Leider hat der Bayerische VGH kein Interesse an der „Klärung staatsrechtlicher Fragen“.
Spoiler
Gründe
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Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte und die hierzu ergangenen Folgemaßnahmen.
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Seinen Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den mit Bescheid des Beklagten vom 6. April 2017 verfügten Widerruf seiner Waffenbesitzkarte lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 31. Januar 2018 (Az. M 7 S 17.2107) ab; der Kläger sei nach einer Gesamtwürdigung der bei ihm ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen der Reichsbürgerbewegung zuzuordnen, weshalb der Kläger als waffenrechtlich unzuverlässig i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, b und c WaffG anzusehen sei. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof wies die hiergegen eingelegte Beschwerde mit Beschluss vom 17. September 2018 (Az. 21 CS 18.502) zurück. Es könne im Eilverfahren keine zuverlässige Prognose über den Verfahrensausgang im Hinblick auf den verfügten Widerruf der Waffenbesitzkarte getroffen werden; im Hauptsacheverfahren sei zu klären, ob der Kläger der Ideologie der Reichsbürger folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiere und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkenne oder ob der Kläger vielmehr ein „akademisches Interesse“ an der Klärung staatsrechtlicher Fragen gehabt habe.
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Die gegen den Widerrufsbescheid vom 6. April 2017 erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 8. Mai 2019 ab. Die Tatsachen, die dem Gericht vorlägen, würden im Fall des Klägers die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertigen. Die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Klägers begründeten in ihrer Gesamtwürdigung die Annahme, dass dieser der sog. Reichsbürgerbewegung zuzuordnen sei bzw. er sich deren Ideologie zu eigen gemacht habe. Seine Einlassungen im gerichtlichen Verfahren würden angesichts der eindeutigen, schriftlich getätigten vorhergehenden Äußerungen an der Einschätzung des Gerichts nichts zu ändern vermögen. Der Kläger habe insbesondere in der mündlichen Verhandlung das Gericht nicht davon zu überzeugen vermocht, dass er mit den Schreiben ein rein „akademisches Interesse“ an der Klärung staatsrechtlicher Fragen verfolgt habe. Den Einlassungen des Klägers könne auch keine glaubhafte Distanzierung von der Ideologie der sog. Reichsbürgerbewegung entnommen werden. Hinreichende äußerlich feststellbare Umstände, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Kläger seine innere Einstellung verändert hat, seien nicht erkennbar; ein Fehlverhalten habe der Kläger nicht eingeräumt.
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Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger durch seinen Bevollmächtigten sein Rechtsschutzziel weiter. Es bestünden ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Selbst wenn dem Kläger ein akademisches Interesse abgesprochen werde, könne ihm mangels dahingehender Anzeichen nicht unterstellt werden, dass er die Bundesrepublik Deutschland oder deren Rechtsordnung nicht anerkenne oder als für sich nicht verbindlich erachte. Es könne aus einer Ausführung zur Gültigkeit eines Gesetzes nicht auf die Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland als souveräner Staat geschlossen werden. Daher sei die Urteilsbegründung, die sich auf die generelle Unzuverlässigkeit von Reichsbürgern beziehe, nicht geeignet, die Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen. Das Verwaltungsgericht habe den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 17. September 2019 vorgegebenen Prüfungsmaßstab teilweise nicht, jedenfalls nicht ausreichend berücksichtigt. Zumindest hätte die bisherige Vita des Klägers, seine langjährige generelle Rechtstreue ohne waffenrechtliche Verstöße, zwingend berücksichtigt werden müssen.
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Der Beklagte - Landesanwaltschaft Bayern - verteidigt das angegriffene Urteil.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen im Eil- und im Klageverfahren und auf die vorgelegten Akten des Beklagten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
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1. Der Bevollmächtigte des Klägers macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Solche sind anzunehmen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden können (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 - 1 BvR 814/09 - NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 - DVBl. 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 - NVwZ 2011, 546/548). Für die Darlegung des Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel genügt keine unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung.
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In Ansehung des Vortrags in der Zulassungsbegründung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Bescheid des Beklagten vom 6. April 2017 ist rechtmäßig und verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO). Der Beklagte hat zu Recht die waffenrechtliche Erlaubnis des Klägers widerrufen und die Nebenanordnungen erlassen. Der Senat folgt den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 130b Satz 2 VwGO). Zusammenfassend und ergänzend bleibt folgendes anzumerken:
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Das Erstgericht hat unter Anlegung der Maßstäbe des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, B.v. 30.7.2020 - 24 BV 18.2500) zutreffend ausgeführt, dass es Personen, die der Reichsbürgerbewegung zuzurechnen sind oder die sich deren ideologisches Gedankengut zu eigen gemacht und die sich später hiervon nicht glaubwürdig distanziert haben, an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit fehlt. Die Beweiswürdigung des Erstgerichts, die sich der Senat zu eigen macht und die ergeben hat, dass der Kläger diesem Personenkreis zuzurechnen ist, ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Zulassungsverfahren nicht zu beanstanden. Der Kläger hat durch sein von außen wahrnehmbares Verhalten eine ideologische Nähe zur Reichsbürgerbewegung erkennen lassen und dadurch berechtigte Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit geweckt. Folglich muss er diese Zweifel selbst entkräften. Soweit ihm dies nicht gelingt, liegen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass ihm die waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt. So liegt der Fall hier.
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Das Verwaltungsgericht kam bei einer Gesamtschau bzw. -würdigung der vom Kläger getätigten Äußerungen gegenüber dem Landratsamt wie auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung zutreffend zu dem Ergebnis, dass im vorliegendem Fall Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass der Kläger die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet und sich die Ideologie der Reichsbürger zu eigen gemacht hat (UA Rn. 32), weshalb von seiner waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auszugehen ist (UA Rn. 29). So führte das Erstgericht aus, für die Nähe des Klägers zur Reichsbürgerbewegung sprächen vorliegend die Ausführungen des Klägers in seinem Schreiben an die Zentrale Bußgeldstelle vom 7. März 2016, in dem dieser ausgeführt habe, dass das Schreiben der Behörde mangels Unterschrift rechtsunwirksam sei und das Ordnungswidrigkeitengesetz infolge der Aufhebung des entsprechenden Einführungsgesetzes durch das „Zweite Gesetz über die Bereinigung von Bundesrecht im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Justiz“ mangels räumlichen Geltungsbereichs keine Gültigkeit mehr besitze, weshalb davon auszugehen sei, dass die Forderung gegen ihn nicht mehr bestehe. Hierbei handele es sich um eine eindeutig reichsbürgertypische Argumentation sowie um eine der sog. „Reichsbürgerbewegung“ typische Verhaltens- und Ausdrucksweise, nachdem Reichsbürger regelmäßig Behörden und Gerichte mit querulatorischen Schreiben überzögen, in denen sie der öffentlichen Verwaltung und der Justiz ihre Autorität und ihre Existenz absprächen (UA Rn. 27). Gleiches gelte für die Erwähnung des Klägers, dass im „sogenannten Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“ ein territorialer Geltungsbereich nicht definiert sei. Das Verwaltungsgericht stützte seine Ansicht zudem auf das Schreiben des Klägers vom 27. März 2017, in dem der Kläger Ausführungen zur Gültigkeit und dem räumlichen Geltungsbereich des Grundgesetzes machte. Gegen diese Beweiswürdigung des Erstgerichts ist aus zulassungsrechtlicher Sicht nichts einzuwenden.
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Da dieses von außen wahrnehmbare Verhalten des Klägers auf eine ideologische Nähe zur Reichsbürgerbewegung schließen lässt und es sich bei einer inneren Einstellung bzw. Geisteshaltung um Umstände handelt, die in die Sphäre des jeweiligen Betroffenen fallen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 8.5.1984 - 9 C 141/83 - NVwZ 1985,36), wäre es Aufgabe des Klägers gewesen, die von ihm selbst hervorgerufenen, berechtigten Zweifel im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu entkräften (BayVGH, B.v. 30.7.2020 - 24 BV 18.2500 - UA Rn. 16). Dies ist ihm weder im erstinstanzlichen Verfahren noch in seiner Berufungszulassungsbegründung gelungen.
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Soweit der Kläger im Berufungszulassungsverfahren unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vortrages ausführt, er habe nie die Existenz der Bundesrepublik Deutschland in Abrede gestellt oder die Gültigkeit der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland in Zweifel gezogen, sondern vielmehr mehrfach betont, dass er weder die Existenz der Bundesrepublik negiere, noch die Gültigkeit der auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung infrage stelle, verfängt dieser Einwand nicht. Der Kläger hat in seinen Schreiben an Behörden reichsbürgertypische Argumentationsmuster verwendet, so dass der Beklagte und das Verwaltungsgericht zu Recht daraus den Schluss ziehen durften, dass der Kläger der Reichsbürgerbewegung nahesteht. Es hätte daher zur Widerlegung mehr bedurft als den Hinweis darauf, dass er nur aufgrund eines „akademischen Interesses“ entsprechend argumentiert habe, zumal der Senat insoweit die erstinstanzliche Auffassung teilt, dass der Kläger sein rein akademisches Interesse an der Klärung staatsrechtlicher Fragen nicht glaubhaft gemacht hat.
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Auch der Einwand des Klägers, das Verwaltungsgericht habe den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vorgegebenen Prüfungsmaßstab nicht berücksichtigt, verhilft der Berufungszulassung nicht zum Erfolg. Das Erstgericht ist den vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als maßgeblich angesehenen Fragen nachgegangen, da es zum einen umfassend darlegte, warum es der Behauptung des Klägers, er habe mit seinen Schreiben ein rein „akademisches Interesse“ an der Klärung staatsrechtlicher Fragen verfolgt, für nicht glaubhaft hält (UA Rn. 30 ff.). Bereits die von ihm verwendeten Formulierungen lassen auch nach Ansicht des Senats insgesamt nicht den Schluss zu, dass es dem Kläger primär nur darum gegangen ist, von einem Gericht eine Stellungnahme bzw. Auskunft zur Frage nach der Gültigkeit des Grundgesetzes und des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten zu erhalten, zumal er auf die fundierte und zutreffende Stellungnahme zu den maßgeblichen Rechtsgrundlagen und deren Gültigkeit im Schreiben des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 21. März 2016 in keiner Stelle eingegangen ist, sondern in seinem Schreiben vom 27. März weiterhin pauschal weiter mitteilte, das Ordnungswidrigkeitengesetz abzulehnen. Vor allem die provozierende Art des Auftretens des Klägers gegenüber Behörden entspricht nicht dem Verhalten eines an einer akademischen Frage interessierten Bürgers, sondern stellt vielmehr eine Verhaltensweise dar, die Vertreter der Reichsbürgerszene an den Tag legen, da es zu deren Kennzeichen gehört, sich gern mit Behörden „anzulegen“ und diese - wenn möglich - „vorzuführen“ (Verfassungsschutzbericht 2018 des Bundes, Seite 96 f). Zum anderen ist das Verwaltungsgericht unter Würdigung der Persönlichkeit des Klägers auch der Frage nachgegangen, ob die Äußerungen des Klägers zum Ausdruck bringen, dass dieser der Ideologie der Reichsbürger folgend die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung generell nicht als für sich verbindlich anerkennt. Es hat - wie oben dargelegt - aus den dargestellten Verhaltensweisen und Äußerungen des Klägers Rückschlüsse auf dessen waffenrechtliche Zuverlässigkeit und ideologische Einstellung, die es in der Nähe der Reichsbürgerbewegung verortete, gezogen. Dies ist zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Schließlich geht auch der Einwand des Klägers in der Zulassungsbegründung, seine langjährige generelle Rechtstreue ohne waffenrechtliche Verstöße hätte in den Entscheidungsgründen zwingend berücksichtigt werden müssen, ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat bereits zu Recht ausgeführt, dass allein der Umstand, dass sich eine Person in Übereinstimmung mit gesetzlichen Vorgaben verhält, keine waffenrechtliche Zuverlässigkeit begründet, wenn sie ihre Bindung an die Rechtsordnung - wie hier - durch Wort und Tat unter Vorbehalt stellt und auf diese Weise Zweifel weckt (UA Rn. 29 unter Verweis auf VGH BW, B.v. 10.10.2017 - 1 S 1470/17). Ausgehend von dem Grundsatz, dass nur derjenige im Besitz von Waffen sein soll, der nach seinem Verhalten das Vertrauen darin verdient, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird, ist insoweit eine niedrigschwellige Prognose im Hinblick auf die jeweilige waffen- und sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit ausreichend. Mit dem Verwaltungsgericht ist der erkennende Senat der Ansicht, dass die vom Kläger gezeigten Verhaltensauffälligkeiten die Annahme seiner Unzuverlässigkeit im Sinne des Waffengesetzes rechtfertigen. Gegen seine Rechtstreue spricht im Übrigen der Umstand, dass der Kläger der sofort vollziehbaren Anordnung in Nummer 3 des streitgegenständlichen Bescheides, die Waffe einem Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar machen zu lassen, nicht nachgekommen ist, weshalb der Beklagte die Waffe im Wege der Amtshilfe von der Polizei sicherstellen lassen musste.
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In diesem Zusammenhang weist der Senat ferner ergänzend darauf hin, dass der Kläger ausweislich der Behördenakten bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten ist (u.a. Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung), ohne dass die Behörde hieraus waffenrechtliche Konsequenzen gezogen hat.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).