nicht, dass die Äußerungen eines gewählten Vorsitzenden bzw. die Äußerungen eines von zwei Landessprechern einer Partei bzw. Landesverbands gewichtige Indizien für die Gesamtausrichtung der entsprechenden Vereinigung sind. Mit Blick auf die Größe - der AfD-LVTh soll immerhin ein „Mitglieder- und Personenpotenzial“ von 1.200 Personen haben (vgl. AfV, Verfassungsschutzbericht 2021, S. 14) - sowie der regelmäßig komplexen Strukturen politischer Parteien kann ein entsprechender Schluss jedoch nicht schematisch erfolgen. Vielmehr bedarf er der Absicherung durch eine eingehende und ausführliche Analyse der entsprechenden programmatischen Aussagen der Partei sowie der Aussagen einer ausreichenden Vielzahl von Funktionären, Mitgliedern oder sonstiger Personen, die der Partei zugerechnet werden können (vgl. VG München, Beschluss vom 25.10.2022
- M 30 E 22.4913 -, zitiert nach Juris) und aus denen eine systematische Verletzung und Missachtung der in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ThürVerfSchG genannten Verfassungsgrundsätze folgt (vgl. VG München, Beschluss vom 17.4.2023 - M 30 E 22.4913 -, zitiert nach Juris, m.w.N). Daran fehlt es vorliegend. Das AfV hat es in seinem Vermerk vom 23. Mai 2022 nicht vermocht, Bedeutung und Einfluss dieses von ihm in den Fokus der Betrachtungen gerückten „einen Landessprechers“ für den gesamten Landesverband in einer Weise zu verdeutlichen, dass dessen dort wiedergegebene Äußerungen - die Richtigkeit ihrer Interpretationen durch das AfV unterstellt - die verfassungsfeindliche Zielrichtung des gesamten Landesverbandes repräsentieren. Das AfV beschränkt sich insoweit auf die Wiedergabe von lediglich drei vereinzelten programmatischen Aussagen aus dem Wahlprogramm des AfD-LVTh des Jahres 2019 zur Landtagswahl in Thüringen und der Wiedergabe von ganzen sechs einzelnen Aussagen von vier Funktionären aus vier von derzeit neun Kreisverbänden der AfD-LVTh. Das reicht angesichts der mangelhaften qualitativen und quantitativen Verdichtung nicht aus, eine feststehende Verfassungsfeindlichkeit des gesamten Landesverbands der AfD-Thüringen zu belegen. Das AfV vermittelt dem Leser bei zusammenfassender Würdigung letztlich nur einen, wenn auch nicht unwesentlichen Ausschnitt aus dem Parteileben des AfD-LVTh, nicht jedoch den erforderlichen rechtssicheren Blick auf das Gesamtgeschehen. Demgemäß bleibt im Vermerk bereits unerwähnt, ob es im AfD-LVTh überhaupt nennenswerte andere Strömungen als die gibt, die es durch den „einen Landessprecher“ repräsentiert sieht. Folgerichtig bleiben auch die internen Willensbildungsprozesse im AfD-LVTh und das Verhältnis verschiedener Strömungen untereinander gänzlich unbeleuchtet. Insbesondere fehlen jedwede (nachprüfbare) tatsächliche Feststellungen zum realen Einfluss des „einen Landessprechers“ und seiner politischen Vorstellungen, so wie sie vom AfV interpretiert werden, im Vergleich zu ggf. mit zu berücksichtigenden weiteren Strömungen im Landesverband. Die wenigen über den Vermerk des AfV hinausgehenden konkreten tatsächlichen Angaben und Beispiele aus dem Verfassungsschutzbericht 2021 stellen diesen Befund nicht durchgreifend in Frage. Der Antragsteller weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass das Prüfungsergebnis des Thüringer Landesverwaltungsamts, Widerspruchsbehörde im vorliegenden Fall, zur bejahten Verfassungstreue des neu gewählten Landrats des Landkreises Sonneberg (vgl. Pressemitteilung des TLVwA vom 10.7.2023,
https://landesverwaltungsamt.thueringen.de, zuletzt abgerufen am 4.8.2023), der bereits vor seinem Amtsantritt hochrangiger Funktions- bzw. Mandatsträger des AfD-LVTh gewesen ist, gegen die Annahme spricht, es existiere in diesem Landesverband nur eine einzige, alle anderen dominierende politische Grundausrichtung.
Hinzu kommt, dass die drei vom AfV mitgeteilten „offiziellen“ programmatischen Forderungen des AfD-LVTh im Wahlprogramm des Jahres 2019 zur Landtagswahl in Thüringen in einer ihrem Aussagegehalt nach nicht zwingenden politischen Richtung interpretiert werden, ohne dass die vom AfV für richtig gehaltene Interpretation im Vermerk hinlänglich plausibel gemacht worden wäre. Soweit der AfD-LVTh darin einen deutlich abgesenkten Versorgungs- und Unterbringungsstandard für Asylbewerber fordert, ist zum einen zu berücksichtigen, dass auch in der vom AfV zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, zitiert nach Juris) keine bestimmten verfassungsrechtlich gebotenen Mindeststandards bei den Leistungssätzen festgelegt wurden, sondern dem Gesetzgeber hinsichtlich Art und Umfang der Leistungen vielmehr ein Gestaltungsspielraum eingeräumt worden ist (vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 12.5.2021 - 1 BvR 2682/17 -; Beschluss vom 19.10.2022 - 1 BvL 3/21 -, jeweils zitiert nach Juris). Zum anderen wird in dem vom AfV mitgeteilten Ausschnitt des Parteiprogramms gleich an zwei Stellen einschränkend betont, dass man bei der Absenkung nur alle „rechtlich bestehenden Möglichkeiten“ nutzen bzw. alle „rechtlich möglichen Maßnahmen“ ergreifen möchte. Dass es sich bei diesen Einschränkungen um bloße „Lippenbekenntnisse“ handelt, wird im Vermerk nicht hinlänglich dargetan. Namentlich der allgemeine Hinweis darauf, dass sich der „eine Landessprecher“ in einer Rede kritisch mit der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts befasst habe, sowie auf weitere seiner Stellungnahmen reicht, wie dargelegt, nicht für die Annahme aus, der gesamte AfD-LVTh habe in Wahrheit bewusst unter Verstoß gegen die Maßgaben des Art. 1 GG gefordert, die staatlichen Leistungen für Asylbewerber unter das menschenwürdige Existenzminimum abzusenken.
Entsprechendes gilt für den Hinweis des AfV auf die Vorstellungen des AfD-LVTh zur Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern. Auch die vom AfV insoweit zitierten drei Sätze des Wahlprogramms sprechen angesichts des Fehlens zureichender weiterer Anhaltspunkte noch nicht durchgreifend für einen bewussten und gewollten Angriff des gesamten Landesverbands auf die Menschenwürdegarantie des Art. 1 GG. Dies gilt umso mehr, als auch nach (noch) geltendem Recht die Gesundheitsversorgung von Asylbewerbern nach § 4 AsylbLG grundsätzlich auf eine Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände beschränkt und zum anderen die Übertragbarkeit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Leistungen nach § 3 AsylbLG auf die Gesundheitsversorgung noch nicht abschließend geklärt ist (vgl. i.E. Frerichs in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Stand: 25.05.2023, § 4 AsylbLG Rdn. 29 ff. m.w.N.). Gemäß § 6 AsylbLG ist der Gesundheitsbedarf der über § 4 AsylbLG hinausgeht nur soweit abgedeckt, als er zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist.
Konstruiert wirkt die Interpretation des AfV, der AfD-LVTh wolle mit seiner Forderung, die Finanzierung der Rechtsberatung endgültig abgelehnter Asylantragsteller mit Thüringer Steuergeldern zu beenden, die staatliche Pflicht zur Gewährung wirksamen Rechtsschutzes durch die Gerichte aushöhlen (vgl. S. 18 f. des Vermerks). Der im Vermerk nicht wiedergegebene textliche Kontext dieser Forderung im Wahlprogramm des AfD-LVTh zur Landtagswahl in Thüringen 2019 lautet:
„Zudem wollen wir dafür sorgen, dass strafrechtlich relevante Behinderungen von
Abschiebungen konsequent geahndet werden. Allen Institutionen, Initiativen und
Vereinen, welche abgelehnte Asylbewerber dabei unterstützen, sich der Abschie-
bung oder Ausreisepflicht zu entziehen, muss die öffentliche Förderung entzogen
werden. Selbstverständlich wollen wir auch die Finanzierung der Rechtsberatung
endgültig abgelehnter Asylantragsteller mit Thüringer Steuergeldern beenden.“
Der textliche Bezug der vom AfV als verfassungsfeindlich eingestuften Forderung lässt zumindest auch den Schluss zu, dass sich der AfD-Landesverband hier (lediglich) auf Gelder bezieht, die von den im Programmausschnitt explizit genannten staatlich geförderten Institutionen, Initiativen und Vereinen für die Rechtsberatung eingesetzt werden. Die Streichung entsprechender staatlicher Unterstützungsmittel berührt die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes nicht. Diese wird in Bezug auf die Rechtsberatung mittelloser Asylbewerber durch die Institute der Beratungs- und Prozesskostenhilfe (§§ 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff ZPO; BerHG) gewährleistet. Hierbei handelt es sich um Bundesrecht, das nicht in die Zuständigkeit des Thüringer Landtags fällt, um dessen Wahl es im vom AfV herangezogenen Wahlprogramm des AfD-LVTh ausschließlich ging. Das AfV legt nicht dar, aus welchen Gründen es dessen ungeachtet der von ihm favorisierten Auslegungsvariante den Vorzug gibt.
Der Antragsgegner hat im vorliegenden Eilverfahren seine nur unzureichend begründete Auffassung zu einer feststehenden Verfassungsfeindlichkeit des gesamten AfD-LVTh trotz des exakt (auch) diesen Umstand dezidiert und wiederholt kritisierenden Vortrags des Antragstellers nicht weiter belegt und substantiiert. Es ist auch mit Blick auf die Regelung des § 86 Abs. 1 VwGO nicht Aufgabe der Kammer, einen von der Behörde nur unzureichend geklärten oder jedenfalls nicht nachvollziehbar aktenkundig gemachten Sachverhalt umfassend aufzuarbeiten, insbesondere anstelle der Behörde die erforderliche umfangreiche Recherche- und Analysearbeit nachzuholen. Das gilt erst Recht für das vorliegende verwaltungsgerichtliches Eilverfahren mit seiner nur summarischen Sach- und Rechtsprüfung (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 26.1.2021 - 1 B 273/20 -, zitiert nach Juris, m.w.N.).
2. Schließlich bestehen keine durchgreifenden Gesichtspunkte, die trotz der für den Antragsteller positiven Erfolgsaussichten in der Hauptsache ein Überwiegen des öffentlichen Vollzugsinteresses begründen könnten. Das gilt auch bei Berücksichtigung des besonderen Interesses der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition. Es entzieht sich der Kenntnis der Kammer, ob es dem insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegner (vgl. VGH BW, Beschluss vom 4.7.2022
- 6 S 988/22 -; VG Sigmaringen, Beschluss vom 21.8.2012 - 4 K 1812/12 -, jeweils zitiert nach Juris) bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens zumindest nachträglich gelingen kann, die Verfassungsfeindlichkeit des gesamten AfD-LVTh mit belastbaren und im Einzelnen nachprüfbaren Tatsachen hinlänglich zu belegen. Der Umstand der zumindest bislang nicht ausreichenden Erfüllung der Amtsermittlungspflicht im bisherigen Verwaltungsverfahren durch den Antragsgegner geht (auch) im Rahmen der an dieser Stelle vorzunehmenden Interessenabwägung zu seinen Lasten (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 26.1.2021 - 1 B 273/20 -, zitiert nach Juris, m.w.N.). Aber auch die persönlichen Verhältnisse des Antragstellers rechtfertigen keine andere Entscheidung. Im Gegenteil: Dem Antragsteller wird vom Antragsgegner gerade nicht vorgeworfen, dass er als Einzelperson Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind (§ 5 Abs. 2 Nr. 3 a WaffG). Auch im Übrigen sind nach dem Akteninhalt nicht einmal im Ansatz Umstände erkennbar, die den Schluss zulassen, dass vom Antragsteller selbst - jetzt oder in Zukunft - irgendwelche waffenrechtlich erhebliche Gefahren ausgehen könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des beteiligten Vertreters des öffentlichen Interesses sind nicht erstattungsfähig. Das gilt selbst dann, wenn man insoweit die Regelung des § 162 Abs. 3 VwGO für entsprechend anwendbar hält (ThürOVG, Beschluss vom 21.10.2020 - 3 EO 115/19). Denn der Beteiligte hat selbst keinen Sachantrag gestellt und ist somit kein eigenes Kostenrisiko eingegangen (§ 154 Abs. 3 VwGO) und hat die Sache durch eigenen Vortrag auch nicht weiter gefördert. Demnach entspräche es nicht der Billigkeit, ihm Kostenerstattung zu gewähren.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. Nr. 1.5 und 50.2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Danach sind für den Widerruf einer Waffenbesitzkarte nebst Europäischem Feuerwaffenpass der Auffangstreitwert zzgl. 750 € je weiterer Waffe zugrunde zu legen, wobei unerheblich ist, wie viele Waffenbesitzkarten widerrufen werden. Für den „Kleinen Waffenschein“ ist der Auffangstreitwert in Ansatz zu bringen (vgl. BayVGH, Beschluss vom 24.11.2017 - 21 CS 17.1531 -, zitiert nach Juris; VG Gera, Beschluss vom 27.4.2022 - 1 K 855/21 Ge).
Auf den zwei Waffenbesitzkarten des Antragstellers sind insgesamt zwei Waffen eingetragen. Demgemäß sind für die Bemessung des Streitwerts vorliegend 5.000,00 € für die Waffenbesitzkarten nebst einer Waffe sowie 750,00 € für die weitere Waffe in Ansatz zu bringen. Hinzukommt der vom Antragsgegner widerrufene „Kleine Waffenschein“ des Antragstellers der ebenfalls mit dem Auffangwert zu bemessen ist. Demgegenüber bleibt der Europäische Feuerwaffenpass bei der Streitwertfestsetzung unberücksichtigt (vgl. BayVGH, Beschluss vom 14.12.2011 - 21 CS 11.2310 -, zitiert nach Juris). Der danach sich ergebende Gesamtbetrag in Höhe von 10.750 ,00 € war angesichts der Vorläufigkeit der Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auf die Hälfte zu ermäßigen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss, mit Ausnahme der Streitwertentscheidung, kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht, Jenaer Straße 2a, 99425 Weimar eingelegt werden. Die Beschwerde ist bei dem
Verwaltungsgericht Gera,
Postfach 15 61, 07505 Gera,
Rudolf-Diener-Straße 1, 07545 Gera
schriftlich einzulegen. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.
Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80 a und 123 VwGO) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt (§ 146 Abs. 3 VwGO).
Vor dem Oberverwaltungsgericht besteht Vertretungszwang durch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule mit Befähigung zum Richteramt oder einen Vertretungsberechtigten nach Maßgabe des § 67 VwGO; dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde und die Begründung.
Hinsichtlich der Entscheidung über den Streitwert steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Thüringer Oberverwaltungsgericht, Jenaer Straße 2a, 99425 Weimar, zu, für die kein Vertretungszwang besteht (§ 68 Abs. 1 GKG).
Die Beschwerde ist bei dem
Verwaltungsgericht Gera,
Postfach 15 61, 07505 Gera,
Rudolf-Diener-Straße 1, 07545 Gera
schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen.
Die Streitwertbeschwerde ist nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG).