Autor Thema: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?  (Gelesen 4824 mal)

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Offline Aloysius

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #15 am: 4. September 2016, 18:23:41 »
Ich denke, das Thema "Reichsbürger" und ihr potentielles Gefährden der Bundesrepublik ist aktuell wieder etwas - hochgekocht ist schon zuviel gesagt - weil der Protagonist "Ursache" erstens so medienwirksam ist (Attraktiv als Ex-Mr Germany und ein durchaus fähiger Dampfredner).

Aber es ist, wie oben schon besser ausgeführt, nur sehr begrenzt attraktiv in der konsequenten Durchführung des Weltbildes.

Allgemein denke ich, daß wahrscheinlich viele von euch in euren verschiedenen Berufsfeldern schon mit diversen chronischen Nörglern, Querulanten und Spinnern Kontakt hatten, und man hat dann erlebt, wie sich das früher oder später wieder gibt, oder es im Weiteren in Psychatrie oder Strafvollzug mündet.
 
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dtx

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #16 am: 5. September 2016, 22:02:36 »
Einen Reichsbürger mit und im Amt, selbsterdachte ausgenommen, gibt es nicht. Selbst wenn, währte dieser Zustand nur für sehr kurze Zeit. Der Mensch (er)kennt seine Pappenheimer.

Ich fürchte, Du irrst. Prominenteste Beispiele sind Lehrstuhlinhaber, die man seit längerem gewähren läßt. Inwiefern irgendwo ein subalterner Beamter bzw. Angestellter, der auch mal in Geldnöte kommen kann, an der Strategie Gefallen findet, wird nicht unbedingt bekannt werden.

Spätestens oder gerade wenn es ein Peter Fitzek, aus unerklärlichen Gründen, etwa zum Bürgermeister von Wittenberg bringen würde, wäre sehr schnell Schluß mit dem Spuk.

Ich vermute, daß Fitzek an dem Amt nicht lange Gefallen fände. Schließlich ist es nicht nur mit Ehre, sondern auch mit reichlich Arbeit verbunden. Deshalb sind da Nebenbeschäftigungen genehmigungspflichtig.

Alles Lamentieren über vermeintliche oder echte Mißstände ist nichts gegen echte Arbeit, etwa die, eine funktionierende wöchentliche Müllabfuhr organisieren zu können.

Eine Stadtverwaltung ist kein Einmannbetrieb. Wenn das öffentliche Leben überall zum Erliegen käme, wo der Bürgermeister eine Pfeife ist, hätten wir in jeder fünften Ortschaft Mailänder Verhältnisse.
 

Offline Flo

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #17 am: 6. September 2016, 08:27:44 »

Nein, aus zwei simplen Gründen:

1.) Die "Reichsbürgerideologie" bringt für in die Gesellschaft eingebundene Menschen mit einem guten Job, sozialen Kontakten und einem insgesamt sehr guten Leben keinerlei Vorteile, sondern nur Nachteile. "Reichsbürgertum" ist daher eine Ideologie für den auf der sozialen und ökonomischen Rangleiter ganz unten stehenden Prozentsatz der Bevölkerung, der sich damit in seiner wirren Gedankenwelt über andere Teile der Bevölkerung erheben kann, obwohl es objektiv gesehen dafür keinen Grund gibt. Diese Menschen haben in der Regel sowieso kaum noch etwas zu verlieren, und gewinnen psychologische Befriedigung aus dem Konfrontationskurs mit dem Staat und seinen Repräsentanten. In einem wohlhabenden Staat wie Deutschland, in dem die Menschen mit Masse ein sehr gutes Leben haben, ist diese Ideologie daher für einen absolut überwiegenden Teil der Bürger schlicht und einfach extrem unattraktiv.

(...)

 Im Gegensatz zu Ideologien wie dem Faschismus, dem Kommunismus oder dem politischen Islam geht von der "Reichsbürgerideologie" also keine ernsthafte Gefahr für den Staat aus.


Es geht deswegen keine Gefahr von der "Reichsbürgerideologie" aus, da es eine solche - bei genauerer Betrachtungsweise - nicht gibt. Was es tatsächlich gibt, sind Bürgerinnen und Bürger, welche mit der abgelieferten Leistung aus Verwaltungen und/oder Behörden nicht zufrieden sind und deren Handeln (Tun oder Unterlassen) immer mehr in Frage stellen; Teilweise völlig zu Recht und teilweise auch zu Unrecht. Hunderttausende fehlerhafte SGBII Bescheide, BER oder Stuttgart 21, erschlichene akademische Grade (alles nur beispielhaft und in der Anzahl beliebig verlängerbar) nebst den ca. 170.000 Stimmen für die AfD sprechen hier eine deutliche Sprache.

Soll heißen, so einfach funktioniert die Welt nicht.
 
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Offline be-eh

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #18 am: 6. September 2016, 08:50:04 »
Es geht deswegen keine Gefahr von der "Reichsbürgerideologie" aus, da es eine solche - bei genauerer Betrachtungsweise - nicht gibt. Was es tatsächlich gibt, sind Bürgerinnen und Bürger, welche mit der abgelieferten Leistung aus Verwaltungen und/oder Behörden nicht zufrieden sind und deren Handeln (Tun oder Unterlassen) immer mehr in Frage stellen; Teilweise völlig zu Recht und teilweise auch zu Unrecht. Hunderttausende fehlerhafte SGBII Bescheide, BER oder Stuttgart 21, erschlichene akademische Grade (alles nur beispielhaft und in der Anzahl beliebig verlängerbar) nebst den ca. 170.000 Stimmen für die AfD sprechen hier eine deutliche Sprache.

Soll heißen, so einfach funktioniert die Welt nicht.

Ich gebe Dir in der Sache uneingeschränkt Recht, finde aber, dass man zumindest nicht alle Beispiele, die Du bringst, so stehen lassen kann.

"Stuttgart 21" ist aus meiner Sicht zuerst ein politisches Problem, kein Problem der Leistung von Verwaltung/Behörden. Es geht da um die Akzeptanz einer Infrastrukturmaßnahme. Da kann man dagegen sein oder dafür aus unterschiedlichen Gründen. Man kann auch bezweifeln, dass die Begründung für die Maßnahme korrekt ist (Fahrzeitverkürzung usw.) Dass der Konflikt letztlich so eskaliert ist, ist die Schuld von politisch Verantwortlichen, die die maßgeblichen Entscheidungen getroffen haben (inklusive dem Volksentscheid und dem Riesenbohei drumherum). Der kleine Planungsbeamte aus dem Stadtentwicklungsamt kann nichts dafür, wenn der Ministerpräsident die Wasserwerfer auffahren lässt, um ein umstrittenes Projekt durchzuprügeln. Dazu gab s ja auch dann den einen oder anderen Untersuchungsausschuss und Herr Mappus ist längst auf dem Abstellgleis (zwar nicht im Wesentlichen deswegen, aber trotzdem zu Recht). Da kann die Republik übrigens froh sein, dass dieser Kelch an ihr vorbeigegangen ist. Nicht auszudenken, wie der sich in der Flüchtlingskrise an die Seite von Seehofer gestellt und die nationale Tröte ausgepackt hätte ("keine Syrer im Schwobeländle, die klauet uns na noch die Mauldascha"). Der wurde von interessierten konservativen Kreisen ja auch schon als Kanzler gehandelt.

Die falschen SGB-Bescheide sind ein Elend, da stimme ich Dir zu 100% zu. Peinlicher geht es eigentlich für einen Sozial- und Rechtsstaat nicht - er bekommt nicht mal hin, die Grundsicherung so zu organisieren, dass man nicht dauern zum Gericht rennen muss.

BER ist aus meiner Sicht etwas komplett Anderes, das ist ein Vollversagen von Politik und Verwaltung, keine Frage - aber auch der Privaten, welche beteiligt sind. Ich glaube nicht, dass BER als gutes Beispiel dafür taugt, dass der Staat nichts hinbekommt und die Welt viel besser wäre, wenn man die Konzerne einfach machen ließe (dieses Argument hört man zu BER doch recht häufig). Ich finde übrigens interessant, dass BER viel häufiger als schlechtes Beispiel angeführt wird als die Elbphilharmonie in Hamburg, wo das Zehnfache (!) der geplanten Kosten versenkt wurde. So weit sind wir glaube ich in Berlin noch nicht (OK, das Ding ist ja auch noch nicht fertig). Im Übrigen sollte man sich immer vor Augen führen, dass das die Extremfälle sind. Korruption und Versagen gibt es landauf, landab in unterschiedlichen Größen und Formen. Trotzdem ist für mich das Glas halb voll: Schaut man in die vielen kleinen Gemeinden und Kreise, sieht man, dass in der weit überwiegenden Zahl die Strukturen sehr gut funktionieren und die Leute sich mit Leidenschaft in ihre Jobs hängen. Ich möchte zum Beispiel mit keinem der tausenden ehrenamtlichen Bürgermeistern im Osten* tauschen, die nicht mal einen feuchten Händedruck dafür bekommen, dass sie den Laden schmeißen. Ich bin auch der Meinung, dass der weit überwiegende Anteil von Geschäftsstellenmitarbeitern in den deutschen Gerichten einen sensationellen Job machen, genauso wie die Berater beim Arbeitsamt, die Leute in den Finanzämtern usw. Der Staat spart hier alles zusammen und plant immer enger, aber im Großen und Ganzen funktioniert das System. An dieser Stelle übrigens nochmal ein extra Dankeschön an die Chemtrails-Abteilung (SG45) - weiter so, Jungs!

* Ich nehme hier ausdrücklich Lutherstadt Wittenberg, die städtischste Schönkleinheit der Welt [tm], aus. Das ist ein schönes Beispiel für Totalversagen - aber auch nur, was das Königreich Deutschland** angeht. Im Organisieren von evangelischen Stadtfesten sind sie wiederum Spitze! Außerdem ist der OB nicht ehrenamtlich.

** Ist das jetzt schon eine Anerkennung, wenn ich die Anführungszeichen weglasse?
 
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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #19 am: 6. September 2016, 10:52:08 »
Was mir in Deutschland im Vergleich zu meiner Heimat, aber auch zu anderen Ländern auffällt, ist die starke Verbreitung einer "Versorgungs-" bzw. "Alimentations-Mentalität". In gehobener Form stellt sie den Anspruch vieler Deutscher dar, so jung als möglich verbeamtet zu werden und dann lebenslang und sogar über den Tod hinaus (Hinterbliebenenversorgung) vom Staat alimentiert zu werden. In einer anderen, nicht so hoch stehenden Form stellt sie den Anspruch eines Teils der Bevölkerung dar, vom Staat gefälligst durchgefüttert zu werden.
Gerade die letztere Schicht zeigt sehr wenig Eigenverantwortung und schon gar keine Initiative, und falls doch, dann eben zunehmend in der Art "Reichsbürger", "eigener Staat" usw.
Das Hartz-Konzept von Förderung und Fordern könnte durchaus mit dem Erstarken der RD-Szene zusammenhängen insofern, als in den Augen derer, die wie geschildert denken und den Staat im Wesentlichen als Versorgungsanstalt sehen, dieser Staat eben versagt, die "Leistung" nicht mehr stimmt, viel mehr noch der Staat sich weigert, seine ureigenste Aufgabe zu erfüllen, sie durchzufüttern. Unter dieser Voraussetzung trifft es dann natürlich schon zu, dass der Staat kein Staat mehr ist.
Macht man diese Voraussetzung allerdings nicht (aus meiner persönlichen Sicht ist der Staat nicht dazu da, jedermänniglich durchzufüttern, sondern nur dazu, faire Chancen für alle zu gewähren), dann liegt auch kein Staatsversagen vor und kann schon gar nicht von einem Fehlen des Staates die Rede sein.
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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #20 am: 6. September 2016, 12:00:47 »
Aus der täglichen Praxis und der Erfahrung von 16 Jahren Arbeit mit ihnen gesprochen sind Reichsbürger weniger Problem als früher.
Die Argumente sind bekannt wie abgedroschen.
Als sie vereinzelt auftraten hat man sich noch in Antworten abgerackert.
Jetzt gibt es bei - zwar vergleichsweise mehr Fällen - deutlich weniger als Antwort.
Ein Schreiben, dass sie gänzlich falsch liegen und mit den Konsequenzen leben müssen.
Ansonsten wird auf Unsinn nicht geantwortet.
Auch die Angst, in den ellenlangen Schriftsätzen mal einen Antrag zu übersehen, ist gewichen.
Großen Nachdruck machen sie meist eh nicht.
Einmal fest aufstampfen.
Irgendwie wie mit den Kindern.

Der Gedanke kam mir vor 16 Jahren genau wie heute.
Viele dieser Kinder habe ich scheitern gesehen.
Bei einigem Scheitern pflichtgemäß mitgewirkt.
Viel zu wenig in die Öffentlichkeit gekommen.

Einige dieser Kinder arbeiten wieder als "BRD-Sklaven".
Haben eingesehen, dass es nichts hilft, die Realität nicht sehen zu wollen.

Aber auch bei uns gelten diese Kinder als gefährlich.
Dahingehend, dass sie meinen, sich körperlich gegen die Staatsgewalt wehren zu dürfen.
Diese aktive Gefährlichkeit, das Fallen der Schranke zur Ausübung von Gewalt gegen die Vertreter des eigenen Volkes (um in deren Sprachchargon zu bleiben),
ist das aktuelle Problem, dass wir mit diesen Kindern haben.
Fällt Dir nur Unsinn ein und immer,
erzähle nichts, sonst wird es schlimmer.
 

Offline Nestor

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #21 am: 6. September 2016, 12:06:01 »

BER ist aus meiner Sicht etwas komplett Anderes, das ist ein Vollversagen von Politik und Verwaltung, keine Frage - aber auch der Privaten, welche beteiligt sind. Ich glaube nicht, dass BER als gutes Beispiel dafür taugt, dass der Staat nichts hinbekommt und die Welt viel besser wäre, wenn man die Konzerne einfach machen ließe (dieses Argument hört man zu BER doch recht häufig). Ich finde übrigens interessant, dass BER viel häufiger als schlechtes Beispiel angeführt wird als die Elbphilharmonie in Hamburg, wo das Zehnfache (!) der geplanten Kosten versenkt wurde. So weit sind wir glaube ich in Berlin noch nicht (OK, das Ding ist ja auch noch nicht fertig). Im Übrigen sollte man sich immer vor Augen führen, dass das die Extremfälle sind. Korruption und Versagen gibt es landauf, landab in unterschiedlichen Größen und Formen. Trotzdem ist für mich das Glas halb voll: Schaut man in die vielen kleinen Gemeinden und Kreise, sieht man, dass in der weit überwiegenden Zahl die Strukturen sehr gut funktionieren und die Leute sich mit Leidenschaft in ihre Jobs hängen. Ich möchte zum Beispiel mit keinem der tausenden ehrenamtlichen Bürgermeistern im Osten* tauschen, die nicht mal einen feuchten Händedruck dafür bekommen, dass sie den Laden schmeißen. Ich bin auch der Meinung, dass der weit überwiegende Anteil von Geschäftsstellenmitarbeitern in den deutschen Gerichten einen sensationellen Job machen, genauso wie die Berater beim Arbeitsamt, die Leute in den Finanzämtern usw. Der Staat spart hier alles zusammen und plant immer enger, aber im Großen und Ganzen funktioniert das System. An dieser Stelle übrigens nochmal ein extra Dankeschön an die Chemtrails-Abteilung (SG45) - weiter so, Jungs!

Ich möchte zustimmen und zu den Kosten von Bauprojekten zwei Sachen ergänzen: Einerseits ist das Ausschreibungsrecht Mitschuld an der Misere, weil halt immer an den am niedrigsten kalkulierenden vergeben werden muss, wenn man keine guten Gründe hat das nicht zu tun, das führt natürlich zu einer kleinrechnung der Kosten, über die Politiker nicht unglücklich sind, wenn es darum geht das Bauprojekt zu Anfang zu verkaufen. Problematisch wird das in meinen Augen erst, wenn die Politik beschließt, etwas zu bauen, dass nicht benötigt wird. Das ist bei der Elbphilarmonie möglicherweise der Fall gewesen (kenn mich mit der Hamburger klassischen Kulturszene und ihren bisherigen baulichen Voraussetzungen nicht genug aus um das zu bewerten), S21 ist da umstritten, Gutachten sagen da verschiedenes, BER ist aber zumindest sinnvoll, da die innerstädtischen Flughäfen Berlins definitiv keine Lösung sind, die man dauerhaft haben möchte.

Zum zweiten gibt es genug private Großprojekte, die mindestens genauso in den Sand gesetzt werden, wie öffentliche Bauprojekte, nur das bei den privaten halt nur Bauruinen bleiben und die Firma, die das ganze in den Sand setzt die Verluste abschreibt oder Pleite geht oder halt, bei wichtigen Projekten auch der Staat eingreifen darf. Solche Fehler fallen natürlich weniger ins Gewicht, weil sie üblicherweise in der Öffentlichkeit keine große Rolle spielen, da kein öffentliches Geld drin steckt und somit kein Sündenbock gesucht werden muss (außer Staatsgelder fließen in so eine Bauruine).
 

dtx

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #22 am: 6. September 2016, 12:27:19 »
Das Hartz-Konzept von Förderung und Fordern könnte durchaus mit dem Erstarken der RD-Szene zusammenhängen insofern, als in den Augen derer, die wie geschildert denken und den Staat im Wesentlichen als Versorgungsanstalt sehen, dieser Staat eben versagt, die "Leistung" nicht mehr stimmt, viel mehr noch der Staat sich weigert, seine ureigenste Aufgabe zu erfüllen, sie durchzufüttern.

Der Eindruck mag in Einzelfällen zutreffen, insgesamt aber eher nicht. Schätzungsweise ein Viertel der HartzIV-Empfänger sind Aufstocker (2014: 1,3 Mill.), also Leute, die auf irgendeine Art und Weise Geld verdienen, was aber zum Leben nicht reicht. Die haben zusammen mit der Restunterstützung unterm Strich nicht mehr als einer, der nichts tut. Und zu dieser Kategorie, die es nach Deiner und der öffentlichen Lesart gar nicht geben dürfte, gehören erstaunlich viele gut ausgebildete, in Vollzeit beschäftigte Fachkräfte. Die ursprüngliche Idee, daß jemand, der für seinen Lebensunterhalt arbeitet, besser leben solle als ein Hilfsempfänger, ist von den politischen Entscheidungsträgern schon lange ad acta gelegt worden. Man hat diese Motivation damit ersetzt, daß man den Leuten bei passender Gelegenheit das Existenzminimum beschneidet.

Vater Staat wandte im Jahre 2014 also 10,85 Mrd Euro auf, um die Unternehmer mit einem politisch gewollten, sich immer weiter ausdehnenden Niedriglohnsektor international konkurrenzfähig zu machen. Und mit "international" ist nicht etwa nur Südostasien gemeint, da Deutschland einen erheblichen Teil seiner "Ausfuhren" auf dem EU-Binnenmarkt absetzt. Diesen Niedriglohnsektor zementierte man auch mit der Festlegung des Mindestlohnes, der von etlichen Unternehmen als gesetzlich empfohlener Höchstlohn interpretiert und mit allerlei Tricks unterlaufen wird.

Bei der Bearbeitung der HartzIV-Bescheide steht auf der einen Seite das fiskalische Interesse, die Belastungen der öffentlichen Haushalte mit Vermeiden und Verschieben von Ausgaben zu entlasten. Das spiegelt sich auch in den Planungsvorgaben an die Arbeitslosenverwaltung wider. Auf der anderen Seite steht bspw. die Tatsache, daß eine mittellose Person schneller die Räumungsklage wegen schuldig gebliebener Mieten am Hals hat (§ 543 BGB), als sie die Verwaltung klagweise zur Bearbeitung ihres Antrages bewegen kann (§ 88 SGG).
Derlei Ungereimtheiten finden sich in diesem System noch eine ganze Reihe mehr, was perspektivisch auch dazu führen dürfte, daß etliche der auf dem deutschen Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen könnenden Flüchtlinge eher früher als später wieder nach Hause gehen werden.

( @Pantotheus )
« Letzte Änderung: 6. September 2016, 12:43:40 von dtx »
 
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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #23 am: 6. September 2016, 12:40:23 »

Was mir in Deutschland im Vergleich zu meiner Heimat, aber auch zu anderen Ländern auffällt, ist die starke Verbreitung einer "Versorgungs-" bzw. "Alimentations-Mentalität". In gehobener Form stellt sie den Anspruch vieler Deutscher dar, so jung als möglich verbeamtet zu werden und dann lebenslang und sogar über den Tod hinaus (Hinterbliebenenversorgung) vom Staat alimentiert zu werden. In einer anderen, nicht so hoch stehenden Form stellt sie den Anspruch eines Teils der Bevölkerung dar, vom Staat gefälligst durchgefüttert zu werden.
Gerade die letztere Schicht zeigt sehr wenig Eigenverantwortung und schon gar keine Initiative, und falls doch, dann eben zunehmend in der Art "Reichsbürger", "eigener Staat" usw.
Das Hartz-Konzept von Förderung und Fordern könnte durchaus mit dem Erstarken der RD-Szene zusammenhängen insofern, als in den Augen derer, die wie geschildert denken und den Staat im Wesentlichen als Versorgungsanstalt sehen, dieser Staat eben versagt, die "Leistung" nicht mehr stimmt, viel mehr noch der Staat sich weigert, seine ureigenste Aufgabe zu erfüllen, sie durchzufüttern. Unter dieser Voraussetzung trifft es dann natürlich schon zu, dass der Staat kein Staat mehr ist.
Macht man diese Voraussetzung allerdings nicht (aus meiner persönlichen Sicht ist der Staat nicht dazu da, jedermänniglich durchzufüttern, sondern nur dazu, faire Chancen für alle zu gewähren), dann liegt auch kein Staatsversagen vor und kann schon gar nicht von einem Fehlen des Staates die Rede sein.


Das streben nach einer möglichst lebenslangen Vollversorgung ist kein spezielles deutsches Problem/Phänomen, man findet es in fast allen Ländern.

http://de.statista.com/statistik/daten/studie/218347/umfrage/anteil-der-staatsbediensteten-in-ausgewaehlten-laendern/

Wobei die ca. 4,5 Mio. Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes - in dieser Statistik - nicht berücksichtigt wurden.



 

Offline Leonidas

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #24 am: 6. September 2016, 12:42:05 »
Allgemein denke ich, daß wahrscheinlich viele von euch in euren verschiedenen Berufsfeldern schon mit diversen chronischen Nörglern, Querulanten und Spinnern Kontakt hatten, und man hat dann erlebt, wie sich das früher oder später wieder gibt, oder es im Weiteren in Psychatrie oder Strafvollzug mündet.
Querulanten und Spinner gab es schon immer. Ich kann mich an einen Fall aus meinem kurzen Gastspiel in den 70-ern in der schwäbischen Finanzverwaltung erinnern, wo ein Querulant seine - unsachlichen -Einsprüche und Eingaben mit Wachsmalstiften auf die Rückseite von Tapetenrollen schrieb. Das war amüsant und hat mich als Beamtenanwärter fasziniert, insbesondere als ich mitbekam, wie der zuständige Sachbearbeiter tagelang überlegte, wie man die Rollen vorschriftsmäßig aktivieren kann.

Ungeimpfte kommen in den Himmel, Geimpfte kommen überall hin.
 

Offline be-eh

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #25 am: 6. September 2016, 12:47:44 »
Das Hartz-Konzept von Förderung und Fordern könnte durchaus mit dem Erstarken der RD-Szene zusammenhängen insofern, als in den Augen derer, die wie geschildert denken und den Staat im Wesentlichen als Versorgungsanstalt sehen, dieser Staat eben versagt, die "Leistung" nicht mehr stimmt, viel mehr noch der Staat sich weigert, seine ureigenste Aufgabe zu erfüllen, sie durchzufüttern.

Ja, die Diskussion hatten wir ja schon häufiger. Das ist ein Grund, weshalb jemand zum Reich*epp wird. Es führt aber nicht zwingend dazu, denn sonst hätten wir soviele ALG-II-Empfänger wie Reichs*eppen. Es muss also nochwas dazukommen, es ist ein multikausales Phänomen. Da kann man reiflich tippen. Mal so ins Blaue:

  • oft Finanzaustattung prekär (ALG-II, Pfändung läuft, Überladen mit Krediten/Hypotheken etc.
  • häufig männlich
  • eher niedriges Bildungsniveau / schlechtes Textverständnis / niedriges Reflektionsvermögen
  • eher positive Selbsteinschätzung / "großes Ego"
  • eher impulsiver Typ (wobei es auch den "Beamtentyp" gibt wie Ebel)
  • irgendwann mal ein belastendes Einzelerlebnis gehabt

Bartoschek hat in seinem Buch zu Verschwörungstheorien ja mal ein paar statistische Tests gemacht. Vielleicht könnte man das Modell auch auf RD anwenden. Das Problem ist: Die werden uns kaum Fragebögen ausfüllen  :)
 

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #26 am: 6. September 2016, 12:51:01 »
Querulanten und Spinner gab es schon immer. Ich kann mich an einen Fall aus meinem kurzen Gastspiel in den 70-ern in der schwäbischen Finanzverwaltung erinnern, wo ein Querulant seine - unsachlichen -Einsprüche und Eingaben mit Wachsmalstiften auf die Rückseite von Tapetenrollen schrieb. Das war amüsant und hat mich als Beamtenanwärter fasziniert, insbesondere als ich mitbekam, wie der zuständige Sachbearbeiter tagelang überlegte, wie man die Rollen vorschriftsmäßig aktivieren kann.

Du meintest vermutlich "archivieren", denn diese Tapetenrollen würden jetzt auch nicht zu Zeiten der "Doppik" als Betriebsmittel (Schreibtische, Computer bspw.) bewertet und auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen.
 

Offline hair mess

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #27 am: 6. September 2016, 12:59:34 »
Allgemein denke ich, daß wahrscheinlich viele von euch in euren verschiedenen Berufsfeldern schon mit diversen chronischen Nörglern, Querulanten und Spinnern Kontakt hatten, und man hat dann erlebt, wie sich das früher oder später wieder gibt, oder es im Weiteren in Psychatrie oder Strafvollzug mündet.
Querulanten und Spinner gab es schon immer. Ich kann mich an einen Fall aus meinem kurzen Gastspiel in den 70-ern in der schwäbischen Finanzverwaltung erinnern, wo ein Querulant seine - unsachlichen -Einsprüche und Eingaben mit Wachsmalstiften auf die Rückseite von Tapetenrollen schrieb. Das war amüsant und hat mich als Beamtenanwärter fasziniert, insbesondere als ich mitbekam, wie der zuständige Sachbearbeiter tagelang überlegte, wie man die Rollen vorschriftsmäßig aktivieren kann.



Natürlich gab es schon immer aktivierte Querulanten und Spinner. Sagen wir so: Früher hatte jedes Dorf seinen Deppen, aber über das Internet finden sie zusammen. Und verbündeter Wahnsinn scheint mir eine ansteckende Krankheit zu sein.
Fällt Dir nur Unsinn ein und immer,
erzähle nichts, sonst wird es schlimmer.
 

dtx

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Re: Werden Reichsbürger langsam zu einem echten Problem?
« Antwort #28 am: 6. September 2016, 15:13:30 »
Offenbar muß man auch beim Querulantentum genauer hinschauen:

http://www.fr-online.de/zuwanderung-in-rhein-main/fluechtlingshilfe-auf-jahre-hinaus-verpflichtet,24933504,34713168.html

Zitat
... Eine entsprechende Mail aus dem Referat Aufenthaltsrecht liegt der FR vor. Darin wird einer angehenden Verpflichtungsgeberin im Mai 2015 versichert: „Die Verpflichtungserklärung erlischt, wenn der Aufenthaltszweck durch einen anderen ersetzt wird“, sprich: „Nach Zuerkennung der Asylberechtigung im Asylverfahren und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Paragraf 25“ bestehe „nach hiesiger Rechtsauffassung keine Erstattungspflicht mehr“. Darauf, so wörtlich, könne sich die Verpflichtungsgeberin verlassen. ...

Hier geht es darum, daß die zuständigen JobCenter in Hessen 30 Querulanten (Flüchtlingshelfer) auf Unterhalt für syrische Flüchtlinge in Anspruch nehmen.
 
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