Autor Thema: Portoersparnis wird teuer - Entfernung eines Polizeikommissars aus dem Dienst  (Gelesen 390 mal)

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https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_muenster/j2022/13_K_2879_20_O_Urteil_20221025.html

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Verwaltungsgericht Münster, 13 K 2879/20.O
Datum: 25.10.2022
Gericht: Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper: 13. Kammer
Entscheidungsart: Urteil
Aktenzeichen: 13 K 2879/20.O
ECLI: ECLI:DE:VGMS:2022:1025.13K2879.20O.00
 
Schlagworte: Verfassungstreue Reichsbürger Disziplinarklageverbrauch
Normen: § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG; § 13 LDG NRW

Leitsätze:

1.

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt (analog) im Disziplinarrecht, als wegen eines Dienstvergehens nicht mehrere disziplinarische Sanktionen verhängt werden dürfen.

2.

Die postalische Übersendung eines Empfangsbekenntnisses unter Nutzung eines mit Postwertzeichen in Höher von insgesamt 4-Cent stellt unter Berücksichtigung aller (Begleit-) Umstände eine Verletzung der jeden Beamten obliegenden Pflicht zur Treue zur Verfassung dar.

3.

Es ist unmöglich, die rechtliche Existenz des Staates zu leugnen und sich zugleich zu dessen Grundordnung zu bekennen.
 
Tenor:

Der Beklagte wird wegen Dienstvergehens aus dem Beamtenverhältnis entfernt.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
 
1
   

Verkündet am 25. Oktober 2022

- X.       -

K.

als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts
2

T a t b e s t a n d
3

Der am       00.00.0000 in M.     geborene Beklagte erlangte im Jahr 0000 den Realschulabschluss und schloss am       00.00.0000 eine Berufsausbildung zum Industrieelektroniker (Fachrichtung Gerätetechnik) ab. Zudem erlangte er im Jahr 0000 im Bildungsgang der Fachoberschule die Fachhochschulreife in der Fachrichtung Technik mit dem fachlichen Schwerpunkt Elektrotechnik.
4

Anschließend leistete der Beklagte seinen Grundwehrdienst ab. Er verlängerte freiwillig seine Wehrpflicht auf 23 Monate, so dass seine Dienstzeit zum       00.00.0000 endete.
5

Vom     00.00.0000 bis zum   00.00.0000 wurde der Beklagte als Eignungsübender in der 0. Kompanie des Führungsunterstützungsbataillons 000 der Bundeswehr eingesetzt. Er nahm Aufgaben als stellvertretender Truppführer war.
6

Am         00.00.0000 trat der Beklagte als Kommissar-Anwärter (Beamter auf Widerruf) in den Polizeidienst des Landes O.         für die Laufbahn des gehobenen Polizeivollzugsdienstes ein. Er legte am       00.00.0000 die II. Fachprüfung mit dem Gesamtergebnis „befriedigend“ ab. Mit Wirkung vom         00.00.0000 wurde er zum Polizeikommissar (Beamter auf Probe, A 9 LBesO) ernannt. Zum         00.00.000 wurde dem Beklagten die Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit verliehen.
7

Der Beklagte war bis zum Zeitpunkt der vorläufigen Dienstenthebung am         00.00.0000 als Wachdienstbeamter in der Polizeiwache M.     , Dienstgruppe A, tätig.
8

Im Beurteilungszeitraum vom         00.00.0000 bis zum    00.00.0000 wurden im Eingangsamt der Laufbahn die Leistung und die Befähigung des Beklagten mit „entspricht voll den Anforderungen“ sowie im Teilbereich der Arbeitsorganisation mit „entspricht im Allgemeinen den Anforderungen“ bewertet. An den später folgenden Regelbeurteilungsverfahren nahm der Beklagte aufgrund der anhängigen Disziplinarverfahren nicht teil.
9

Der Beklagte ist seit dem         00.00.0000 verheiratet und hat zwei Kinder (U.   , geboren am    00.00.0000, und N.     , geboren am    00.00.0000).
10

Die wirtschaftlichen Verhältnisse sind – soweit bekannt – geordnet.
11

Der Beklagte ist strafrechtlich nicht vorbelastet.
12

Mit beim Verwaltungsgericht am 2. Dezember 2016 eingegangener Disziplinarklage warf der Kläger dem Beklagten insbesondere vor, gegen seine Treuepflicht aus § 33 Satz 3 BeamtStG (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG n.F.) verstoßen zu haben, indem er sich offenkundig zur Ideologie der sogenannten „Reichsbürger“ bekannt und auch sein tatsächliches Handeln nach dieser Ideologie ausgerichtet habe. Der Kläger hielt dem Beklagten in erster Linie sein Verhalten im Zusammenhang mit seinem Prüfantrag über seine Staatsangehörigkeit in der BRD und seinem Antrag auf Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises, jeweils gerichtet an die Stadt M.     , vor.
13

Mit Urteil vom 10. Juli 2017, rechtskräftig seit dem 13. März 2019, hat das Verwaltungsgericht Münster (Az. 13 K 5475/16.O) aufgrund eines Dienstvergehens einen Verweis ausgesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hinsichtlich des der Verurteilung zugrunde liegenden festgestellten Sachverhalts wird auf die Seiten 21 bis 36 des Urteils verwiesen. Die Würdigung der Feststellungen habe ergeben, dass der Beklagte durch seine an das Bürgerbüro der Stadt M.     gerichteten Schreiben und Anträge sowie durch sein dortiges Auftreten und die in diesem Zusammenhang getätigten Äußerungen gegenüber den Mitarbeitern gegen seine beamtenrechtliche Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes verstoßen (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) habe; ein Verstoß gegen die Treuepflicht (§ 33 Satz 3 BeamtStG a.F.) könne dem Beklagten demgegenüber, obwohl eine Anzahl von Indizien dafür spreche, dass der Beklagte einem der „Reichsbürgerbewegung“ nahestehenden Gedankengut folgen könnte, nicht nachgewiesen werden.
14

Mit Verfügung vom     00.00.0000 – dem Beklagten zugestellt am    00.00.0000; an dem Tag fand die im Vorfeld durch den Kläger beantragte gerichtlich angeordnete Wohnungsdurchsuchung beim Beklagten statt (13 L 268/19.O VG Münster) – leitete der Kläger gemäß § 17 Abs. 1 LDG NRW erneut ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Am     00.00.0000 erging eine Verfügung zur Ausdehnung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW, die dem Beklagten am     00.00.0000 zugestellt worden ist. Dem Beklagten wurde erneut vorgeworfen, gegen seine Treuepflicht aus § 33 Satz 3 BeamtStG (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG n.F.), verstoßen zu haben. Gestützt wurde der Vorwurf im Wesentlichen auf einen vom Beklagten benutzten Briefumschlag, welcher mit zwei Briefmarken zu je 2-Cent frankiert war. Zudem hatte der Beklagte den Briefumschlag mit dem handschriftlichen Zusatz "non Goverment FRG" versehen und die Postleitzahl der Stadt E.        in eckige Klammern gesetzt („[00000] E.        “).
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom       00.00.0000, eingegangen beim Verwaltungsgericht am        00.00.0000, Disziplinarklage erhoben.
16

Das Gericht hat nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten mit unanfechtbarem Beschluss in der mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2022 das Disziplinarverfahren gemäß § 55 Abs. 1 LDG NRW auf die postalische Rücksendung eines Empfangsbekenntnisses an das Q1.                E.        im Zeitraum von 0. bis zum        00.00.0000 beschränkt (Sachverhalt 1) und die übrigen Handlungen betreffend die Äußerungen im Rahmen der Berufungsverhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht des Landes O.         -X1.         am    00.00.0000 (Sachverhalt 2) sowie die in der Klageschrift benannten (Teil-) Sachverhalte 3 bis 9 – diese beruhten auf der Auswertung der elektronischen Medien des Beklagten; eine Vielzahl der ausgewerteten und zum Teil schon älteren Dateien belegen nach Auffassung des Klägers den Vorwurf des Verstoßes gegen die Treuepflicht – ausgeschieden.
17

Der Kläger ist der Auffassung, der Beklagte habe durch die schuldhafte Verletzung beamtenrechtlicher Dienst- und Treuepflichten, insbesondere der Pflicht zur Bekennung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes, ein schwerwiegendes innerdienstliches Dienstvergehen im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
18

Der Kläger beantragt,
19

den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
20

Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
22

Er ist der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig. Dasselbe Dienstvergehen sei ihm bereits im Verfahren 13 K 5475/16.O vorgeworfen worden. Nunmehr versuche der Kläger mit anderen Beweismitteln das zu bewiesen, was er im Rahmen der ersten Disziplinarklage nicht habe beweisen können.
23

Der Beklagte behauptet, er habe keinerlei Kenntnis darüber, dass es sich bei der von ihm vorgenommen Frankierungsweise um eine den Reichsbürgern zuzuordnende Verhaltensweise handele. Er habe gehört, dass es auf diese Weise möglich sei, dass Briefe für ein geringes Entgelt übermittelt werden.
24

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die von dem Kläger überreichten Disziplinarakten (Ermittlungs- und Verwaltungsvorgangsakte sowie Asservatakte) und die Personalakte (Unterordner A – C) sowie die beigezogenen Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts Münster zu den Aktenzeichen 13 L 973/14.O, 13 K 5475/16.O und 13 L 268/19.O Bezug genommen.
25

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26

Die zulässige Disziplinarklage ist begründet.
27

Der Beklagte ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, da er sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht hat, durch das er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW.
28

A.
29

Die Disziplinarklage ist zulässig.
30

1.
31

Ein wesentlicher Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens im Sinne des § 54 Abs. 1 LDG NRW, der der Entscheidung des Disziplinarverfahrens durch Urteil entgegenstehen würde, liegt nicht vor. Namentlich genügt die Klage den formalen Anforderungen an die Klageschrift nach § 52 Abs. 2 LDG NRW.
32

2.
33

Das Disziplinarverfahren ist nicht aufgrund des auch im Disziplinarrecht (entsprechend) geltenden Verbots der Doppelbestrafung (siehe Art. 103 Abs. 3 GG) unzulässig; insoweit ist kein „Disziplinarklageverbrauch“ eingetreten.
34

Das Verbot der Doppelbestrafung gilt zwar unmittelbar nur für Verurteilungen aufgrund der (allgemeinen) Strafgesetze. Es gilt darüber hinaus aber auch (analog) im Disziplinarrecht, als wegen eines Dienstvergehens nicht mehrere disziplinarische Sanktionen verhängt werden dürfen. Ein Disziplinarverfahren ist daher unzulässig, wenn ihm ein tatsächlicher Sachverhalt zugrunde liegt, über den bereits in einem früheren Disziplinarverfahren entschieden wurde.
35

Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2001 - 1 D 55.99 -, juris, Rn. 61 sowie Urban, in: Urban/Wittkowski (Hrsg.), BDG, 2. Auflage 2017, 61 Rn. 8 ff.
36

Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
37

Denn der Streitgegenstand differiert zu der im Verfahren 13 K 5475/16.O VG Münster erhobenen und seit dem 13. März 2019 mit dem Ausspruch eines Verweises rechtskräftig abgeschlossenen Disziplinarklage.
38

Der Streitgegenstand definiert sich über den prozessualen Anspruch, der seinerseits durch die erstrebte, im Klageantrag zum Ausdruck zu bringende Rechtsfolge sowie den Klagegrund, nämlich den Sachverhalt, aus dem sich die Rechtsfolge ergeben soll, gekennzeichnet ist.
39

Vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 14. November 2007 ‑ 8 B 81.07 -, juris, Rn. 5 m.w.N.
40

Das dem Beklagten im Zeitraum vom 0. bis         00.00.0000 nunmehr vorgehaltene Verhalten erfolgte nach dem erstinstanzlichen Urteilsausspruch im Verfahren 13 K 5475/16.O VG Münster und wurde dem Beklagten bisher nicht vorgeworfen.
41

B.
42

Die Disziplinarklage ist begründet.
43

I.
44

In tatsächlicher Hinsicht geht das Gericht aufgrund der Einlassung des Beklagten, soweit dieser gefolgt werden konnte, und der sich aus der Gerichtsakte sowie den beigezogenen Akten ergebenden Beweislage von folgendem Sachverhalt aus:
45

Die Personalabteilung des Klägers übersandte mit Schreiben vom         00.00.0000 dem Beklagten eine Krankenversichertenkarte. Das Schrei-ben wurde am        00.00.000 zugestellt mit der Bitte, ein vorgefertigtes Empfangsbekenntnis zurückzusenden, um den Erhalt der Krankenversichertenkarte zu bestätigen. Dieser Bitte kam der Beklagte nach. Das Empfangsbekenntnis ging am         00.00.0000 unterschrieben bei dem Kläger ein. Der Beklagte benutzte für die Übersendung durch die Deutsche Post AG einen Briefumschlag, welcher mit zwei Postwertzeichen zu je 2-Cent frankiert war. Zudem versah der Beklagte den Briefumschlag mit dem handschriftlichen Zusatz „non Goverment FRG“ (wörtlich übersetzt: „keine Regierung Bundesrepublik Deutschland“). Die Postleitzahl der Stadt E.        als Teil der Adresse des Empfängers wurde in eckige Klammern gesetzt („[00000] E.        “). Nachporto durch die Deutsche Post AG wurde nicht erhoben. Die beiden Postwertzeichen wurden mit Poststempel vom         00.00.0000 entwertet. Mit dem Schreiben manifestierte der Beklagte seine innere Abkehr von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes.
46

II.
47

Mit dem vom Gericht festgestellten Sachverhalt hat sich der Beklagte eines schwerwiegenden vorsätzlichen Dienstvergehens schuldig gemacht, indem er gegen die ihm obliegende Pflicht zur Verfassungstreue gemäß Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (§ 33 Satz 3 BeamtStG a.F.) (siehe 1.) und zugleich gegen die sogenannte Wohlverhaltenspflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) (siehe 2.) verstoßen hat.
48

1.
49

Die postalische Übersendung eines Empfangsbekenntnisses an den Kläger unter Nutzung eines mit Postwertzeichen in Höhe von insgesamt 4-Cent unterfrankierten Briefumschlages mit dem handschriftlichen Zusatz „non Goverment FRG“ und das Setzen der Postleitzahl der Empfangsadresse in eckige Klammern stellt hier unter Berücksichtigung aller (Begleit-)Umstände eine Verletzung der jedem Beamten obliegende Pflicht zur Treue zur Verfassung dar.
50

a) Nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (§ 33 Satz 3 BeamtStG a.F.) muss ein Beamter sich durch sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.
51

aa) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse und die damit verbundenen Eingriffsrechte des Staates sind durch Art. 33 Abs. 4 GG einem Personenkreis vorbehalten, dessen Rechtsstellung in besonderer Weise Gewähr für Verlässlichkeit und Rechtsstaatlichkeit bietet. Vor allem Beamte, die für den Staat Anordnungen treffen können (besonders deutlich wird dies bei Polizeibeamten), realisieren dessen Machtstellung. Sie haben als „Repräsentanten der Rechtsstaatsidee“ dem ganzen Volk zu dienen und ihre Aufgaben im Interesse des Wohls der Allgemeinheit unparteiisch und gerecht zu erfüllen. Beamte stehen daher in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis. Aufgrund dieser Treuepflicht gehört es zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich Beamte zu der Verfassungsordnung, auf die sie vereidigt sind, bekennen und für sie eintreten.
52

Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 -, juris Rn. 15; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2021 - 3d A 1595/20.BDG -, juris, Rn. 88.
53

Die Beamten müssen sich dagegen nicht die Ziele oder Maxime der jeweiligen Regierungsmehrheit zu eigen machen; sie müssen jedoch die verfassungsmäßige Ordnung als schützenswert annehmen und aktiv für sie eintreten. Im Staatsdienst können nicht solche Personen tätig werden, die die Grundordnung des Grundgesetzes negieren oder ablehnen bzw. bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes.
54

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 27.
55

bb) (1) Das Dienstvergehen besteht nicht einfach in der „mangelnden Gewähr“ des Beamten dafür, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten werde. Das bloße Haben einer Überzeugung reicht nicht zur Begründung einer Pflichtverletzung aus. Ein Dienstvergehen ist erst dann gegeben, wenn der Beamte aus seiner politischen Überzeugung Folgerungen für seine innere Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne seiner politischen Überzeugung zieht. Die zu beanstandende Betätigung bzw. Meinungsäußerung muss zudem von besonderem Gewicht sein.
56

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 -, juris, Rn. 45; Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 -, juris, Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 28; Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 -, juris, Rn. 21 ff.
57

(2) Das in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung geforderte "Mehr" als das bloße Haben einer bestimmten Überzeugung ist nicht erst bei einem offensiven Werben des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbaren politischen Überzeugung erreicht. So kann ein disziplinarisch zu ahndendes Dienstvergehen auch etwa darin liegen, dass ein Beamter seine der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufende Einstellung kundtut, und zwar selbst dann, wenn er seine Überzeugung nur unter Gleichgesinnten offenbart.
58

BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 29; Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 -, juris, Rn. 22 ff; 29 ff.
59

cc) Da nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (§ 33 Satz 3 BeamtStG a.F.) das gesamte Verhalten des Beamten erfasst ist, ist die Treuepflicht als beamtenrechtliche Kernpflicht als solche unteilbar und nicht auf den dienstlichen Bereich beschränkt. Vielmehr ist auch das außerdienstliche Verhalten mit der Folge erfasst, dass bei einem pflichtwidrigen Verhalten wegen der Dienstbezogenheit stets ein innerdienstliches Dienstvergehen gegeben ist. Dementsprechend kommt es auf die besonderen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG für die Qualifizierung eines außerhalb des Dienstes gezeigten Verhaltens als Dienstvergehen nicht an. Unerheblich ist auch, ob die Überzeugung des Beklagten Einfluss auf die Erfüllung seiner Dienstpflichten hatte und dass es nicht zu konkreten Beanstandungen seiner Dienstausübung gekommen ist.
60

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 25-26.
61

b) Nach diesen Grundsätzen manifestiert der Beklagte durch die im    00.00.0000 erfolgte Übersendung des Empfangsbekenntnisses an den Kläger unter Nutzung eines mit zweimal 2-Cent Briefmarken unterfrankierten Briefumschlages mit dem handschriftlichen Zusatz „non Goverment FRG“ und das Setzen der Postleitzahl der Empfangsadresse in eckige Klammern – insbesondere angesichts des zu dem Zeitpunkt wenige Monate vorher ergangenem erstinstanzlichen Urteils und den dort getroffenen Feststellungen, aber letztlich mangels plausibler Erklärung für sein Verhalten auch bei isolierter Betrachtung – gegenüber dem Dienstherrn seine ablehnende Einstellung zur Bundesrepublik Deutschland und verletzt damit massiv seine Verfassungstreuepflicht.
62

aa) Der Beklagte hat den Briefumschlag in Bezug auf die außerhalb der typischen Adressfelder handschriftlich niedergelegten Worte „non Goverment FRG“ in dem Wissen beschriftet und versandt, dass dieser für die postalische Übersendung nicht notwendige Zusatz mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes nicht in Einklang steht. Nach dem Empfängerhorizont (vgl. die §§ 133, 157 BGB) kann jener nicht anders als dahingehend verstanden werden, dass der Beklagte die Bundesrepublik Deutschland als „Non-Government-Organisation“ betrachtet und damit die staatliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland insgesamt leugnet.
63

Es ist jedoch schlechterdings unmöglich, die rechtliche Existenz dieses Staates zu leugnen und sich zugleich zu dessen Grundordnung zu bekennen und sich für diese einzusetzen, wie es § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (§ 33 Satz 3 BeamtStG a.F.) verlangt. Der Beklagte negiert damit zugleich die Grundlagen seines Beamtenverhältnisses und verletzt seine Verfassungstreuepflicht in schwerwiegendster Weise.
64

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 30.
65

Es handelt sich beim handschriftlichen Zusatz um ein vorbereitetes, planvolles und zielgerichtetes – also nicht lediglich spontanes oder zufälliges – Agieren gegenüber dem Dienstvorgesetzten.
66

bb) In der Behauptung, die Bundesrepublik Deutschland sei kein souveräner Staat sondern z.B. eine Nichtregierungsorganisation, liegt letztendlich zugleich ein Verhalten, das typisch für die sogenannte Reichsbürger-Szene ist. Ungeachtet der Unterschiede der sehr heterogenen Gruppierung im Detail ist ein gemeinsames Charakteristikum dieses Personenkreises, dass er das Bestehen der Bundesrepublik Deutschland leugnet. Unter dem Begriff „Reichsbürger“ werden Gruppierungen und Einzelpersonen zusammengefasst, die aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Begründungen – unter anderem unter Berufung auf das historische Deutsche Reich, verschwörungstheoretische Argumentationsmuster oder ein selbst definiertes Naturrecht – die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren Rechtssystem ablehnen, den demokratisch gewählten Repräsentanten die Legitimation absprechen oder sich gar in Gänze als außerhalb der Rechtsordnung stehend definieren und gegenüber denen deshalb die begründete Besorgnis besteht, dass sie Verstöße gegen die Rechtsordnung begehen. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimität und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland.
67

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 28, sowie zur Begriffsbestimmung: Verfassungsschutzbericht 2021 des Bundesministeriums des Innern und für Heimat, S. 102 ff.
68

Der Beklagte hat zwar im vorangegangen gerichtlichen Disziplinarverfahren 13 K 5475/16.O VG Münster sowohl in den schriftsätzlichen Einlassungen als auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung mit Nachdruck angegeben, kein „Reichsbürger“ zu sein und auch die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht in Frage stellen zu wollen. Selbst wenn das für den hier nicht relevanten Zeitraum bis 00.00.0000 – auch im Einklang mit den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen und Bewertungen im Verfahren 13 K 5475/16.O VG Münster –unterstellt werden mag, kann zumindest für den nachfolgenden Zeitraum eine solche Einlassung nur noch als Schutzbehauptung gewertet werden. Denn auch das für sogenannte Reichsbürger szenetypische Setzen von eckigen Klammern um Postleitzahlen sowie die Höhe der Postwertzeichenfrankierung unterstreichen die im     00.00.0000 vorliegende den Staat ablehnende Haltung.
69

Vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Mai 2022 - 2 WD 10.21 -, juris, Rn. 30; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 28. Oktober 2020 - 24 ZB 19.1078 -, juris, Rn. 9; vorgehend VG Bayreuth, Urteil vom 2. April 2019 ‑ B 1 K 17.465 -, juris, Rn. 33; VG Ansbach, Urteil vom 26. Februar 2020 - AN 13b D 19.00958 -, juris, Rn. 147; BT-Drucksachen 19/18311 und 18/13171.
70

Vor allem der Umstand, dass der Beklagte nach der Verurteilung im vorangegangenen gerichtlichen Disziplinarverfahren 13 K 5475/16.O VG Münster und ungeachtet der anhaltenden Suspendierung sowie der damals noch anstehenden Berufungsverhandlung einen solchen Brief mit so einer deutlichen politischen Aussage an seinen Dienstherrn schickt, lässt vielmehr angesichts der damit verbundenen Risiken nur den Schluss zu, dass die beim Beklagten festgestellte innere Abkehr von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zumindest seit     00.00.0000 auf einer extrem gefestigten Überzeugung beruht.
71

2.
72

Durch sein vorsätzliches und schuldhaftes Verhalten hat der Beklagte zugleich seine Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) verletzt. Das Zurücksenden eines Empfangsbekenntnisses unter Nutzung eines Briefumschlags mit zusätzlichen, im Postverehr nicht notwendigen Äußerungen, die die rechtliche Existenz der Bundesrepublik Deutschland und ihre verfassungsmäßige Ordnung leugnen, begründet angesichts der Schwere des Pflichtenverstoßes ernstliche Zweifel, dass der Beklagte seinem dienstlichen Auftrag als Sachwalter einer an Recht und Gesetz gebundenen Verwaltung gerecht wird.
73

Vgl. zu ähnlichen Verhaltensweisen BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 44 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 21. April 2021 - 3d A 1595/20.BDG -, juris, Rn. 133.
74

III.
75

Für das festgestellte Dienstvergehen hält das Disziplinargericht die Verhängung der Höchstmaßnahme für Beamte, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, für zwingend geboten.
76

1.
77

Die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme ergeht nach pflichtgemäßem Ermessen, § 13 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW.
78

a) Sie ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen, § 13 Abs. 2 Satz 1 LDG NRW. Das Vergehen muss nach seinem Gewicht somit einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 LDG NRW aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Zudem ist das Persönlichkeitsbild des Beamten einschließlich seines bisherigen dienstlichen Verhaltens angemessen zu berücksichtigen, § 13 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat, § 13 Abs. 2 Satz 3 LDG NRW. Ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, ist aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, § 13 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW.
79

b) Eine objektive und ausgewogene Zumessungsentscheidung setzt voraus, dass die sich aus § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW ergebenden Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht ermittelt (vgl. § 21 Abs. 1 Satz 2 LDG NRW) und in die Entscheidung eingestellt werden. Dieses Erfordernis beruht letztlich auf dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Danach muss die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme unter Berücksichtigung aller belastenden und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen.
80

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52.02 -, juris, Rn. 44; BVerwG, Urteil vom 15. November 2018 - 2 C 60.17 -, juris, Rn. 34.
81

2.
82

Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Eigengewichts der von dem Beklagten begangenen Verfehlung, der Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung sowie der persönlichen Verhältnisse und des Persönlichkeitsbildes des Beklagten ergibt sich, dass das Vertrauen der Allgemeinheit und das Vertrauensverhältnis zu dem Dienstherrn endgültig zerstört sind.
83

a) Die Verletzung der Pflicht zur Treue zur Verfassung nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG (§ 33 Satz 3 BeamtStG a.F.) ist so schwerwiegend, dass bei der Maßnahmebemessung nach § 13 LDG NRW von der höchsten Maßnahme, der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (§ 10 LDG NRW), auszugehen ist. Dies folgt aus der Unverzichtbarkeit der Verfassungstreue im Beamtenverhältnis. Die Verfassungstreue ist ein Eignungsmerkmal für Beamte. Personen, die sich nicht zur Existenz der Bundesrepublik Deutschland und deren freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und nicht für deren Erhaltung eintreten, kann von den Bürgern nicht das für die Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden.
84

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 51; Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. April 2021 ‑ 3d A 1595/20.BDG -, juris, Rn. 148.
85

b) Dem steht nicht entgegen, dass das Verhalten des Beklagten nicht strafbewehrt ist. Es offenbart vielmehr erhebliche Persönlichkeitsmängel, die eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis rechtfertigen.
86

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. April 2021 - 3d A 1595/20.BDG -, juris, Rn. 146.
87

c) Im konkreten Streitfall ist hinsichtlich der Schwere des Dienstvergehens allein auf die Verletzung der Verfassungstreuepflicht abzustellen; dem ebenfalls verwirklichten Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauensgerechtem Verhalten kommt daneben keine weitere, die Maßnahmebemessung zusätzlich beeinflussende Bedeutung zu.
88

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 50.
89

3.
90

Ist demzufolge die Höchstmaßnahme Ausgangspunkt der Maßnahmebe-messung für das dem Beklagten zur Last fallende Dienstvergehen, so kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist.
91

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 -, juris, Rn. 17 m.w.N.; Beschluss vom 1. März 2012 - 2 B 140.11 -, juris, Rn. 9.
92

Das ist hier im Ergebnis nicht der Fall.
93

a) Von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelte persönlichkeitsbezogene Milderungsgründe, die zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen können, liegen hier nicht vor.
94

Diese anerkannten Milderungsgründe zeichnet aus, dass sie regelmäßig zu einer Disziplinarmaßnahme führen, die um eine Stufe niedriger liegt als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme, es sei denn, es liegen gegenläufige, belastende Umstände vor.
95

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 -, juris, Rn. 27 m.w.N.
96

aa) Der Beklagte hat das Dienstvergehen nicht im Zustand einer im Sinne des § 21 StGB erheblich verminderten, regelmäßig einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis entgegenstehenden Schuldfähigkeit begangen.
97

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Februar 2016 - 2 B 84.14 -, juris, Rn. 21, und vom 4. Juli 2013 - 2 B 76.12 -, juris, Rn. 19.
98

bb) Das Verhalten des Beklagten stellt sich auch nicht als persönlichkeitsfremde Augenblickstat oder als persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder psychischen Ausnahmesituation dar.
99

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2008 - 2 C 59.07 -, juris, Rn. 14; Beschluss vom 28. Juni 2010 - 2 B 84.09 -, juris, Rn. 14.
100

cc) Schließlich kann auch der anerkannte Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ nicht festgestellt werden. Eine sogenannte negative Lebensphase während des Tatzeitraums kann je nach den Umständen des Einzelfalles mildernd berücksichtigt werden. Diese setzt aber außergewöhnlich belastende Notlagen voraus, die für die Begehung der konkreten Tat ursächlich geworden, inzwischen aber überwunden sind.
101

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2015 - 2 C 6.14 -, juris, Rn. 36 m.w.N.; OVG NRW, Urteil vom 5. April 2017 ‑ 3d A 932/14.O -, juris, Rn. 111.
102

Solche kausalen, außergewöhnlichen Verhältnisse sind jedoch weder vorgetragen noch feststellbar.
103

b) Das Fehlen anerkannter Milderungsgründe besagt allerdings nicht zwangsläufig, dass gegen den Beklagten wegen des ihm zur Last fallenden Dienstvergehens die Höchstmaßnahme verhängt werden müsste. Unter Geltung der Bemessungsvorgaben gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 bis 3 LDG NRW kann mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht zukommen, wenn sie zum Erfüllen eines der sogenannten anerkannten Milderungsgründe nicht ausreichen. Sie dürfen deshalb nicht außer Betracht bleiben. Die anerkannten Milderungsgründe bieten jedoch Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen aufgrund der Höhe des Schadens, der Anzahl und Häufigkeit der Tathandlungen, der Begehung von Begleitdelikten und anderer belastender Gesichtspunkte im Einzelfall wiegt.
104

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 63.11 -, juris, Rn. 25.
105

Dies zugrunde gelegt führt die prognostische Gesamtwürdigung sämtlicher be- und entlastender Gesichtspunkte zu der Bewertung, dass es in diesem Einzelfall nicht möglich ist, von der durch die Schwere des Dienstvergehens indizierten Höchstmaßnahme abzusehen.
106

Zugunsten des Beklagten hat das Gericht die in der relativ kurzen Dienstzeit erbrachten Leistungen des Beklagten ohne strafrechtliche Belastungen berücksichtigt, wobei dies angesichts der Schwere seines Versagens nicht maßgeblich ins Gewicht fällt und nicht dazu führen kann, dass ihm noch ein Rest an Vertrauen entgegen gebracht werden kann. Auch eine durchschnittlich beurteilte Dienstzeit ist regelmäßig nicht geeignet, gravierende Dienstpflichtverletzungen in einem durchgreifend milderen Licht erscheinen zu lassen, da jeder Beamte generell verpflichtet ist, bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich achtungs- sowie vertrauenswürdig zu verhalten.
107

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Januar 2013 - 2 B 63.12 -, juris, Rn. 13 m.w.N.
108

Die Grundlagen des Beamtenverhältnisses lassen es nicht zu, Personen mit der Ausübung staatlicher Gewalt zu betrauen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland verleugnen und damit deren freiheitliche demokratische Verfassungsordnung negieren oder ablehnen.
109

Vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 2021 - 2 A 7.21 -, juris, Rn. 53.
110

Das Gericht berücksichtigt ferner, dass es beim Kläger nicht zu einer Beeinträchtigung der Dienstgeschäfte gekommen ist. Dies ändert aber nichts an der inneren Abkehr des Beklagten von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung und daran, dass sich diese Auffassung in dem ihm vorgeworfenen Verhalten manifestiert hat. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens führt es nicht zu einer durchgreifenden Entlastung des Beklagten.
111

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 21. April 2021 - 3d A 1595/20.BDG -, juris, Rn. 175.
112

4.
113

a) Ist aufgrund des Fehlverhaltens des Beklagten das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinem Dienstherrn endgültig zerstört, ist die Dauer des im 00.00.0000 eingeleiteten Disziplinarverfahrens für die Maßnahmebemessung ohne Bedeutung. Liegen die Voraussetzungen für eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis vor, so kommt eine Milderung wegen der Dauer des Disziplinarverfahrens nicht in Betracht.
114

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2022 - 2 B 38.21 -, juris, Rn. 7 ff.
115

b) Für den endgültigen Vertrauensverlust, den der Beklagte durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hat, ist es ohne Belang, dass die konkret vorgeworfene Handlung nunmehr annähernd 0 Jahre zurückliegt. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass bzw. warum sich an der inneren Abkehr des Beklagten von der freiheitlichen demokratischen Grundordnung etwas geändert haben sollte. Das verlorene Vertrauen kann auch nicht durch Zeitablauf wiederhergestellt werden. Diesen Unterschied hat der Gesetzgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er in § 15 LDG NRW die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis im Gegensatz zu allen anderen Disziplinarmaßnahmen vom Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs ausgenommen hat.
116

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2012 - 2 A 11.10 -, juris, Rn. 84; OVG NRW, Urteil vom 23. September 2020 - 3d A 3226/19.BDG -, juris, Rn. 116.
117

5.
118

Angesichts der von dem Beklagten begangenen schweren Pflichtverletzung und der aufgezeigten Gesamtwürdigung verstößt die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
119

a) Das aus dem verfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip folgende Verhältnismäßigkeitsgebot beansprucht auch bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen Geltung. Danach muss die dem Einzelnen staatlicherseits auferlegte Belastung geeignet und erforderlich sein, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Darüber hinaus darf der Eingriff seiner Intensität nach nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache und den von dem Betroffenen hinzunehmenden Einbußen stehen.
120

b) Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung den Zweck der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels Milderungsgründen das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, zukünftig Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderliche und geeignete Maßnahme, den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig und von Grund auf zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht hier auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als für alle öffentlich-rechtlichen Beschäftigungsverhältnisse vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen.
121

Vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2003 - 1 D 2.03 -, juris, Rn. 49; OVG NRW, Urteil vom 27. Februar 2019 ‑ 3d A 87/14.O -, juris, Rn. 191.
122

Die darin liegende Härte für den Beklagten ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht auf dem ihm zurechenbaren vorangegangenen Fehlverhalten.
123

IV.
124

Ein Unterhaltsbeitrag für die Dauer von sechs Monaten ist nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW zu leisten. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss nach § 10 Abs. 3 Satz 2 LDG NRW liegen nicht vor. Umstände für eine Verlängerung sind weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht worden, § 10 Abs. 3 Satz 3 LDG NRW.
125

V.
126

Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO.
127

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 3 Abs. 1 LDG NRW i. V. m. § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
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Ich weiß nicht immer, was ich will, aber ich weiß immer, was ich nicht will.
 
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