Reichi hat MPU nicht beigebracht und verliert vorl. RS und PKH wegen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit.
"Mit dem sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges wäre es aber nicht vereinbar, wenn der Fahrer jeweils selbst darüber entscheiden würde, welche Verkehrsregeln er für sinnvoll hält und zu beachten gewillt ist."
Normen: § 3 Abs 1 S 1 StVG, § 46 Abs 1 FeV, § 46 Abs 3 FeV, § 11 Abs 2 FeV, § 11 Abs 8 FeV, § 80 Abs 5 VwGO, § 114 ZPO
Entziehung einer Fahrerlaubnis
Tenor
Die Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes und auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe werden zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 6.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
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Der 1957 geborene Antragsteller wendet sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner ihm 1978 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3.
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In einem Schreiben vom Juni 2009 wendete sich der Antragsteller als rechtlicher Vertreter einer Frau L… an das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten und bat um Ausfüllung eines beigefügten Formulars „Erklärung der Verantwortlichkeit“. Des Weiteren fügte er eine an die Botschaft der USA „z. Hd. Des Hohen Kommissars der Militärregierung“ und ausweislich der Rückscheine an weitere 14 Institutionen gerichtete Strafanzeige mit einem Antrag auf Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen mehrere Berliner Behörden, Senatsverwaltungen, Staatsanwaltschaften, Gerichte sowie eine Gerichtsvollzieherin und die Deutsche Bank bei, in der er u. a. ausführte, dass „die Bonner BRD“ sich ihrer eigenen Gesetze und Grundlagen beraubt habe und z. B. die StPO, die ZPO, das GVG und das OWiG aufgehoben worden seien. Berlin habe eine Sonderrolle und sei eine private Selbstverwaltung. Der Antragsteller erhob gleichzeitig eine Schadensersatzforderung in Höhe von 1000 Feinunzen Gold.
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In einem gegen ihn gerichteten Bußgeldverfahren wegen Parkens im Bereich eines Parkscheinautomaten ohne gültigen Parkschein verwies der Antragsteller im Juli 2009 ebenfalls auf die fehlende Rechtsgrundlage und die Aufhebung des OWiG, verlangte von allen beteiligten Personen die Ausfüllung eines Formblatts zum Nachweis der Verantwortlichkeit und stellte Aufwendungen und Schaden in Höhe von 10 Feinunzen Gold in Rechnung. Im März 2010 übersandte der Polizeipräsident in Berlin dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten weitere Schreiben des Antragstellers, in denen dieser sich bei verschiedenen ausländischen Botschaften gegen die „völkerrechtswidrigen Plünderungen“ durch das Finanzamt Wedding, das die Vollstreckung aus einem Kostenbescheid nach Einstellung des Bußgeldverfahrens betrieb, wendete.
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Mit Schreiben vom 8. April 2010 teilte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten dem Antragsteller mit, dass Bedenken hinsichtlich seiner Kraftfahreignung beständen, weil aufgrund seiner umfangreichen schriftlichen Äußerungen Zweifel an seinem Realitätssinn beständen. Da er die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkenne und konkrete Maßnahmen der Behörden für sich als ungültig ansehe, sei auch keine ausreichende Sicherheit gegeben, dass er den verkehrsrechtlichen Regeln Folge leiste. Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten forderte den Antragsteller auf, zur Feststellung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen innerhalb von zwei Monaten das Gutachten eines Arztes für Neurologie/Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation vorzulegen. Der Antragsteller teilte im Juni 2010 unter anderem mit, dass er sich unter völkerrechtliche Selbstverwaltung gestellt habe. Ein Gutachten legte er nicht vor.
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Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 8. Juli 2010 mit, dass beabsichtigt sei, ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen, weil er wegen Nichtvorlage des Gutachtens als ungeeignet anzusehen sei, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Antragsteller machte daraufhin u. a. geltend, er sei bereits im Dezember 2009 beim Bezirksamt Mitte, Gesundheitsamt/Sozialpsychiatrischer Dienst, psychologisch begutachtet worden.
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Mit Bescheid vom 2. August 2010 entzog das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten dem Antragsteller die Fahrerlaubnis. Der Antragsteller legte Widerspruch ein und äußerte in einem Schreiben an den Polizeipräsidenten in Berlin, dass er sich sehr wohl an Verkehrsregeln halte, da diese „in weiten Teilen sinnvoll“ seien. In einem weiteren gegen den Antragsteller gerichteten Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung (um 11 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften) trug der Antragsteller u. a. vor, dass ein guter Autofahrer sehr wohl selbst entscheiden könne, welche Geschwindigkeit für die gegebene Situation angemessen sei. Zudem betonte er erneut, dass er sich dem System entzogen habe.
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Das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2010, zugestellt am 26. Oktober 2010, zurück. Der Antragsteller hat am 18. November 2010 Klage erhoben (VG 20 K 389.10), über die noch nicht entschieden ist.
II.
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Der sinngemäße Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage (VG 20 K 389.10) gegen den Bescheid des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 2. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten vom 12. Oktober 2010 wiederherzustellen,
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ist gemäß § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig, aber nicht begründet.
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In formeller Hinsicht hat der Antragsgegner die Anordnung der sofortigen Vollziehung ordnungsgemäß im Sinne des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. In materieller Hinsicht überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsaktes das Interesse des Antragstellers, von dessen Vollzug verschont zu bleiben. Nach der im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes nur gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren erweist sich nämlich der Verwaltungsakt als rechtmäßig. Zudem liegt ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes vor.
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Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in Verbindung mit § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 3 i. V. m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn der Betroffene ihr ein rechtmäßig angefordertes Gutachten nicht fristgerecht vorlegt. Der Schluss auf die Nichteignung des Antragstellers war vorliegend möglich, weil er das von ihm mit Schreiben des Antragsgegners vom 8. April 2010 angeforderte Gutachten eines Arztes für Neurologie/Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation nicht fristgerecht beigebracht hat, obwohl die Anordnung, ein solches Gutachten innerhalb von zwei Monaten vorzulegen, rechtmäßig war.
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Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechende Anwendung. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 46 Abs. 3 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens anordnen, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Inhabers begründen. Bedenken bestehen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Tatsachen bekannt werden, die auf eine Erkrankung oder einen Mangel nach Anlage 4 oder 5 hinweisen. Derartige Tatsachen sind vorliegend gegeben. Die berücksichtigten Schriftwechsel des Antragstellers mit dem Polizeipräsidenten in Berlin sind gemäß § 2 Abs. 12 StVG in nicht zu beanstandender Weise dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten zugänglich gemacht worden. Aus den Schreiben des Antragstellers geht hervor, dass er die staatliche Rechtsordnung und die Legitimation der staatlichen Organe nicht anerkennt und sich außerhalb dieser Rechtsordnung gestellt hat. Ob die hartnäckige Leugnung der Geltung einer Reihe von Gesetzen, das Beharren darauf, er habe sich dem geltenden System entzogen, und die wiederholte Forderung nach Schadensersatz in Form von Feinunzen Gold Ausdruck einer psychischen Störung mit verkehrsrechtlicher Relevanz im Sinne der Nummer 7 der Anlage 4 zur FeV sind, kann nur von einem Arzt beurteilt werden. Die Fahrerlaubnisbehörde hat insoweit gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 FeV zu Recht bestimmt, dass das Gutachten von einem Arzt für Neurologie/Psychiatrie mit verkehrsmedizinischer Qualifikation erstellt werden und dieser klären soll, ob eine Erkrankung nach Anlage 4 vorliegt, das Realitätsurteil unter das erforderliche Maß herabgesetzt ist, ggf. trotz Vorliegens einer Erkrankung eine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen 1 und 3 gegeben ist sowie ob eine zusätzliche medizinisch-psychologische Untersuchung erforderlich ist. Dass der Antragsteller nach seinen eigenen Angaben bereits im Dezember 2009 beim Sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamts Mitte untersucht wurde, steht dem nicht entgegen, weil für die vorliegend zu klärende Fragestellung eine verkehrsmedizinische Qualifikation erforderlich ist. Auch der Hinweis des Antragstellers, er halte sich sehr wohl an Verkehrsregeln, da diese in weiten Teilen sinnvoll seien, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Denn dies schließt das Vorliegen einer psychischen Störung mit verkehrsrechtlicher Relevanz nicht aus. Dieses Vorbringen lässt nämlich offen, ob sich der Antragteller auch dann an Verkehrsregeln halten würde, wenn er diese nicht für sinnvoll hält. Mit dem sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges wäre es aber nicht vereinbar, wenn der Fahrer jeweils selbst darüber entscheiden würde, welche Verkehrsregeln er für sinnvoll hält und zu beachten gewillt ist. Aus der vom Antragsteller angeführten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) (Beschluss vom 19. Mai 2011 - VG 2 L 58/11 -) folgt für den vorliegenden Fall nichts anderes, weil die Frage, ob Eignungszweifel gegeben sind, nur für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden kann.
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Das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich aus der erhöhten Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer im Straßenverkehr, die von nicht geeigneten Kraftfahrern ausgeht. Die persönlichen Interessen des Antragstellers müssen im Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs zurücktreten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des Verfahrensgegenstandes folgt aus §§ 52 Abs. 1 und 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. Anlage 3 I. zur FeV und Nummern 46.1, 46.5 und 46.8 des sog. Streitwertkatalogs (NVwZ 2004, 1327), wobei für das vorliegende vorläufige Rechtsschutzverfahren die Hälfte der dort aufgeführten Werte angesetzt wurde (vgl. Nummer 1.5 des Streitwertkatalogs).
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Die vorsorglich beantragte Prozesskostenhilfe konnte bereits deshalb nicht gewährt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung). Auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers kommt es im Hinblick darauf nicht an.
http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/portal/t/uon/bs/10/page/sammlung.psml;jsessionid=502345920BD7F1BB1898442C7358597D.jp28?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=JURE110018416&doc.part=L&doc.price=0.0&doc.norm=all#focuspoint