Das betrifft handwerkliche Mängel.
Nun ist es ja häufig so, dass der Berichterstatter (der das Urteil abfasst) in einer Kammer frisch aus dem Referendariat kommt. Dann sollte der (in der Regel erfahrene) Vorsitzende aber mal drüber schaun.
Auch die rechtliche Bewertung der Handlungen des Reichsdeppen - die das Revisionsgericht im Abschnitt IV zu steuern versucht - ist erstaunlich: Auch wenn die Gerichtsvollzieher den Deppen nicht ernstgenommen haben, handelte der immerhin nach seiner Vorstellung rechtswidrig: auch ein untauglicher Versuch ist regelmäßig strafbar.
Ich denke, dass sich bei der zurückzuverweisenden Kammer der Vorsitzende um den Fall kümmern wird und dass es dann für den Reichi nicht ganz so glimpflich abgehen wird.
Klar, das waren hier schon sehr deutliche Worte des OLG. Aber auch hierzu eine Anmerkung von mir: Das Urteil des Landgerichts samt seinen handwerklichen Mängeln ist sicher nicht durch irgendeinen jungen, unerfahrenen Berichterstatter verbockt worden, sondern durch den Vorsitzenden bzw. die Vorsitzende höchstselbst. Denn über Berufungen gegen amtsgerichtliche Strafurteile entscheidet beim Landgericht stets die Kleine Strafkammer, die in nahezu allen Fällen nur aus einem Berufsrichter, nämlich dem Vorsitzenden, und zwei ehrenamtlichen Richtern besteht (siehe § 76 GVG). Der Vorsitzende, mindestens ein Vorsitzender Richter am Landgericht (VRiLG) mit Besoldungsgruppe R 2, ist damit zugleich auch Berichterstatter/in und diejenige Person, die das schriftliche Urteil abfassen darf. Dieses Urteil enthält nebenbei nicht mal im Original die Unterschriften aller beteiligten Richter, die ehrenamtlichen Richter ("Schöffen") müssen nämlich nicht unterschreiben (§ 275 Abs.2 Satz 2 StPO).
Nun fragt sich der Laie sicher: "Urteil verfasst durch VRiLG (also durch einen Richter mit mehreren Jahren Berufserfahrung, Bewährung im Dienst und einer - im Richterdienst relativ seltenen - Beförderung) und dann schwere handwerkliche Fehler des Urteils - wie kann das sein
" - Nun, das muss kein Widerspruch sein. Da Vorsitzende der Kleinen Strafkammer außer bei den mit den Schöffen durchgeführten Sitzungen Einzelkämpfer sind, eignen sich diese Positionen hervorragend für beförderte Vorsitzende Richter, die - sagen wir mal - wenig teamfähig sind, sonstige schwierige Persönlichkeiten sind oder mit denen der dienstliche Umgang aus sonstigen Gründen nicht ganz so leicht ist (ich will nicht sagen, dass die alle in solche Positionen abgeschoben werden, es ist aber oft so). Dort ist die Karriere dann auch häufig zu Ende. Wenn dies zu Frust führt und obendrein die Unterstützung durch einen zweiten Berufsrichter in der Kammer fehlt, schleichen sich relativ leicht Fehler in die schriftlichen Urteile ein.
Wir hatten in unserem "Kombinat Rechtspflege" (also der Kombination von Landgericht, Amtsgericht und Staatsanwaltschaft) Vorsitzende von Kleinen Strafkammern, die fast immer ausgezeichnete Entscheidungen getroffen haben, aber unfähig waren, diese "revisionsfest" zu Papier zu bringen. Da wurden die Urteile dann in der Revision am Fließband aufgehoben und zurückverwiesen und eine andere Strafkammer des Landgerichts hatte dann das Vergnügen, die Sache wiederaufzuarbeiten (wobei nicht selten das Gleiche herauskam wie im ersten Durchgang). Man muss allerdings auch sagen, dass das Revisionsrecht in Deutschland ziemlich formal und streng ausgestaltet ist und dass so manche Revisionsentscheidung gerade juristischen Laien, aber nicht nur diesen, schon arg spitzfindig erscheinen dürfte.
So ein Fall liegt hier aber nicht vor, denn hier ist das Urteil des Landgerichts nicht nur schlecht begründet, sondern einfach nur schlecht. Die Sache mit den festgestellten Tatsachen hätte man ja noch wirklich einfach vermeiden können, indem man nicht nur die Feststellungen des Amtsgericht wiedergibt, sondern irgendwo kurz erwähnt, dass dies auch die durch das Landgericht selbst festgestellten Tatsachen sind. Die rechtliche Beurteilung der Tat als straflos ist aber - noch dazu mit dieser Begründung - wirklich eher juristischer Sub-Standard.